Israel Palästina Nahost Konflikt
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Quelle: Aftonbladet - Stoppad av
apartheid
Originalartikel
veröffentlicht am 2.6.2009
Israelisches
Militär versuchte das internationale palästinensische Literaturfestival zum
Schweigen zu bringen
AUTOR: Henning MANKELL
Übersetzt
von Einar Schlereth
Vor gut einer Woche besuchte ich Israel und
Palästina. Ich gehörte zu einer Schriftstellerdelegation mit Vertretern aus
verschiedenen Kontinenten. Wir sollten an einer palästinensischen literarischen
Konferenz
teilnehmen. Die Einweihung sollte im Palästinensischen Nationaltheater in
Jerusalem stattfinden. Gleich nachdem wir uns versammelt hatten, kam schwer
bewaffnetes israelisches Militär und Polizei und teilte uns mit, dass sie uns
zu stoppen gedächten. Auf die Frage warum, kam als Antwort:
”Sie sind ein Sicherheitsrisiko.”
Es
ist natürlich Nonsens zu behaupten, dass wir in jenem Augenblick eine
terroristische Bedrohung für Israel darstellten. Aber gleichzeitig hatten sie
ja auch Recht. Sicher stellen wir eine Bedrohung für Israel dar, wenn wir nach
Israel kommen und sagen, was wir von der israelischen Unterdrückung der
palästinensischen Bevölkerung halten. Es war ja auch nicht merkwürdig, dass ich
und tausende andere damals eine Bedrohung für das Apartheidsystem in Südafrika
darstellten. Worte sind gefährlich.
Das waren auch meine Worte, die ich sagte, als es den Veranstaltern gelungen
war, die Einweihung in das französische Kulturzentrum zu verlegen, das sich
bereitwillig gezeigt hatte:
”Das
was wir jetzt erleben, ist eine Wiederholung des verächtlichen
Apartheidsystems, das einst die Afrikaner und Farbige als Bürger zweiter Klasse
in ihrem eigenen Land behandelte. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass dieses
Apartheidsystem nicht mehr existiert. Es wurde durch menschliche Kraft auf den
Müllhaufen der Geschichte Anfang der 1990-er Jahre geworfen. Es geht eine
direkte Linie zwischen Soweto, Sharpeville und dem,
was kürzlich in Gaza geschah.”
In den folgenden Tagen besuchten wir Hebron, Bethlehem, Jenin und Ramallah. Wir
wanderten einen Tag in den Bergen zusammen mit dem palästinensischen Verfasser
Raja Shehadeh, der uns zeigte, wie sich die
israelischen Siedlungen ausdehnten, palästinensisches Land konfiszieren, Wege
zerstören, neue bauen, die nur von Siedler benutzt werden dürfen. Schikanen an
den verschiedenen Grenzübergängen lagen auf der Hand. Natürlich war es
einfacher für meine Frau Eva und mich durchzukommen. Aber jene in unserer
Delegation, die syrische Pässe hatten oder deren Herkunft palästinensisch war,
wurden desto mehr schikaniert. Bring den Koffer aus dem Bus, pack ihn aus,
stell ihn wieder rein, hole ihn wieder heraus ....
Aber selbst in der Hölle gibt es Gradunterschiede. Hebron
war am schlimmsten. Inmitten der Stadt mit 40 000 Palästinensern haben 400
Siedler einen Teil des Stadtzentrums beschlagnahmt. Die sind brutal und zögern
nicht, ihre palästinensischen Nachbarn zu jeder Tageszeit anzugreifen. Warum
ihnen nicht auf den Kopf pissen von hoch gelegenen Fenstern? Wir sahen einen
Dokumentarfilm, wo u.a. Siedlerfrauen inklusive deren Kinder palästinensische
Frauen treten und schlagen ohne dass das Militär eingreift. Deshalb gibt es in
Hebron Menschen aus dem Ausland, die im Namen der Solidarität freiwillig
palästinensische Kinder zur Schule und zurück begleiten. Diese 400 Siedler
werden rund um die Uhr von 1500 israelischen Soldaten bewacht! Jeder Siedler
hat eine permanente Leibwache von 4-5 Personen bei sich. Die Siedler haben ausserdem das Recht, Waffen zu tragen. Als wir einen der
schlimmsten Übergänge direkt in Hebron besuchten, war dort ein Siedler,
unerhört aggressiv, der uns filmte. Sobald er das geringste Anzeichen für etwas
Palästinensisches entdeckte, ein Armband, ein Anstecknadel, rannte er zu den
Soldaten und erstattete Bericht.
