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Den Siedlern in Beit Sahour nachgeben

 

Amira Hass, Haaretz, 13.2.10

 

Die Menschen  in Beit Sahour glauben,  dass die IDF auf den Druck der Siedler reagiert hätten,  als letzte Woche im östlichen Teil dieser großen christlichen  Westbankstadt , ein neuer Wachturm errichtet wurde, behaupten die israelischen Siedler.  Die Einheimischen akzeptieren jedoch die Behauptung der Armee nicht, der Turm sei aus professionellen, militärischen Gründen gebaut worden. Die Siedler schwören, den Druck aufrecht zu erhalten. Und die Beit Sahouris wissen sehr wohl, was sie damit meinen. In den letzten 18 Monaten  hielten Siedler aus der Gush Etzion-Gegend immer häufigere Proteste gegen das „arabische Bauen“ in Beit Sahour.

 

Was sie betrifft, so sagen die Siedler,  würde der Turm letztlich in eine jüdische Stadt integriert, die die Gush Etzion-Siedlung mit der jüdischen Siedlung von Har Homa /Ost-Jerusalem verbindet. Die Beit Sahouris haben keinen Grund , daran zu zweifeln, dass entweder die Siedler oder der Vorstand des Har Homa-Komitee erklärte, dies könne Realität werden, genau wie Har Homa weit über das hinausgeht, was geplant und erwartet wurde.

 

Nach dem 1967er-Krieg verlor Beit Sahour 1200 von seinen 7000 Dunum an Jerusalem, als dieses seine Stadtgrenzen weit hinausschob. Später wurden weitere 430 Dunum seines Landes von Har Homa enteignet, das die Stadt von Norden her bedrängt. Nach weiteren „kleinen“ Enteignungen hier und dort für Umgehungsstraßen, blieben Beit Sahour und seinen 13 000 Bewohnern nur noch 600 Dunum von nicht bebautem, landwirtschaftlich genützten Land, das für Entwicklung zur Verfügung  steht.

Von 1967 bis April 2006 war dieses Land von der Militärbasis Shdema besetzt. Der Rest wurde zur geschlossenen militärischen Zone erklärt  und Teile davon, die kultiviert worden waren, verdorrten nach und nach. 2006 wurde Shdema zur Erleichterung aller verlegt. Doch die Freude der Einheimischen war  zu früh. 1995 bestimmte Israel diese 600 Dunum – ohne Rücksicht, ob es privates oder öffentliches Land war - zur Zone C gehörig. Wie überall auf der Westbank wurde dies zur Realität.

Etwa 100 Familien, die die Besitzer des neu befreiten privaten Landes waren, planten, es von seiner durch die IDF verursachten Kargheit zu befreien ..Doch nach Abu Ayman, einem der Landbesitzer, wurde er vom Bürgermeister gewarnt,  nach israelischen Regeln dürfe er in der Zone C keine „schweren Fahrzeuge wie Traktoren und Bulldozer“ benützen . Sie würden sonst konfisziert. Pflanzen und säen sei erlaubt, sagt Aymann. Er pflanzte dort die berühmte armenische Fakkusfrucht eine armenische Gurke an 

 

Die Beit Sahourer Gemeinde unterdessen hatte einige Pläne für die restlichen 108 Dunum öffentliches Land: eine orthopädische Kinderklinik und einen öffentlichen Park mit Spielplatz, der als Treffpunkt für kulturelle Veranstaltungen verdoppelt werden könnte. Die Finanzierung dieser Projekte wurde sogar schon gefunden: die US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) und der Vatikan würden für den Park zahlen, der „Friedenspark“ genannt werden soll. Und eine andere amerikanische Hilfsorganisation, CURE International würde für das Krankenhaus bürgen.

Aber das Land, das in öffentlichem und in privatem Besitz ist,   gehört zur Zone C. Anfragen wegen Baugenehmigung des Krankenhauses erhielten noch keine Antwort von der Zivilen Verwaltung. Doch aus Quellen der Verwaltung verstand der Bürgermeister aus seinem Reden mit  Beamten der Zivilverwaltung,  die Israelis hätten mündlich den Bau des Friedensparkes genehmigt.

