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Purim in Israel –

 

eine Zeit, um sich zu freuen und um palästinensisches Land  zu plündern

 

Amira Hass, 24.2.13 

 

Einer meiner Jobs als adoptierte Tante von A. und D., zwei Teenagern aus Jerusalem, ist, ihnen bei der Vorbereitung zur Prüfung des Bibelstudiums zu helfen.  Also frischte ich meine Kenntnisse über das Buch Esther auf.

Eine der Vorbereitungsfragen, die ihr Lehrer ihnen gegeben hatte, war die Frage „Warum wird der Satz: „Aber die Güter fassten sie nicht an“ im Text dreimal wiederholt? König Ahasverus befahl, dass es den Juden erlaubt sei, jeden  ( oder eher jeden, der sie angriff, wie der Interpret uns versichert) zu töten „ und ihren Besitz zu plündern“, aber die Juden sollen sich mit, „nur“ sie zu töten zufrieden geben, sagt das Buch Esther. Das sei die Antwort auf die Frage; um deutlich zu machen, dass es nicht ums  Plündern ging.

Lassen wir die Frage beiseite, wie weit dies historisch ist. Beim nochmaligen Lesen dieser Verse erinnere ich mich an etwas, das ich im Gazastreifen unmittelbar nach dem israelischen Angriff im Winter 2008/09 hörte, als das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte (PCHR) die Zeugnisse von Überlebenden dokumentierte. Laut einem Anwalt machte man die Erfahrung, dass die israelischen Militärbehörden sehr schnell waren, Klagen zu untersuchen, die sich über Diebstahl von Soldaten beschwerten; sie  befahlen sogar eine Entschädigung. Aber  sie zögerten und verweigerten die Verantwortung für das Töten von Zivilisten, einschließlich ganzer Familien.

Das Ethos: „Aber die Güter fassten sie nicht an“ ist ein passendes Thema für das Yeshiva-Studium, doch in der Realität wird es nicht praktiziert. Der Staat handelt im großen Stil so, wie er es den Soldaten im kleinen Stil verbietet. Palästinensischen Besitz zu plündern, ist unsere tägliche Routine, um unsere militärische Überlegenheit zu zeigen. Die seit 1948 entwickelten  Angewohnheiten, die Tricks und Methoden, um bewegliche und nicht bewegliche Besitztümer zu enteignen, werden  weiter verfeinert und eingebürgert. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Juden, die sich an die Verse im Buch Esther erinnern, und den andern.

Im Januar 2012 informierte die israelische Landverwaltung (ILA) die Vertreter des Kibbutz Merav  -  im souveränen israelischem Gebiet – dass etwa 1200 dunum( über 10 ha) Land, das von der jüdischen Gemeinde  bearbeitet wird,  vor 30 Jahren  der Gemeinde versehentlich zugesprochen worden ist. Versehentlich, da das Land im Jordantal liegt, ein Gebiet das 1967 von Israel eingenommen wurde, und deshalb habe die  ILA kein Recht darüber. Das Recht, palästinensisches Land in diesem Gebiet  zu grapschen und es Juden zu vermachen, darf nur die Armee und die „Zivilverwaltung“.

Übernahme des Jordantales: Seit Jahren beklagen sich die Bewohner von Tubas und Bardala, dass diese 10ha Land, die in der Qa’un-Ebene liegen, ihnen weggenommen wurden. Es sollte  dazu gesagt werden,  was den Verlust des Landes, des Lebensunterhalts, der Wasserressourcen und die Bewegungsfreiheit  betrifft, es keinen Unterschied zwischen privatem Land und dem Land gibt, das der Allgemeinheit gehört, und das  den Palästinensern genommen  und ausschließlich Juden gegeben wurde. Etwa 77%  des Jordantales liegen außerhalb der Reichweite der Palästinenser.

Und sicherlich gibt es auch keinen Unterschied, was den Verlust des Landes und des Lebensunterhaltes betrifft  - zwischen den 20 000 Dunum privaten palästinensischen Landes, das enteignet und jüdischen Siedlungen im Jordantal zugeschlagen und dem Landanteil, der dem bestellten Land des Kibbutz Meav ( ein Mitglied der religiösen Bewegung) angeschlossen wurde.

