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Musik, Kinderchöre und Kamele in der Wüste

Vor drei Jahren  tötete ( morden ist verboten, auszusprechen) 

Israel zwischen dem 21 und 28. Juli 37 palästinensische Kinder  unter  7 Jahren.

Amira Hass, 1. August 2017

1.Meine Freundin B. lebt in Kobar. Während der vier Jahre des Lebens ihres jungen Sohnes hat sie es fertig gebracht, ihn vor  Berichten über Militär, Tod und Besatzung, Schießen und Gewehren fernzuhalten. Sie und ihr Mann  schufen um ihn ein Insel mit Kinderbüchern und Spielzeug und machten sicher, dass das Fernsehen mit seinen schrecklichen  Bildern in seiner Gegenwart nicht angemacht wurde.

Letzte Woche zwang sich die Realität in ihr Leben. Jeden Tag kamen Armee-Bulldozer, bauten eine Barrieren am Eingang des Ortes immer höher und weiter und vertieften ein Loch  in den Asphalt. Jeden Tag  schaufelten die Bewohner die Erde an den Rand der Barriere, so dass ihre Autos durchfahren können. Und wenn meine Freundin dort mit ihrem Wagen passieren will – und den Sohn neben sich hat, wunderte er sich und fragte, wer diese hohen Erdhaufen gemacht habe. Die Armee, antwortete sie. Er dachte zuerst, sie hätte  „the Jag“ ( die Henne) gesagt und war  sehr verwirrt. Und dann musste sie ihm erklären, was die Armee  ist, wessen Armee dies sei und warum diese gegen jeden, groß oder klein ist

Kommentar1: Wenn B. bis jetzt in der Lage war, ihren Sohn vor dem Lexikon der Gewalt der Siedlungsverteidigungskräfte schützen  konnte, sagt das etwas über die relative  Ruhe  in dem Dorf Kobar aus.  Aber fast eine Woche  von nächtlichen Überfällen mit Dutzenden von Soldaten, die sich zwischen den Häusern bewegten und die Bewohner schlugen, Tränengas und gummi-ummantelte Metallkugeln herum schossen, erinnerten sie, dass die relative Ruhe eine Täuschung war.

Kommentar 2.: Die Shin Bet-Sicherheitsdienste und die IDF waren das Thema  des übertriebenen Lobs in dieser Woche. Ihr Stand in Bezug auf die Metall-detektoren am Eingang zum Tempelberg bewies tatsächlich, dass sie das allgemeine bild verstehen. In andern Worten: die kollektive Rache-Kampagne, die sie letzte Woche in Kobar durchführten, kam nicht von einem Mangel des Verständnisses oder der Kenntnis, dass die Drangsalierung des ganzen Dorfes und die Verfolgung all seiner Bewohner würde nur  noch mehr  Zorn wecken, auch unter jenen, die gegen  den Angriff  auf die Westbanksiedlung  Halamish sind oder Bedenken haben. Diese kollektive  Rache ist nicht ein Fall eines Schießens aus der Hüfte. Es ist ein Teil des Planes. Teil der logischen Kontrolle. Ihr eskaliert, ihr stachelt an, ihr verhaftet mehr junge Leute, ihr verletzt mehr Kinder, um mehr Gründe zu haben, präventiv zu handeln und zu unterdrücken und den Apparat aufrecht zu erhalten.

2. Teil: ein netter Junge von 11 Jahren schließt sich mir  bei meinen Besuchen etlicher Familien in Kobar an, deren Häuservon der Armee überfallen wurden. In einer kurzen Pause zwischen ihren Zeugenaussagen sagte er: „Er bewies sich als Mann, Omar al-Abed“  (der drei Familienmitglieder der Salomonfamilie in Halamish tötete). Ich fragte T.:   „ So, du meinst, dass ihr, der  ganze Rest der Palästinenser  keine Männer seid? T. war irgendwie verwirrt. „Nein, natürlich mein ich das  nicht,“ sagte er.

