Israel Palästina Nahost Konflikt Infos

Die Besatzung mit Nadel und Faden bekämpfen

Yara Hawari , Jerusalem Electronic intifada

 

  5.3.14

 

Kann traditionelle palästinensische Stickerei modern gemacht werden? Die Gründerinnen  von Ibra wa Khayt (Nadel und Faden) haben kürzlich ein Geschäft in Ramallah eröffnet und beweisen, damit, dass genau dies möglich ist

Tamara Reem hatte 2013 schon  die Idee für das Projekt, nachdem ihr ihre Großmutter ein Paar Hosen geschenkt hat.

„Überall, wo ich hingehe fragen mich Leute, woher ich komme“, sagte sie, „und  es war schön, eine Geschichte dazu zu haben. Statt also zu sagen, ich hab dies von einem Laden, kann ich ihnen  die Geschichte von der Stickerei erzählen.  Es wurde von meiner Großmutter  etwa um 1960 in Jerusalem gestickt… es ist meine persönliche Geschichte.

Beide, Reem und ihre Geschäftspartnerin Weeam Hammoudeh führten ihr Interesse an Stickerei auf ihre Großeltern zurück.

Hammoudehs Familie stammte ursprünglich aus Lifta, einem Dorf bei Jerusalem, das ethnisch von den Zionististen  gesäubert wurde. Sie wuchs in Ramallah auf, bevor sie nach den US auswanderte, um eine höhere Schule zu besuchen.

„Während wir in den US waren, war die Stickerei etwas, das mich an meine Großmütter erinnert, aber seitdem ich zurück bin , interessierte mich die Technik und das Design selbst immer mehr,“ sagte Hammoudeh.

Die beiden  Frauen machten sich daran, alte  traditionelle Kleider zu finden, die nicht mehr getragen  oder weggeworfen wurden, suchten nach der Region oder dem Dorf,aus dem sie stammten und womöglich die, die sie machten.

Sie gaben die bestickten Teile der Kleidung an lokale  Sticker und Schneider, die sie verwendeten  , um neue Stücke zu machen – bis jetzt hauptsächlich Hosen und Blusen. Jedem Käufer wird die Geschichte  dieser alten Kleidung erzählt, die die Grundlage der neuen ist.

 

Überwundene Skepsis

Hebron war der erste Ort, den die beiden Frauen besuchten, als sie versuchten, zu entscheiden, ob ihr Projekt ausführbar ist.  Nachdem sie einige Näherinnen trafen, wurde ihnen klar, dass Stickerei  eine sehr notwendige Beschäftigung  für palästinensische Frauen  sein könnte.

Den beiden kam zunächst viel Skepsis entgegen. Viele dachten, sie würden einem Hobby nachgehen, aber Reem und Hammoudeh haben bewiesen, dass sie in der Lage waren,  ein erfolgreiches Geschäft aufzubauen.

Gegen Almosen

Reem war in den US geboren, ihre Familie stammte jedoch ursprünglich aus Jerusalem. Sie fühlt, dass es für Palästinenser wichtig ist, eigene Initiativen aufzunehmen. Hilfsprogramme von Nicht-Regierungsorganisationen sind zu „Parasiten in unserer Gesellschaft geworden“ sagte sie.

„Palästinenser  sind üblicherweise nie von internationaler Hilfe abhängig gewesen, fügte sie noch hinzu. Die internationalen Organisationen haben diese Abhängigkeit in unserer Gemeinschaft geschaffen – aber es ist nicht Teil unserer Kultur, Almosen anzunehmen. Palästinenser haben Schulbildung und arbeiten hart; ja mit der höchsten Literaturrate im Nahen Osten. Deshalb war es für uns wichtig, diese Art des Lebens zu verändern.

Das Duo ist von der positiven Antwort auf ihr Projekt sehr ermutigt worden, besonders vom Lob, das sie regelmäßig auf ihrer Facebook-Seite bekommen. Sie haben einen „Reise-Karawan“ organisiert, der ihre Stickereien in verschiedenen Teilen Palästinas und Jordanien ausstellt. Nachdem sie ein Online-Geschäft errichtet haben, hoffen sie, dass sie sich  in nächster Zukunft weiter vorwagen können

Der größere Kampf

Aber ein Geschäft unter Besatzung zu führen, hat ihnen einige Probleme geschaffen-

Reems Familie hatte ihre Identitätskarte, die ihr erlaubte, in Jerusalem zu bleiben, die aber während der 1. Intifada als Teil einer absichtlichen Politik, zurückgezogen wurde. Dies wurde als „Stille Deportation“ bekannt.

Die israelische Menschenrechtsorganisation B’tselem schätzt, dass so mehr als 14 000 Palästinenser im besetzten Ost-Jerusalem ihren dauerhaften Wohnstatus  seit 1967  verloren  haben.

Als Folge davon ist sie nicht in der Lage, die ganze Zeit in Palästina zu sein. Sie reiste mit ihrem US-Pass. Ihr Visum wurde kürzlich durch die israelischen Behörden verlängert. Man sagte ihr aber, dass es zum letzten Mal verlängert wurde.

Trotz dieser Auseinandersetzungen vertrauen sie darauf, dass Ibra wa Khayt nicht nur weitermachen wird, sondern, dass es auch wachsen wird.

Diese beiden Frauen sind nicht nur Modedesigners. Ihr Geschäft ist Teil eines größeren Kampfes:  das palästinensische Erbe  zu erhalten und neu  zu beleben, angesichts eines anhaltenden Versuches, es verschwinden zu lassen.

Indem palästinensische Tradition erhalten wird, ist ihr kleines Projekt ein wichtiger Teil  des Kampfes gegen die israelische Besatzung.

 

Yara Hawara ist  eine Forscherin und ein Ph-Kandidat an der Uni Exeter und lebt im Augenblick in  Ostjerusalem. Sie hat einen BA in arabischen und Nah-Ost-Studien und ein MA in Palästinastudien. Ihre augenblicklichen Forschungen konzentrieren sich auf palästinensische Bürger Israels und ihre besonderen kollektiven Erinnerungen

(dt. Ellen Rohlfs)