Reflektion von
Barbara Martens, CPT, 6.6. 2009
Er
war ein kleiner Junge mit dunklen Haaren und hellbraunen Augen wie mein
ältester Enkel.
Er
war auch so groß wie mein Enkel. So nahm
ich an, dass er acht Jahre alt war,
genau wie mein Enkel. Sein Blick war voller Angst. Und er hatte Grund, große
Angst zu haben. Sechs israelische Soldaten hatten ihn geschnappt. Die Soldaten
marschierten schnell die Nebenstraße hinunter, die zur Hauptstraße und in die Altstadt von Hebron führt. Es ist
der Teil der Stadt, der von Tunnels durchlöchert ist und nahe am Militärposten
liegt. Hier verschwinden immer wieder Palästinenser, die dort verhört und geschlagen werden.
Wir,
mein Partner auf Straßenpatrouille und ich brauchten nicht lange, um die
Situation zu begreifen. Die israelischen Soldaten hatten ihn buchstäblich am
Genick gepackt und zogen ihn mit sich. Da war kein Erwachsener in der Nähe, der
ihn begleitet, auch wenn er ihm nicht helfen konnte. Er war völlig allein und
verletzbar.
Als
ich schnell auf diese Patrouille israelischer Soldaten zuging und neben ihnen
ging, wurden meine Fragen genau wie ich selbst grob abgewiesen. Ich sah auf den
kleinen Jungen und versuchte, seine ausgestreckte Hand zu erreichen. Die
Soldaten gingen dazwischen. Schließlich erfuhr ich sein „Verbrechen“. Er hatte
einen Stein auf einen ihrer Posten geworfen. Ein Stein. Ein Stein ist etwas,
mit dem man spielen kann. Ich dachte dabei an die Unmengen von Spielsachen
meines Enkels. Dieser kleine Junge hat keine Auswahl. Da kann schon ein Stein für eine Weile Spaß machen und die Langeweile
vertreiben. Kleine Jungs mitten in
Hebron haben ein hartes Leben. Die Eltern können den Kindern
keine Spielsachen kaufen.
Als
ich kämpfte, um die Hand des kleinen Jungen zu erreichen, sagte ich zu dem
Soldaten: „Hast du keine kleinen Brüder, die mit Steinen spielen wollen? Abgesehen davon, er hat nur einen Stein. Du
bist es, der ein Gewehr hat.“ Die
Antwort des Soldaten war: „Seine Eltern haben ihm nicht beigebracht, dass man
mit Steinen nicht wirft. Wir müssen ihm eine Lektion erteilen. Er ist ein
Terrorist.“ Es war nicht das erste Mal, dass ich eine solch groteske
Behauptung
von einem Soldaten hörte. Während ich
mit dem Soldaten redete, gelang es mir, meinen Arm um den laut
schreienden, verzweifelt verängstigten kleinen Jungen zu legen. Schließlich
gaben die Soldaten auf und ein kleiner Junge konnte unverletzt nach Hause
laufen. Aber war er wirklich unverletzt?
Das
CPT, Christian Peacemaker Team ist eine ökumenische
Initiative, um rund um die Welt, die Gewalt zu verringern www.cpt.org.
(dt.
Ellen Rohlfs)