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Was meinen die, die von israelischer Apartheid reden?

 

Amira Hass, 

 

9.12.13

Eindeutig meinen sie nicht den offiziellen, und allgemeinen biologischen Rassismus, der in  Südafrika herrscht.  Es stimmt,  es gibt keinen Mangel an rassistischer und arroganter Haltung hier,  und den damit verbundenen religiös-biologischen Untertönen, aber wenn man unsere Krankenhäuser  besucht, findet man Araber und Juden unter den Ärzten und Patienten. In dieser Hinsicht sind unsere Krankenhäuser der gesündeste Sektor der Gesellschaft.

Diejenigen, die von „israelischer Apartheid“ sprechen, sprechen von der Philosophie der „getrennten Entwicklung“, die im alten Südafrika vorherrschte.

Es war der Euphemismus, der für das Prinzip der Ungleichheit, der absichtlichen Trennung der Bevölkerungen, eines Verbotes der „Mischung“ und der Vertreibung von Nicht-Weißen von ihrem Land und ihren Ressourcen und dass sie von den Herren des Landes ausgebeutet werden. Auch wenn hier  die Dinge  mit Sicherheitsproblemen eingehüllt werden, mit Andeutungen von Auschwitz und verheißenem  Landbesitz, wird unsere Realität von derselben Philosophie  beherrscht, von Gesetzen und Waffengewalt unterstützt..

Zum Beispiel was ?

Es gibt zwei Rechtssysteme in der Westbank; eine zivile für die jüdischen Siedlerund eine militärische für die Palästinenser. Es gibt zwei getrennte Infrastrukturen: einschließlich Straßen, Strom und Wasser. Die bessere und  sich ausdehnende Struktur ist für die Juden, während die geringere und schrumpfende für die Palästinenser ist. Da gibt es lokale Winkel, ähnlich den Bantustans in Südafrika, in denen die Palästinenser begrenzte Selbstregierung haben. Es gibt seit 1991 ein System von Reisebeschränkungen und Genehmigungen für Orte, genau damals, als solch ein System in Südafrika aufgelöst wurde.

Bedeutet das, dass Apartheid nur in der Westbank besteht? Überhaupt nicht, es besteht im ganzen Land, vom Meer bis zum Jordan. Es herrscht in diesem einen Gebiet vor, in dem zwei Völker leben, die von einer Regierung regiert werden, die von einem Volk gewählt wird, die aber die Zukunft und das Schicksal von beiden bestimmt. Palästinensische Städte und Dörfer leiden,  weil

für sie bewusst eine einschränkende Planung in Israel  geschieht, genau wie sie es in der Westbank tut.

 

Aber die Palästinenser, die israelische Bürgersind, nehmen an der Wahl der Regierung teil,  also nicht wie in Süd-Afrika?

Das stimmt. Die beiden Situationen sind ähnlich, aber nicht identisch. Die arabischen Bürger wählen hier, aber sie nehmen nicht an Entscheidungs-prozessen teil, die über ihr Schicksal bestimmen. Es gibt noch einen anderen Unterschied. In SA gibt es eine wesentliche Komponente des Systems: Rasse und Klasse überlappen sich. Mit der Ausbeutung der schwarzen Arbeitsklasse im Interesse des Kapitals der Weißen; der israelische Kapitalismus hängt nicht von palästinensischen Arbeitern ab, auch wenn billige palästinensische Arbeit eine Hauptrolle bei der schnellen Bereicherung auf verschiedenen Sektoren in der israelischen Gesellschaft nach dem 1967er-Krieg spielen. SA hat vier ethnische Gruppen (Die Weißen, die Schwarzen,  Farbige (Gemischtrassige) und Inder) Jede  Gruppebesetzt einen spezifischen Rang auf der Leiter der Ungleichheit, um die Privilegien der weißen Bevölkerung zu bewahren. Die weiße Rasse, Engländer und  Afrikaaner werden als  eine Nation definiert, trotz der großen Unterschiede zwischen ihnen; während die Schwarzafrikaner in verschiedene  Stammesgruppen, Nationalitäten geteilt werden, sichert dies  ab, dass die Weißen die größte Gruppe sind. Hier gründet sich die Trennung  vermutlich auf  Geographie, mit der Absicht die Privilegien der Juden aufrecht zu halten.

