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Das Ignorieren von Israels vollkommener Herrschaft

 

Amira Hass, 26.3.12, Haaretz

 

Israels Position in seinem  regelmäßigen  Bericht für die Geber-Koordinierungsgruppe für die Palästinensische Behörde erinnert an einen Jungen, der seine Eltern umbrachte und dann  eine Waisenrente beantragt. Israel beschreibt die Schwächen der palästinensischen Wirtschaft, als sei die koloniale Besatzung nicht die Hauptursache.

Die Autoren des Berichtes drücken die Ansicht aus, dass die Abhängigkeit der palästinensischen Behörde von ausländischer Hilfe in den nächsten Jahren nicht weniger werden wird. Indem sie dies sagen, zeigen  sie ihre Respektlosigkeit für die Vertreter der Geberländer, die sich letzte Woche in Brüssel trafen. Niemand weiß besser Bescheid als diese Vertreter über den großen Dienst, den die Staatenfamilie Israel erweist, indem sie  die Palästinenser  weiter so massiv unterstützt. Die Steuerzahler in aller Welt sind diejenigen, die Israel von seinen Verpflichtungen als Besatzungsmacht befreien und den Schaden, den es anstellt, repariert. Es stellt sich heraus, dass es für die Völkerfamilie einfacher ist, die Besatzung zu finanzieren, als Israel zu zwingen, diese zu beenden. Die Typen in unserm Finanz- und Verteidigungsministerium - auf deren Daten sich der Bericht gründet – stellen tatsächlich fest, dass die Geberländer ihr Scheckbuch bereit halten sollen, weil unsere Politik in diesem Jahr nicht anders sein wird.

Mit selbstgefälliger Arroganz ignorieren die Autoren des Berichtes die vollkommene Beherrschung über die wesentlichen Ressourcen, die für wirtschaftlichen Fortschritt wesentlich sind: Land, Wasser, Zeit, ein palästinensisches Bevölkerungsregister, die Währung, die territoriale Ausdehnung,  den Luftraum,  die Radiofrequenzen, die territoriale Nachbarschaft, Bankdienste und Fernsehen, Bewegungsfreiheit, Grenzübergänge, Ausländer, denen die Einreise erlaubt wird und die Dauer ihres Aufenthaltes, Schnellstraßen und persönliche und allgemeine Sicherheit.

 

Mit der Präzision  eines Ladenbesitzers berichten sie im Bericht von all den Maßnahmen, die Israel in seiner Großzügigkeit unternommen hat, um das wirtschaftliche Wachstum in der Westbank zu unterstützen. Aber außer all der  im Bericht ausführlich dargestellten Unterstützung, bleiben all die verschwendeten Stunden  der palästinensischen, amerikanischen und europäischen Bürokraten unerwähnt, die ihre israelischen Partner zu überzeugen versuchen, sie in die Praxis umzusetzen.

 

Die Zahl der Touristen, die z.B. letztes Jahr nach Bethlehem kamen betrug 1 174280  (verglichen mit 1 092 811 – beachte die Genauigkeit! – 2010) nach dem Bericht. Dann gab es die stundenlangen Operationen an den Checkpoints; das Abkommen mit der palästinensischen Polizeipräsenz in Zone B ( die unter israelischer militärischer Kontrolle und palästinensischer ziviler Verantwortung ist); Bau eines Besucherraumes, wo  palästinensische und israelische Geschäftsleute sich an einem Checkpoint treffen können; Das Bohren von drei Brunnen in einem Naturreservat am östlichen Aquifer; 17 ( beachte wieder die Genauigkeit!)  Vorbereitungstreffen ( bez. der Wasser-Infrastruktur)  mit Vertretern  des US-Außenministeriums und USAID; ein Treffen mit einem holländischen Vertreter über israelische Zusammenarbeit; 434 382 Autos, die palästinensischen Bürgern Israels gehören, die die Genehmigung haben, in die Westbankstadt Jenin zu fahren; Überlegung zu  einer palästinensischen Anfrage, wegen Steuerbefreiung für Autos, die ausländischen Investoren gehören und  Behinderten; und die Genehmigung von 2777 Anfragen wegen Adressenveränderung auf ID-Karten  aus dem Gazastreifen zur Westbank ( von 3857 Anfragen) .

Mit einer Spur der Theorien des Ökonomen Milton Friedman spottet der Bericht über die Größe des palästinensisch öffentlichen Sektors. Aber wenn es da etwas gäbe, was die palästinensische,  soziale Stabilität absichert – und dafür Ruhe und Wohlstand für Israel -  sind es die regelmäßigen (unvernünftig niedrigen) Löhne, die dem öffentlichen Sektor gezahlt werden. Seitdem die Osloabkommen zwischen Israel und  der PLO in den 90er-Jahren abgefasst wurden, ist die Lohnauszahlung zu einem  wichtiges Mittel der Unterstützung und der Abhängigkeit der PLO-Führung geworden. Die Anpassungsfähigkeit der palästinensischen Führung an Israels Politik des Herausschneidens von palästinensischen territorialen Enklaven gründete sich zum Teil auf die große interne Instabilität.

 

Und was ist mit den  aufgeblasenen palästinensischen Sicherheitskräften, die ein untrennbarer Teil des öffentlichen Sektors sind? Sie sind Subunternehmer des israelischen Shin Bet-Sicherheitsdienstes und der israelischen Armee, die ihnen die Aufgabe zuteilt zu kontrollieren, zu unterdrücken und die verschiedenen Manifestationen palästinensischen Widerstandes in Grenzen zu halten. Als ob der mächtige israelische Boss nicht nur von den Arbeitern des Subunternehmers profitiert – er beklagt sich auch darüber, dass es zu viele sind.

 

(dt. Ellen Rohlfs)