Aber natürlich war nichts von dem, was wir erlebten, nur annähernd vergleichbar
mit der Situation der Palästinenser. Wir tragen sie in Taxis und auf der
Strasse, bei Vorlesungen, an der Universität und im Theater. Wir führten
Gespräche und hören, was ihnen zugefügt wird.
Ist es verwunderlich, dass ein Teil von ihnen desperat ist, wenn sie keinerlei
Ausweg aus diesem Leben sehen, dass sie sich entscheiden, sich in einen
Selbstmordbomber zu verwandeln? Wohl kaum oder? Verwunderlich ist nur, dass es
nicht mehr tun.
Die Mauer, die jetzt das Land zerschneidet, wird kurzfristig künftige Attacken
verhindern. Aber die Mauer ist ein allzu deutliches Zeichen für die desparate
Lage der israelischen Militärmacht. Sie wird am Ende dasselbe Schicksal ereilen
wie die Mauer, die Berlin teilte.
Was ich während dieser Reise sah, war völlig eindeutig: der Staat Israel ist in
seiner gegenwärtigen Form ohne Zukunft. Jene, die eine Zwei-Staaten-Lösung
vertreten, denken ausserdem falsch.
1948, als ich geboren wurde, erklärte Israel seine Unabhängigkeit auf besetztem
Gebiet. Es gibt keinerlei Gründe dafür, dass dies eine völkerrechtlich legitime
Handlung war. Man besetzte ganz einfach palästinensisches Land. Und man fährt
fortlaufend fort, diesen Landbesitz zu vergrössern,
etwa durch den Krieg 1967 und heute durch die ständige Zunahme an Siedlungen.
Hin und wieder wird eine Siedlung abgerissen, um den Schein aufrechtzuerhalten.
Aber bald taucht sie woanders wieder auf. Eine Zwei-Staaten-Lösung bedeutet
nicht, dass die historische Besatzung aufgehoben wird.
Israel wird es genauso ergehen wie Südafrika unter der Apartheidzeit. Die Frage
ist nur, ob die Israelis Vernunft annehmen werden und freiwillig einer
Abwicklung des Apartheidstaates zustimmen werden. Oder ob es zwangsweise
geschehen wird.
Auch kann niemand sagen, wann es geschieht. Der endgültige Aufruhr wird
natürlich von innen kommen. Aber plötzliche Veränderungen in Syrien oder Ägypten
werden dazu beitragen können.
Ebenso wichtig ist selbstverständlich, dass die USA es sich bald nicht mehr
leisten können, diese abscheuliche Kriegsmaschine zu bezahlen, die Steine
werfende Jugendliche von einem normalen Leben in Freiheit fernhält.
Wenn Veränderungen kommen, wird es von dem einzelnen Israeli abhängen, ob er
oder sie bereit ist, auf seine Privilegien zu verzichten und in einem
palästinensischen Staat zu leben. Ich stiess auf
meiner Reise auf keinen Antisemitismus. Hingegen auf einen normalen Hass auf
die Besatzer. Es ist wichtig, diese Dinge auseinanderzuhalten.
Den letzten Abend sollten wir in Jerusalem beenden, wo wir angefangen hatten.
Aber das Theater war wieder vom Militär geschlossen worden. Es musste woanders
vonstatten gehen.
Der Staat Israel hat nur eine Niederlage zu erwarten, wie alle
Besatzungsmächte.
Die Israelis vernichten Leben. Aber sie können nicht die Träume zerstören. Der
Untergang dieses verächtlichen Apartheidsystems ist das einzig denkbare
Resultat, da es notwendig ist.
Die Frage lautet also nicht ob, sondern wann es geschieht. Und natürlich auch,
auf welche Weise.