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Für Israel erscheint Goliath als Opfer

Ein israelisches Knessetmitglied sagt, der Philister-Riese hatte das Recht, sich gegen David zu verteidigen …

Amira Hass, 27. Juli 15

 

Goliath hatte auch das Recht, sich gegen David zu verteidigen. Das ist es, was wir unter den Worten des MK Nissan Slomansky , Vorsitzender des Knesset-Verfassung-, Gesetz- und Gerechtigkeits-Komitees, verstehen, als er die Gesetzesvorlage über strengere Bestrafung für Steinewerfer  vorstellte. „David tötete Goliath, den stärksten Philister, mit einem Stein“, sagte Slomansky. „Mit andern Worten, ein Stein kann töten“.

Seit Beginn unseres Staates beanspruchten wir biblische Bilder, um unsern Einfluss zu stärken. Wenn ich mich recht erinnere, rühmten sich unsere Lehrer in der Schule immer damit, dass wir David wären, und dass nicht nur eine Steinschleuder nötig war, um Goliath zu töten, sondern auch Verstand und Agilität.

Wie groß war unsere Schadenfreude vor dem riesigen, schwerfälligen Goliath, auch wenn wir gegenüber den Palästinensern vorgeben, niemals „David“ zu sein. Slomansky gab diesen Vorwand auf und seine Offenheit ist lobenswert. Er konnte die Statistiken des Steine-Werfens zitieren und ihren Misserfolg in Yeshastan. Er fand es schwierig, die Gründungsmythen aufzugeben. Er kehrte ihre Verwendung um und bewies, wer wir wirklich sind: Goliath. Goliath, das Opfer.

Das berichtigte Gesetz, das die Strafen für diejenigen strenger macht, die  wegen Steine -Werfens angeklagt sind, ist nicht außergewöhnlich. Es ist nur ein Ausdruck der 48 Jahre langen  traditionellen Behandlung jener, die wir besetzen.

Wir weigern uns, auf ihren Widerspruch gegen unsere Regeln zu hören und auf die pure Logik ihres Widerstandes. Stattdessen antworten wir mit härteren Maßnahmen. Wir reagieren auf palästinensische Gewalt (die immer, immer eine Antwort auf unsere grundsätzliche Gewalt ist) mit vielfach größerer Grausamkeit. Und wir nennen diejenigen, die Widerstand leisten, Kriminelle.

Die Palästinenser sind nicht die ersten, die mit Gewalt auf institutionelle Gewalt – militärische und bürokratische  -  antworten. Und wir haben kein Copyright auf die Kriminalisierung des Kampfes für Unabhängigkeit. Gefängnisse in andern unterdrückerischen Ländern waren und sind auch mit Gefangenen – Widerständlern-- gefüllt genau wie hier; ihre Gesetzgeber und Richter fanden und finden wissenschaftliche Argumente, jeden Protest gegen die Ungerechtigkeit zu kriminalisieren.

Seit 1967 hat Israel etwa 800 000 Palästinenser  verhaftet (nach Schätzungen des palästinensischen Ministeriums für Gefangene) Nach palästinensischen Schätzungen haben etwa 70% palästinensischer Familien ein oder mehr Familienmitglieder wegen Aktionen gegen die Besatzung in einem israelischen Gefängnis gehabt. Der natürliche Beschluss unserer weisen Führer ist, dass dies nicht genug ist und wir 105 Prozent der Familien erreichen müssen.

Wir erklärten die palästinensische Befreiungsorganisation für eine verbotene Organisation und unterdrückten alle ihre Aktivitäten – und der islamische Jihad  und die Hamas gediehen. Wir beantworteten die Steine derjenigen, die in der ersten Intifada aufstanden mit Felsen brechenden Maschinen und gebrochenen Gliedern, mit dem Töten von Demonstranten und  mit Ausgangssperren. So bereiteten wir den Boden für die populäre Unterstützung, für die Militarisierung des Aufstandes.

Die Volkskomitees und Führerschaften beantworteten wir mit Massen-verhaftungslagern. 400 Hamas-Aktivisten wurden in den Libanon deportiert – eine günstige Gelegenheit für eine politische, militärische und patriotische  Gemeinschaft, für die die islamische Bewegung bis zum heutigen Tag dankbar sein sollte.

Wir fanden eine glänzende Antwort auf die Bereitschaft der PLO auf ein Abkommen:  den Oslo-Schwindel. Ihr Palästinenser werdet weiter in euren Enklaven leben; wir werden Yeshastan (einschließlich Ostjerusalem) erweitern, und die Welt wird dieses Friedensprozess nennen.

Wir fanden auch eine passende Antwort auf das Baruch Goldstein Massaker 1994 in Hebron.  Eine Ausgangssperre  und die Zerstörung des alten palästinensischen Hebron. Selbstmordangriffe dienten nachträglich dazu, alle Unterdrückung und das Töten davor zu rechtfertigen. Die Unterdrückung wirkt gewisse Perioden lang  - und dann kommt eine nächste Explosion.

Die unmittelbare Antwort der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) auf Demonstrationen während der zweiten Intifada war das Töten von Demonstranten. Sie erfanden die kollektive Strafe auf isoliertes palästinensisches Schießen neu. Die Antwort auf Selbstmordattentate waren Invasionen und Massenmord, auf  Qassem-Raketen  - die Zerstörung von ganzen Stadtteilen;  auf Grad-Raketen sogar noch größere Zerstörung. Und auf eventuelle iranische Raketen – die Zerstörung des ganzen Gazastreifens. Und wir halten immer an der Waffe des jüngsten Gerichtes fest:  der größte Landraub in der Westbank und in Ost-Jerusalem.

Unsere Gesetzesgeber und Führer erzählen uns immer wieder, dass dies alles die Schuld der Palästinenser sei. Diese dummen Kriminellen verstehen einfach nicht die Sprache der Unterdrückung. Sie verstehen den armen Goliath und seine Fähigkeiten nicht. Schau, ein paar mehr Tote,  noch mehr Gefangene und Verletzte – dann werden sie verstehen.

Von der Erklärung der Dummheit der Palästinenser befriedigt, fragt sich die neu gegründete Nation nicht: Vielleicht wirken diese von unsern Führern benützten Methoden einfach nicht? Die Generation des sozialen Protestes. Befriedigt von seiner Kritik an den Pensionen ihrer stehenden Armee, unterstützt das Konzept der Eskalation weiter. So weit, wie es Yeshastan betrifft, die Nation der Hochtechnik und des sozialen Protestes weigert sich, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass das, was völlig falsch lief, die Besatzung ist.

(dt. Ellen Rohlfs)