Israel Palästina Nahost Konflikt Infos
Amira
Hass hat für ihr Lebenswerk vom Globalen Netzwerk von Frauen den Medienpreis
für 2009 gewonnen.
Dankrede
bei Preisverleihung
Amira
Hass, Internationale Stiftung für Frauen in der Medienarbeit, 30.10.09
Erlauben
Sie mir, mit einer Korrektur zu beginnen. Wie unhöflich, werden Sie denken.
Aber uns Israelis wird noch viel Schlimmeres als Unhöflichkeit vergeben.
Was
heute von der Internationalen Frauen –Medien-Stiftung so
großzügig als mein Lebenswerk bezeichnet wird, muss korrigiert werden. Weil
es ein Misserfolg ist. Nichts als
ein Misserfolg eines Lebens.
Denken
Sie mit mir darüber nach: auch der Teil der die Lebenszeit meint, ist
fragwürdig. Schließlich ist es nur ein Drittel meines Lebens, in dem ich mich
mit Journalismus beschäftigt habe.
Wenn
Sie meinen sollten, dass der Teil der „Lebenszeit“ Ihnen den Eindruck gibt,
dass ich bald in den Ruhestand gehe – dann muss dieser Eindruck auch korrigiert werden. Ich plane nicht,
meine Arbeit bald zu beenden.
Was
tue ich? Im Allgemeinen nennt man mich Berichterstatterin der palästinensischen
Probleme. Aber tatsächlich (indirekt) befassen sich meine Berichte mit der
israelischen Gesellschaft und Politik, mit
der Herrschaft und ihrem trunkenen Zustand. Meine Quellen sind nicht
geheime Dokumente und durchgesickerte
Protokolle von Leuten, die an den Machthebeln sitzen. Meine Quellen sind die
offenen Wege, über die die Unterworfenen ihrer Rechte als menschliche Wesen
enteignet werden.
Es
gibt da eine Menge mehr über Israel, über meine Gesellschaft, über Israels
Entscheidungsmacher zu erfahren, die Einschränkungen erfinden wie die
folgenden: Studenten aus Gaza dürfen nicht an einer palästinensischen
Universität studieren, die nur 70 km entfernt von ihrem Wohnort liegt. Ein
anderes Verbot: Kinder – älter als 18 – dürfen ihre Eltern in Gaza nicht
besuchen, wenn diese gesund sind. Wenn sie im Begriff sind zu sterben, würden
ihnen israelische Angestellte einen
Besuch erlauben, Wenn die Kinder jünger als 18 sind, würde man ihnen einen
Besuch erlauben. Aber Verwandten 2. Grades ist es nicht erlaubt, sterbende oder
gesunde Geschwister zu besuchen.
Es
ist eine interessante philosophische Frage
- nicht nur eine journalistische. Überlegen Sie, warum sind gesunde
Väter oder Mütter für das israelische System so beunruhigend? Was ist so
beunruhigend über ein Kind, das eine bessere Ausbildung bekommen möchte. Das
sind nur zwei israelische Verbote aus
einer langen, langen Liste.
Oder
wenn ich über das immer kleiner und immer zerrissener werdende palästinensische
Land der Westbank schreibe. Es geht dabei nicht nur um Menschen, die ihren
Familienbesitz und ihren Lebensunterhalt verlieren. Es geht nicht nur um
die immer weniger werdenden
Möglichkeiten von Menschen in nicht zusammenhängenden, überbevölkerten Enklaven.
Es
geht tatsächlich um die Fähigkeit der
israelischen Architekten. Auf diese Weise erfährt man, wie israelisches Planen vor Ort den offiziellen
Erklärungen widerspricht, ein Phänomen, das die Aktionen der israelischen
Regierung charakterisiert – in der Gegenwart genau so wie in der Vergangenheit.
Kurz gesagt, da gibt es für mich noch eine Menge für den Rest meines Leben zu tun.
Doch,
wie ich schon sagte, die wirkliche Korrektur liegt woanders. Wir sollten nicht
über Erzieltes, sondern über Versäumnisse reden.
Es
ist mir noch nicht gelungen, die israelische und internationale Öffentlichkeit
dahin zu bringen, dass sie die korrekten
Wörter akzeptiert und anwendet – die die Realität widerspiegelt.
Nicht
die Orwellsche Neue Sprache, die seit 1993 gedeiht
und die klug diktiert und von denen verbreitet wurde, die besonders daran interessiert sind.
Die
Friedensprozess-Terminologie, die seitdem herrscht, und die die Wahrnehmung
eines wirklichen Prozesses, wie er weiter geht, verzerrt: nämlich eine
besondere Mischung von Militärbesatzung, Kolonialismus, Apartheid, begrenzte
palästinensische Selbstverwaltung in Enklaven und eine Demokratie für Juden.
Als
Journalistin ist es nicht meine Aufgabe, meine israelischen Landsleute und
Juden dahin zu bringen, mit mir überein zu stimmen, dass diese Prozesse
unmoralisch und gefährlich unklug sind. Es ist jedoch meine Rolle, das Recht
der Pressefreiheit zu praktizieren, um Informationen zu geben, damit die
Menschen wissen, (was um sie herum geschieht). Aber ich habe mit Bedauern
entdeckt, dass das Recht zu wissen, noch nicht heißt, es gibt auch eine Pflicht
zu wissen.
Tausende
von meinen Artikeln und Millionen von Wörtern sind einfach verpufft. Sie können nicht mit der
offiziellen Sprache wetteifern, die so vergnügt von den Massenmedien adoptiert
wurde und die verwendet wird, um von der
Realität ein falsches Bild zu
malen. Die offizielle Sprache ermutigt die Leute, die Ohren vor der Realität zu
verschließen.
Und
das ist ein bemerkenswerter Misserfolg für eine Journalistin.
(dt.
Ellen Rohlfs)