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Es sind sehr wenig
Palästinenser, die aus Rache schießen
Amira
Hass, 17.7.17
Fünf
Leute wurden getötet, alle arabisch-sprechend – alle israelische
Bürger und alle das
Produkt derselben israelischen Politik. Dies ist jetzt mindestens
die passende Zeit, ein Minenfeld zu betreten, über das am Freitag nicht
berichtet wurde: die tödliche Schießerei in der Alt-Stadt von Jerusalem, als die
Heiligkeit, die Frische des Blutvergießens und
der Schmerz der Familien es noch weniger akzeptabel als sonst machte,
Fragen zu stellen. Und doch:
1.
Scheint es mir vernünftig und
notwendig zu sein, dass Muslime
von dem tödlichen Schusswechsel
am Eingang zu einer so heiligen muslimischen Stätte Abstand nehmen.
Und vernünftig, dass Muslime es sagen, bevor es zu spät ist, dass
tatsächlich die Heiligkeit des Ortes ein Ausnützen für Blutvergießen ausschließt
– falls nicht aus einem anderen Grund: junge Leute
vom Nachahmen des Schießens abzuschrecken.
2.
Unter palästinensischen
Facebook-Kreisen (wenigstens die Facebook-Seiten, die ich gesehen habe) sind die
Leute mit einer Verurteilung der
israelischen Schließung der Al-Aqsa-Moschee für
Gottesdienstbesucher schnell gewesen; Nach dem Angriff wurde auch die
Altstadt für die Palästinenser geschlossen. Aber sie sind vorsichtig gewesen,
nicht den Ort mit dem Schießen in Verbindung zu bringen und
ihn nicht zu verurteilen. Es
gab auch solche, die die palästinensischen Denunzianten denunziert haben. (Sie
berichteten vermutlich auch Mahmoud Abbas und der Hadash und Ta’al-Fraktion der
Joint List.) Sie haben ihre Kommentare
mit „Ruhm den Märtyrern“ beendet.
3.
Während persönlicher
Gesprächen jedoch habe ich eindeutigen
Aufschluss über das Blutvergießen an einer heiligen Stätte gehört und
offenen Verdacht, dass die Täter
Individuen unter dem Einfluss von ISIS
wären. Dann begann da ein
Gespräch über ein Komplott: Wem
diente die Schießerei? Gewiss nicht den Palästinensern.
4.
Es war kein Zufall, dass die
beiden getöteten israelischen Polizisten Drusen waren.
Israel hat bewusst eine große Anzahl von ihnen in Gebiete gesetzt, wo die
Spannung mit den unterdrückten
Palästinensern direkt und unmittelbar ist:
In der Zivilverwaltung in der Westbank, in den Gassen von Jerusalems
Alt-Stadt, in der Hebron-Polizei. Lasst sie einander angreifen, einander so viel
wie möglich hassen, mit Bitterkeit
begegnen. Lasst sie ihre gemeinsame
palästinensische Identität erschüttern und zerstören.
5.
Die logischste Sache zu tun,
um die Atmosphäre zu beruhigen, wäre die al-Aqsa und die Altstadt für
Gottesdienstbesucher offen zu lassen – offen für
Palästinenser (nicht nur Bewohner, ausländische Touristen und Juden).
Aber Israel bevorzugt, eine noch gefährlichere, entzündbare
Notsituation zu schaffen.
Wieder unter dem Vorwand von Sicherheitsmaßnahmen führt es
langsame Veränderungen des Status-Quo an einem Ort
durch, der etwa 1,5
Milliarden Muslimen in aller Welt heilig ist. Die Entscheidungsträger sind keine
Sonderfälle unter dem Einfluss von
„Torat Hamelech“, einem genozidalen
biblischen Kommentar, sondern Staats-Angestellte und gewählte Vertreter ( und
die – wer weiß - vielleicht unter dem
Einfluss von
„Torat Hamelech“ sind.)
6.