Kommentar: Das Verständnis von Abeds Worten und den dahinter verborgenen Motive , sollten uns nicht erlauben, zwei Fakten zu vergessen: Im Verhältnis zur Intensität und Dauer  der Ungerechtigkeit, in der sie leben, sind es wenige Palästinenser, die Abeds Weg gewählt haben. Auf der andern Seite Zehntausende von Israelis (verbessert mich,wenn nötig, vielleicht tatasächlich Hundert-tausende?) waren und sind direkt in das Töten ( es ist verboten dies morden zu nennen)  von Palästinensern involviert; geschweige denn all die andern Dinge zu sagen, die wir ihnen zufügen.

3. Noor,Malak,Miar und dareen singen im Amwaj.Chor. Sie sind etwa 12 Jahre alt.  Wir begegneten ihnen an einem unerwarteten Ort: in der Wüste. Eine Prozession von Kamelen lief in den Sonnenuntergang. Die Streichinstrumente in Beethovens 8. Symphonie und die Töne der Pikkolo-Flöte  in Ravels Bolero schweben über der Reihe von Plastik-Stühlen, die in den Sand gestellt wurden.

Der Amwaj (Welle) –chor in Bethlehem und das  Ramallah-Orchester, von Al-Kamandjati-Konservatorium gegründet, bieten eine Reihe von Konzerten für Allgemeinheit, geleitet von Diego  Masson.  Das Konzert, das am Freitag  in Dar  Al Tifl in Jerusalem stattfinden sollte, wurde wegen der Umstände gestrichen.  Ramzi Abu  Radwan, Gründer des Al-Kamandjati und einem Bewohner des Al-Amari-Flüchtlingslagers telefonierten unmittelbar mit  Abu Ismail.

Abu Ismail leitet die  Beduinen- Gastfreundschaft und Wüsten-Exkursionen-Agentur für jene, die eine Wüstenwanderung  östlich seinen Dorfes Arab al-Rashayida, südlich von Bethlehem machen wollen. Er sagte sofort: „Natürlich, spielt hier“ Am nächsten Tag:  Der Kamandjati-Klang und Elektriker arbeiteten den ganzen Tag, um die Systeme zu installieren, dass sie sicher funktionierten. Mädchen aus dem  Beduinen-Dorf zwischen 3 und 12 saßen fasziniert auf den Plastikstühlen, integriert in das akustische und visuelle Wunder, das sich vor ihren Augenabspielte.  Am Sonntag fand das Konzert wie geplant im Bethlehem Tagungspalast statt. Und am Montag wird es in Ramallah-Gemeinde-Theater stattfinden.

4.  Der Amwaj-Chor schließt 30 Mädchen und Jungen  aus Hebron  und 30 aus Bethlehem, einschließlich der Dorfer und Flüchtlingslager ein. Vor etwa drei Jahren nahm er Gestalt an. Es fanden keine Probespiele statt. Alles was erforderlich war, war ein Engagement von acht Stunden Übung in der Woche und Sommerkurse. Im Augenblick sind  25 Jungen und 35 Mädchen im Chor. Die jüngste Sängerin ist ein 6jähriges Mädchen.

5. Vor drei Jahren  - zwischen 21. Und 28. Juli  - töteten wir  (Man darf es nicht morden nennen) 37 palästinensische Kinder im Gazastreifen im Alter zwischen  ein paar Monaten und 6 Jahren. Neben dem Namen jedes getöteten Kleinkindes ( und das in der 2014 B’tselem Bericht-Liste von 546 getöteten Kindern  eingeschlossen war) stand die trockene Bemerkung „nahm nicht am Kampf teil.“

Kommentar:  Wir mögen nicht weiter  unsere Hände mit Blut beschmutzen.  Wir sind  Experten beim Töten (es darf nicht morden genannt werden) aus einer Entfernung mit High-tech-Schnickschnacks, höchstens mit Gewehren und Pistolen. Auf diese Weise macht es nicht krank, ist nicht so empörend . Nicht so entsetzlich.

(dt. Ellen Rohlfs)