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Die IDF-Generäle, nicht nur die Soldaten, müssen die Fragen wegen der menschlichen Schutzschilde beantworten.

 

Amira Hass, Haaretz, 24. 11. 2010

 

 

Die Soldaten der Givati-Brigade, die vor Gericht gestellt  und  verurteilt  wurden, weil sie das Leben eines nicht kämpfenden palästinensischen Kindes riskiert haben, glauben sich berechtigt, als Opfer zu fühlen. Aber warum sollten sie nicht patriotischen Stolz empfinden? Ihre Verurteilung  gab im Grunde genommen den Posten des Stabschef an Yoav Galant und verlieh Politikern rechtliche Immunität, ganz besonders Ehud Olmert und Ehud Barak.

 

Die beiden Soldaten waren nur wie kleine Rädchen im Getriebe, die einer Gehirnwäsche über die Macht des Feindes ausgesetzt  waren. Man sehe sich nur die Aussagen  anderer Soldaten an, die sich gegenüber der Organisation Breaking the Silence geäußert haben; einigen ist ziemlich schnell klar geworden, dass ihre  Kommandeure sie vor der Bodenoffensive  im Gazastreifen am 3.1.2009  belogen haben. Doch selbst wenn die zwei verurteilten Givati-Soldaten die Reife und  das Urteilsvermögen gehabt hätten, um zu realisieren, dass dies nicht der heldenhafte Kampf ist, für den sie vorbereitet worden sind, ist klar, dass sie aus Angst gehandelt haben, als sie einem 9Jährigen befahlen, ( angeblich verdächtige) Taschen zu öffnen. Sie wuchsen in einer Atmosphäre auf, in der man Palästinensern im Gazastreifen alles antun könne. …. Sie gehören  zu den unteren Rängen der Soldaten, die das System ins Rampenlicht stellte.

Anders als ein Soldat, der eine Kreditkarte gestohlen hat und ins Gefängnis kam, bekommen diese beiden nur drei Monate Gefängnis auf Bewährung. Ihre Kameraden, die um ihretwillen demonstrierten, müssen wissen:  sie waren nicht die einzigen, die mit gezogenem Gewehr Zivilisten für militärische Zwecke missbraucht haben. Diese Praxis war in der Golan-Brigade weit verbreitet. Zivilisten wurden gefesselt, ihre Augen  verbunden, sie wurden der Kälte ausgesetzt – so konnten sie den Soldaten  in großen Gräben oder in Häusern, von denen aus sie  das Feuer eröffneten, als menschliche Schutzschilde dienen. Dies war nicht die Laune von ein paar vereinzelten. Es gab Soldaten, die direkt auf Zivilisten mit weißen Fahnen schossen. Auf Befehl ihrer Kommandeure behinderten Soldaten palästinensische Rettungsteams daran, Verletzte zu erreichen. Deshalb verblutete eine unbekannte Anzahl  von Leuten, einschließlich Kindern. Da ähnliche Vorfälle vielfach vorkamen, bestätigt dies, dass die Soldaten im Einverständnis mit den Richtlinien handelten.

 

Interne militärische Untersuchungen neigen dazu, sich die einzelnen Soldaten vorzunehmen, die an der Bodenoffensive teilnahmen. Aber die meisten der palästinensischen Zivilisten, die durch die IDF getötet worden waren, kamen durch mit Computern ferngesteuerte Waffen ums Leben – entweder aus der Luft, oder vom Meer  oder vom Land her. Auf den Dächern ihrer Häuser wurden Kinder getötet wie bei den tödlichen Videospielen - mit einem Knopfdruck durch irgendeinen anonymen Krieger, der nicht vor Gericht gestellt wird.

 

Oberst Ilan Malka, der Kommandeur der Givat-Brigade scheint der hochrangigste Offizier gewesen zu sein, der vom Militärgericht  verhört wurde und zwar auf Grund seines Befehls, ein Haus aus der Luft zu bombardieren, in das seine eigenen Soldaten  100 Zivilisten gebrachte hatten. Der Befehl gründete sich auf seine Interpretation der Bilder, die er durch eine Drohne  erhalten hatte. Aber es ist nicht Malka, der mit der Instruktion kam, dass jeder durch eine Drohne aufgenommene Palästinenser, der sich zivil betätigte ( in der Nähe eines Fensters telefonierte, im Hof Brot backte, nach Wasser suchte, Fahrrad fuhr) ein Verdächtiger ist, der getötet werden muss. Deshalb wurden so viele Zivilisten getötet; sie wurden von Granaten getroffen, die aus der Luft abgeschossen wurden. Sie wurden nicht in einer Schlacht auf dem Boden getroffen. Es war nicht Malka, der mit dem Kult des militärischen High-tech kam und seiner Beschreibung desselben als ein Werkzeug, das nie falsch sei. Dieser Kult schmiert die Räder der israelischen Propaganda, die jeden palästinensischen Bericht über zivile Tote als Lüge abweist.

 

Malka ist auch nicht verantwortlich für das Konzept, dass Israel viel mehr  tödliche Gewalt anwenden  muss, als es die Palästinenser mit ihren Waffen können. So wurden also mehr Zivilisten als bewaffnete Kämpfer getötet? Das ist ihr Problem.

 

Wenn ein oder zwei Soldaten verurteilt werden, ist es fürs militärische Establishment einfach, zu behaupten, dies sind Ausnahmefälle, deren Aktionen im Gegensatz zum Geist der IDF seien. Aber das militärische Establishment funktioniert unter dem Einfluss und der Verantwortlichkeit des zivilen Establishments. Die israelische Gesellschaft ist zum größten Teil gegenüber dem Töten von nicht-jüdischen Zivilisten gleichgültig. Sie unterstützt die Anwendung von unverhältnismäßiger Gewalt und ist nicht daran interessiert, all die Vorfälle mit anschließender Todesfolge von palästinensischen Zivilisten untersuchen zu lassen. Bei solch einer gerichtlichen Untersuchung würde das belastende Beweismaterial bis zu den höchsten Rängen des israelischen militärischen und politischen Establishments führen.

 

(dt. Ellen Rohlfs)