 

Der Bau begann 2007. Das erste, was gebaut wurde, war ein Kletterturm, der erste seiner Art in den besetzten Gebieten – zur Freude der einheimischen Kinder (und der Seilverkäufer). Das Land wurde dann für Sportplätze und Spielbereiche vorbereitet, eine große Halle, ein Restaurant und ein Vorratsschuppen wurden angefügt.

Im Mai 2008, als der Bau in vollem Schwung war, hielt die rechte Organisation der  jüd. Frauen in Grün  jeden Freitag Demonstrationen des Protestes neben dem Park ab. Mitglied der Knesset Aryeh Eldad (Nationale Union) informierte die Knesset über den „Skandal“: US-Gelder würden illegalen Bau finanzieren. Am 1. August 2009 strahlte die Siedler Radiostation  unter der Überschrift „Obamas illegaler Außenposten“ über die Situation ( des Parkes) aus. Die Gemeindeverwaltung bekam eine Order, mit dem Bauen aufzuhören.

Vor zwei Wochen, nachdem die Siedler Tu Bishvat gefeiert hatten, erschienen hebräische Grafittis auf den Strukturen des Parkes: Davidsterne und dass der Park von amerikanischem Geld gebaut worden sei. Angestellte wurden damit beauftragt, die Graffitis zu entfernen, doch auf den Schildern von USAID blieb der Davidstern.

Nachdem USAID verspätet erfahren hat, dass der Park etc. nicht offiziell von der Zivilverwaltung genehmigt worden war, stellte USAID seine finanzielle Hilfe ein ( $310 000) und die Arbeit am Projekt hörte auf, auch wenn noch viele Familien  von weit her, ja sogar von Hebron dorthin kamen. Für sie war es noch ein stiller und sicherer und angenehmer Ort zur Erholung, praktisch der einzige seiner Art  weit und breit.

Die Lektion aus dieser Affäre: mündliche Abmachungen mit der Zivilen  (isr.)Verwaltung genügen nicht. Sie mögen der Grund  zur Veröffentlichung des folgenden Dokumentes gewesen sein, das Haaretz erhielt. In dem im letzten September kurz nach dem Skandal („Illegaler Außenposten“) geschriebene Dokument erklärt USAID seinen „durchführenden Partnern“ (d.h. den palästinensischen  Subunternehmern) verschiedener Projekte, dass immer schriftliche Genehmigungen vom Koordinator der Regierungsaktivitäten in den Gebieten (COGAT) vorliegen müssen. …

Obwohl die palästinensische Behörde in dem Dokument erwähnt wird, liegt das Hauptgewicht auf den Forderungen von  COGAT, das also nicht nur für die Zone C zuständig ist, sondern auch für Zone A und B. Das demonstriert, welch immense Kontrolle die israelischen Behörden über die ganze Westbank haben. Mit  COGAT muss dann genauestens verhandelt werden, wer, was ,wo benötigt …COGAT-Vertreter müssen sich mit USAID-Vertretern treffen….  Genaueste Pläne und Karten müssen vorgewiesen und das Bauprojekt genauestens erklärt werden. …

 

Es stellt sich heraus, dass Beit Sahours Friedenspark irgendwo zwischen dem Feld der Hirten, denen die Engel die Geburt Jesu verkündeten, und dem biblischen Feld des Boas, liegt, wo er sich in die Moabiterin Ruth verliebte. Vor ein paar Wochen rief die Gemeindeverwaltung die Bewohner  von Beit Sahour  in ein Kulturzentrum in der Altstadt  ( auch mit USAID-Geldern renoviert)  zu einem dringenden Treffen zusammen, um zu diskutieren, wie die Stadt das letzte Stück freie Land schützen könne. Vor drei Tagen kamen Bulldozer und Soldaten. Diese   wedelten mit geschriebenen Anordnungen vor den Gesichtern der Einheimischen und Journalisten. Die Soldaten behaupteten,  das Gebiet  sei wieder zur geschlossenen militärischen Zone erklärt worden. Die Bewohner wissen noch nicht, ob diese Zone auch ihre große Errungenschaft der letzten Jahre, das Erholungsgebiet mit dem Spielplatz der Kinder betrifft.

 

(dt. und stark gekürzt:  Ellen Rohlfs)