Israel
setzte jeden Palästinenser, der eine Messerstecherei, einer Schießerei
oder einen Mord begeht, als
Vertreter des ganzen palästinensischen Volkes in Beziehung, als Teil eines
Kollektivs, und deshalb nimmt es
sofort kollektive Rache. Das ist
der Hauptgrund, warum das Kollektiv nicht öffentlich
von den Taten eines Individuums Abstand nehmen kann, selbst, wenn es mit
dessen Taten nicht einverstanden ist und
sich Sorgen um ihre Auswirkungen macht: die Eskalation des Hasses gegen
palästinensisch-israelische Bürger und die Verstärkung der Unterdrückung in
Jerusalem. Aber dies wird sowieso
geschehen, egal ob einzelne Palästinenser drusische Polizisten töten.
7.
Soldaten und Polizisten, die
offizielle Beauftragte des Staates Israel sind, werden
falls sie verwirrt sind und in Eile
Palästinenser „ungerechtfertigt“ verletzt haben, vom Establishment als anormale
Individuen behandelt, denen die Schuld für ihre eigene missliche Lage gegeben
wird. Sie werden nicht als
Vertreter einer Stadt, eines Wohnviertels oder einer ideologischen
Richtung angesehen und
keiner würde eine ganze Bevölkerung wegen ihnen strafen. Am
wenigsten werden sie als Vertreter der Armee oder Polizei angesehen,
deren Verhalten aus Gewalt besteht
und deren Auftrag es ist, Palästinensern
mit Fußtritten zu behandeln..
8.
Der Kult des
palästinensischen bewaffneten Kampfes rechtfertigt jeden Palästinenser, der eine
Waffe trägt, der tötete oder der getötet wurde. Andrerseits sind israelische
Waffen Millionen mal effizienter
und tödlich: viele Opfer sind
Palästinenser, ob sie auf der Straße entlang gehen, in ihren Betten schlafen,
mit Postern demonstrieren, mit
einem Messer wedeln oder schießen.
Diese Tatsache macht es für
Palästinenser hart, öffentlich eine tödliche Schießerei auf dem Gelände einer
heiligen Stätte zurückzuweisen.
9.
Warum – zum Teufel -
wird eine versäumte Nachahmung des Eroberers mit seinen Waffen als
heilig angesehen und als eine Quelle der Bewunderung? Mein feministisches
Gehirn begreift dies nicht.
10.
Mahmoud Abbas musste das tödliche
Schießen zweier israelischer Bürger vor Ministerpräsident
B. Netanjahu nicht
verurteilen. (Anscheinend
begleitete einer der drei nur die Schießer und schoss selbst nicht.
) Abbas und sein Sicherheitsapparat hat keine Autorität und keine
Verantwortung für den Ort,
von dem die Schießer kamen; sie haben keine Verbindung mit ihnen und keine
Autorität oder Präsenz an dem Ort, wo sie die Schüsse abgaben.
Die Verurteilung ging an die falsche Adresse.
11.
Die bis an die Zähne bewaffnete
Besatzungspolizei, verächtlich, feindselig und aggressiv, entheiligt ständig den
Al-Aqsa-Platz und seine Umgebung und
beleidigt Muslime überall, zusammen mit jedem, der sich um ihre Gefühle
kümmert. Israelische Polizisten werden in der Altstadt und in der Nähe der
Al-Aqsa-Moschee postiert, um die
Knete von Elad und Ateret Cohanim und ihrer Art zu schützen, damit sie diese
vermehren können.
12.
Auf dem Hintergrund dieser täglichen
Provokation und trotz des Waffenkultes ist es bemerkenswert, wie gering die
Anzahl der Palästinenser ist, die
mit Waffen und Ähnlichem Rache nehmen. Selbst ohne eine Führung, die ihnen
zuhört und die sich mutig hören
lässt, üben Hundert Tausende von Palästinensern, die in Jerusalem leben
oder die zur Stadt kommen, äußerste Selbstbeherrschung, da sie wissen,
dass eine individuelle, private Reaktion
auf Unterdrückung nicht die Antwort
oder der richtige Weg ist.
(dt.u.
gering gekürzt: Ellen Rohlfs)