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The Guardian – 16.1.2009

Israel angeklagt wegen Kriegsverbrechen während eines 12stündigen Angriffs auf Dorf in Gaza

 

Weiße Fahnen werden ignoriert und bewohnte Häuser mit Schubraupe zerstört, klagen  Bewohner an.

 

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Israel wird angeklagt, in der vergangenen Woche eine Reihe von Kriegsverbrechen während eines 12stündigen  Dauerangriffs auf ein Dorf im südlichen  Gaza begangen zu haben, bei dem 14 Personen starben.

 

Nach Zeugenaussagen, die durch den Observer von verschiedenen Bewohnern des Dorfes Khuza’a  gesammelt wurden, wird angeklagt, dass israelische Soldaten beim Einfall in das Dorf

-          versuchten, Häuser mit Schubraupen niederzuwalzen, in denen sich Bewohner befanden;

-          Zivilisten töteten, die unter dem Schutz der weißen Fahnen zu entkommen versuchten;

-          auf ein Rettungsfahrzeug das Feuer eröffneten, das versuchte, die Verwundeten zu erreichen;

-          in einem zivilen Wohnbereich schwere Waffen einsetzten und Granaten mit weißem Phosphor abfeuerten.

 

Wenn die Behauptungen der Wahrheit entsprechen,  stellen alle diese Vorkommnisse Brüche der Genfer Konvention dar.

 

Die Anzeigen über die Vorfälle in Khuza’a  folgen wiederholten Klagen über mögliche Verletzungen der Menschenrechte, ausgesprochen vom Roten Kreuz, der UN und Menschen-rechtsorganisationen.

 

Die israelische Armee kündigte gestern an, dass sie Untersuchungen „auf höchster Ebene“

bezüglich fünf anderer Angriffe auf Zivilisten in Gaza, einschließlich zwei UN-Einrichtungen und einem Spital durchführen werde. Sie fügte hinzu, dass in allen Fällen erste Untersuchungen nahe legten, dass die israelische Armee Feuer erwiderte. „Diese Anklagen von Kriegsverbrechen sind nicht im geringsten durch Beweise gestützt“, sagte Yigal Palmor, ein Sprecher des israelischen Außenministeriums.

 

Betroffenheit aufgrund der Vorfälle im Dorf Khuza’a in den frühen Morgenstunden des Dienstag wurde zuerst von der israelischen Menschenrechtsgruppe B’Tselem geäußert. Obwohl ein israelischer Militärsprecher sagte, er habe „keine Information darüber, dass dieser

unbewiesene Vorfall stattgefunden habe“, stehen die vom Observer gesammelten Zeugnisse

fest und stimmen überein mit den von B’Tselem zusammengetragenen Zeugnissen.

 

Sichtbarer Beweis dafür, dass Khuza’a in einen schweren Angriff mit Panzern und Schubraupen geriet, sind die in Trümmer gefallenen Gebäude.

 

Die Bilder, die der Photograph Bruno Stevens nach der Attacke aufgenommen hat, zeigen die schweren Schäden – und noch brennenden Phosphor. „Was ich euch sagen kann, ist, dass viele, viele Häuser mit Granaten beschossen wurden, und dass sie weißes Phosphor benutzten“, sagte Stevens, einer der ersten westlichen Journalisten, die nach Gaza hinein kommen konnten, gestern. „Es scheint, dass alles ein Willkürakt war“, fügte Stevens hinzu und erzählte, dass Wohnhäuser in der Nähe des Dorfes, die nicht von den Granaten zerstört worden waren, angezündet wurden.

 

Das Dorf Khuza’a liegt etwa 500 Meter von der Grenze zu Israel entfernt. Nach B’tselem wurde sein Feldforscher in Gaza am vergangenen Dienstag von Munir Shafik al-Najar, einem Bewohner, kontaktiert; Der Hausbewohner erzählte ihm, dass israelische Bulldozer um 2.30 Uhr morgens angefangen hatte, Häuser zu zerstören.

 

Als Rwhiya al-Najar, 50, aus dem Haus trat und die weiße Fahne bewegte, damit die übrigen Hausbewohner das Haus verlassen konnten, wurde sie mutwillig von einem in der Nähe stehenden israelischen Soldaten  angeschossen.

 

Der zweite mutwillige  Vorfall geschah am  Dienstag nachmittags, als israelische Truppen  30 Bewohnern befahlen, ihre Häuser zu verlassen und zur Schule im Zentrum des Dorfes zu gehen. Nach einem Weg von 20 m feuerten die Soldaten in die Gruppe und  töteten drei Personen ohne Grund.

 

Weitere detaillierte Angaben über die Geschehnisse stammen von Interviews, die eine palästinensische Reporterin,  die für den Observer arbeitete,  weil Israel  ausländische Medien-Berichterstatter aus dem Gazastreifen  verbannt hatte, zusammengetragen hat: Imam al-Najar, 29, sagte aus, dass sie zugeschaut habe, wie die Schubraupen begannen, Nachbarhäuser zu zerstören, und sie habe verschreckte Dorfbewohner aus ihren Häusern flüchten gesehen, als schon das Mauerwerk zusammenstürzte.  

 

„Um ca. 6 Uhr morgens haben die Panzer und Schubraupen unser Haus erreicht“, erzählte Iman. „Wir gingen auf die Dächer und versuchten ihnen zu zeigen, dass wir Zivilpersonen sind, indem wir weiße Fahnen schwenkten. Jeder und jede von uns trug eine weiße Fahne. Wir sagten ihnen, wir seien Zivilisten. Wir haben keine Waffen. Die Soldaten fingen an, die Häuser zu zerstören, auch wenn Menschen in den Häusern waren“.   Sie beschreibt den Tod von Rawhiya und sagt, die Soldaten hätten ihnen angeschafft, sich in das Zentrum des Städtchens zu begeben. Als sie dem Befehl folgten, eröffneten israelische Soldaten das Feuer. Rawhiya war an der Spitze des Zuges, sagte Iman.

 

Marwan Abu Raeda, 40, eine medizinische Hilfskraft, der im Nasser Spital in Khan Younis arbeitet, sagte: „Um 8 Uhr früh erhielt ich einen Telefonanruf aus Khuza’a. Sie sprachen von einer verletzten Frau. Ich fuhr sofort los. Als ich nur mehr 60 oder 70 m von der Verletzten entfernt war, fingen die israelischen Soldaten an, auf mich zu schießen.“ Als er in eine andere Straße fuhr, kam er wieder unter Feuer. Zwölf Stunden später, als er endlich Rawhiya erreichte, war sie tot.

 

Iman erzählte, sie sei zuletzt in einem Schotterfeld gelandet, und eine große Gruppe von Leuten hatten dort in einem tiefen Loch zwischen den Trümmern der zerstörten Häuser Schutz gesucht.  „Da war es dann“, sagte sie, „dass die Schubraupen anfingen, von beiden Seiten den Schutt zusammen zu schieben. Sie wollten uns lebendig begraben!“ schloss sie.

(übers.: Gerhilde Merz)