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Nachwirkungen: Hammads Tod
kommt nicht bis in
die Nachrichten
Palestinian Center of Human Rights, 4.3.09
Am
14. Februar 2009 – fast einen Monat nachdem Israel einseitig eine Feuerpause
erklärt hat, hütete der 13 jährige Hammad Silmiya im
Nordosten des Gazastreifens seine Schafe und Ziegen. Es waren etwa 500m von der
Grenze zu Israel entfernt. Ein israelischer Militärjeep, der an der Grenze
entlang patrouillierte, eröffnete das Feuer auf ihn und seine etwa
gleichaltrigen Freunde. Hammad wurde in den Kopf geschossen und war fast auf
der Stelle tot.
Hammads Tod wird es
nicht bis in die Nachrichten schaffen - es ist nur noch ein Todesfall im
Gazastreifen, wo die Zahl der zivilen Verletzten und Todesfälle noch
täglich steigt. Seine Familie hatte vor kurzem den Tod der Großmutter, den Tod
von zwei seiner Cousins, 4 und 18 Monate alt, und die Zerstörung ihres Hauses
und ihrer Haustiere während der israelischen Offensive erlebt.
„Es
war am Samstagmorgen und Hammad wachte um 6 Uhr auf,“,
sagte Hammads Tante Jomaia,40, „er ging mit seinem
Bruder und einigen Freunden auf die Weide, um die Tiere zu hüten. Gegen
10 Uhr bereitete er wie immer draußen im Feld ein Frühstück vor. Ein
israelischer Militärwagen feuerte auf sie und schoss ihm in den Kopf.“
Jomaia zog aus den Falten
ihres schwarzen Schals einen Plastikbeutel heraus. Darin war ein kleiner
Umschlag mit dem einzigen Foto von Hammad, als er sieben war. Spätere Fotos
lagen im Schutt ihres zerstörten Hauses . ….
Hammads Mutter Salma saß neben Jomaia
in der primitiven Notunterkunft der Familie, die sie neben den
Resten ihres Heimes im Nordosten des Gazastreifens aufgerichtet hatte.
Rund herum ein Bild der Verwüstung. Diese Beduinenfamilie kam als
Flüchtlinge 1948 aus Beersheva und siedelte sich hier
an. Vor der letzten israelischen Offensive hatten sie Häuser aus Zement und
eine Tierfarm neben der Pufferzone. Es war das erste Gebiet, das im Januar 2009
angegriffen worden war.
„Panzer
begannen am 5. Januar um 2 Uhr nachts mit dem Schießen,“
erinnert sich Jomaia. Die erste Bombe traf unser
Haus. Ich rannte ins Zimmer meiner Mutter, weil sie 80 Jahre alt und
bettlägerig war.. Dann wurde das Haus ein zweites Mal
getroffen, und wir rannten weg und ließen sie zurück. Wir verhielten uns wie
verschreckte Ziegen, deren Stalltür geöffnet worden war. Wir flohen nach Jabalya und dann nach Zeitoun, wo
wir in Schulen unterkamen. Jeden Tag bat ich Ambulanzen und Sanitäter, mir beim
Evakuieren meiner Mutter zu helfen. Ich sagte sogar, ich würde vor der Ambulanz
mit einer weißen Fahne gehen, aber es war zu gefährlich, und sie weigerten
sich.
Als
die Silmiya-Familie am 18.Januar zurückkehrte, fand
sie ihre Häuserreihe von F-16-Flugzeugen dem Erdboden gleich gemacht. Sie
brauchten drei Tage, um die Großmutter aus dem Schutt herauszuholen. Hammad
wurde nur wenige Wochen später neben der Großmutter beerdigt. …
„Der
Krieg ist noch nicht vorbei,“ sagte Hammads Mutter, „ im Gazastreifen gibt es noch keine ruhige
Zeit. Wir sehen die F-16 oft am Himmel fliegen.
In
den Tagen vor seinem Tod regte sich Hammad auf, weil sein Esel von den Israelis
getötet worden war, zusammen mit 60 Ziegen und drei Kühen seines Vaters Barrak Salem Salaam Silmiya, dessen drei Vornamen im Arabischen alle
Frieden bedeuten. „Wir wollen Frieden, aber wo ist er? Wo sind die
Menschenrechte hier im Gazastreifen“, fragt der 47 jährige Barrak,
als er uns die Tierreste zeigte, die noch rund um die Ruinen des Hauses
im Schlamm lagen.
„Hammad war erst 13. Er sah noch wie ein Kind aus. Trotzdem haben sie
ihn erschossen. Er konnte so gut mit den Tieren umgehen. Er verkaufte sogar
unsere Milch und den Käse auf dem Markt. Was kann ich sonst noch über meinen
Sohn erzählen? - Nicht einmal große Länder können Israel stoppen – was kann ich
dann schon tun? Ich fühle, als wäre ich ein Nichts. In dieser Gegend gab
es nur ein paar Häuser und eine Straße. Waren diese Ziegen vielleicht Kämpfer?“
„Dies ist kein Krieg gegen eine starke Regierung oder ein starkes Land.
Israel tötet uns, als wären wir Tiere, Hunde --- und keiner hilft uns,“ fügte Hammads Tante hinzu.
(dt. und gekürzt: Ellen Rohlfs)