 

Aber auch  Juden haben Untergruppen und Diskriminierung?

Entsprechend ihrem Ursprung (europäische Juden gegen arabische Juden. Wohnort (Zentrum gegenüber denen an der Peripherie), Veteranen gegen   Neueinwanderer, oder es bezieht sich auf  den Militärdienst. Doch verglichen mit den Palästinensern, ja, den Diskriminiertesten im Vergleich zu den  unterdrücktesten Juden haben diese mehr Rechte als die Palästinenser, die zwischen dem Meer und dem Fluss leben. Zum Beispiel das Gesetz der Rückkehr gilt für Juden, egal woher sie kommen, aber nicht für die Palästinenser, nicht einmal für jene, die selbst oder deren Eltern dort geboren wurden, aber jetzt im Exil leben. Ähnlich ist es mit dem Wohnen:  Juden dürfen ihre Wohnung frei wählen. Jemand aus Tel Aviv kann  in die Westbank (Siedlungen) ziehen. Aber jemand aus Bethlehem  darf nicht an die Küste ziehen-

 

Die Leiter von Ungleichheit hat getrennte Sprossen für Bewohner des Gazastreifens, der Westbank, Ost-Jerusalems und palästinensische Bürger  in Israel (Galiläa). Diese Gruppen leiden unter verschiedenen  Graden von Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte.  Da gibt es noch Unterabteilungen, die dafür bestimmt sind, die andere hier Lebende  weiter zu teilen mit verschiedenen Methoden. In der Zone C auf der Westbank, die Drusen, Beduinen, Palästinenser, Christen und Muslime. Jede Bürokratie schafft solch peinlich genaue Unterabteilungen. Und die Klassifizierungen werden von einem Prinzip der Ungleichheit geleitet, damit eine Hegemonie daraus  Nutzen zieht

Gibt es noch andere Beispiele?

Man kann kurz die Prawer-Gesetze im afrikanischen Stil erwähnen und die Zone C in der Westbank.  Seit 1950 vertrieb die von Afrikaans geführte Regierung in SA die Schwarzen, die Farbigen und indischen Bewohner von ihrem Land und ihren Häusern, um Platz für weiße Siedler zu machen. Alles wurde  in Übereinstimmung mit den bestimmenden Gesetzen  der Weißen und  mit rechtlicher Logik gemacht. Jene  bildeten die Untermauerung des Apartheidregimes, das später errichtet wurde. Auch hier  schreitet die koloniale Komponente der  Vertreibung der  Einheimischen von ihrem Land weiter in tandem – mit der Politik der „getrennten Entwicklung“.

Gibt es irgendeine Hoffnung?

Die auf Klassen basierte Apartheid in SA wurde nicht besiegt. Linke Kritiker werfen Nelson Mandela und anderen Führern vor, mit dem früheren Regime ein Einverständnis erreicht zu haben, bei dem die Schwarzen wählen dürfen, die Weißen aber das Geld bekommen. Während die Armut  in SA „schwarz“ bleibt, gibt es eine Alibigruppe von Schwarzafrikanern, die sehr reich wurden. Trotzdem sollte man nicht die Wandlung in eine Demokratie abtun und die sozialen Veränderungen, die in SA stattfanden, als auch die Methoden des Kampfes, die von Mandela und seinen Kameraden  demonstriert wurden.

Das war der Grund, warum israelische und palästinensische Demonstranten in der letzten Woche sein Foto bei den Demonstrationen trugen. Dass die IDF vor Macht überquellten.

Aber Shimon Peres lobte Mandela warum?

Mandela war ein großer Vergeber. Peres  spielte eine große Rolle bei dem Sicherheits- und Wirtschaftsverbindungen, die Israel  mit dem rassistischen Regime in SA und seinen Pro-Nazi-Gründern  aufbaute. Als einer der Gründungsväter des Siedlungsunternehmens in der Westbank und der  Initiator der „funktionalen Lösung“ trägt er eine große Verantwortung für die Politik der „getrennten Entwicklung“, die hier vorherrscht.

(dt. Ellen Rohlfs)