Bürokratisch ausgedrückt gibt es jedoch einen großen Unterschied, wie von Dror Etkes ausfindig gemacht wurde. Etkes untersuchte die verschiedenen Arten  israelischer Plünderungen nicht aus Vorliebe für staubige Archives, sondern aus einem großen Wunsch heraus, den geplünderten Besitz seinen Besitzern wieder zurückzugeben. Ein Bericht von Akiva Eldar in Haaretz (November 2011) über das Geheimnis  der Zuteilung von Land an den Kibbutz Merav beschleunigte  den Untersuchungsprozess,  bevor die ILA den Kibbutz über den Irrtum vor mehr als einem Jahr informierte. Aber es war erst vor etwa zwei Wochen, dass die ILA offiziell dem Anwalt Tawfiq Jabarin den Irrtum gegenüber zugab, der die legitimen Besitzer des Landes vertritt. Wir haben über die letzten Entwicklungen berichtet, sind aber strikte Anhänger des Gebotes, sich der Tatsachen zu erinnern und dies ist eine Geschichte, die ein Nacherzählen verträgt. Der Kibbutz   bearbeitet weiter dieses Stück Land, etwa ein Drittel seines Landes. Und wie  Ran Ben Nun aus Merav mir letzte Woche sagte: „Die ILA teilte uns dies Land zu, und wenn die ILA es uns wegnehmen will, weiß sie, wie man dies macht. Wir haben dies uns zugeteilte  Land  bis jetzt bearbeitet und wir tun dies wie gewohnt, warum nicht?“

Fröhliches Purim : Im Gegensatz zum Ethos des nicht Plünderns, wird der andere Purim-Ethos des Sich-Freuens , streng eingehalten. Deshalb hat der verstorbene Siedlerführer Hanan Purat  „Fröhliche Purim!“ gesagt und zwar kurz  nachdem ein Kiryat Arba –Bewohner 29 palästinensische Gottesdienstbesucher in der Abrahamsmoschee in Hebron am 25. Februar 1994 massakrierte -- in dieser Woche vor 19 Jahren.

Ministerpräsident Yitzak Rabin, der empört von Dr.Baruch Goldsteins Massaker an Palästinensern war, bestrafte Hebrons palästinensische Bewohner: Ausgangssperren, Absperrungen von Straßen, Gassen und Läden; und Straßensperren gaben dem jüdischen Siedlungsbau in Hebrons Altstadt einen großen Antrieb.  Die andere Seite der Freude: Tausende der palästinensischen Bewohner der Altstadt wurden gezwungen,  auf Grund der Schikanen und der Eliminierung ihrer Einkommensquellen wegzugehen. Es ist die Rechnung der Schadenfreude. Um der etwa 500 Juden willen,  wurde ein Gebot veröffentlicht, um das Leben von rund 200 000 Palästinenser zu  unterbrechen.

Nach dem Massaker im Februar 1994 schlossen die IDF (Militär) die Shuhadastraße, Hebrons Hauptdurchfahrtsstraße für palästinensische Fahrzeuge, um die jüdischen Siedler zu schützen. Seit 2000 wird den Palästinensern, die in dieser Straße leben, verboten, auf ihr auch  nur zu gehen. Ich wiederhole. Selbst die Palästinenser, die dort wohnen, sind von dieser Straße ausgeschlossen. Um ihre Wohnungen zu erreichen oder um sie zu verlassen, müssen sie über Hintergassen gehen oder von einem Dach zum andern springen.

Am Freitag  demonstrierten etwa 1500 Palästinenser (und ein paar Israelis und Ausländer) und verlangten die Wiedereröffnung der Straße. Die Soldaten gehorchten Befehlen und  hinderten die Demonstranten, ihre gestohlene Stadt zu betreten, damit sich Juden dort weiter erfreuen können. (dt. Ellen Rohlfs)