Israel Palästina Nahost Konflikt Infos
Zehn Gründe, weshalb Jerusalem nicht den jüdischen Israelis gehört
Juan Cole,
25. März 2010
www.israeli-occupation.org
Der israelische Ministerpräsident Benyamin Netanyahu
erzählte der amerikanisch-jüdischen Lobbygruppe AIPAC, dass „Jerusalem keine
Siedlung sei“. Er fuhr fort: die historische Verbindung zwischen dem jüdischen
Volk und dem Land Israel kann nicht geleugnet werden und auch nicht die
historische Verbindung zwischen dem jüdischen Volk und Jerusalem.
Und weiter: „Das jüdische Volk
baute Jerusalem vor 3000 Jahren und das jüdische Volk baut es auch heute.
Jerusalem ist keine Siedlung – es ist unsere Hauptstadt.“ Das sagte er seinen
applaudierenden Zuhörern und dass er einfach der Politik aller israelischen
Regierungen seit 1967 folgen würde, als Jerusalem im Sechstagekrieg erobert
wurde.
Netanyahu
vermischte die romantisch-nationalistischen Klischees
mit einer Reihe von historisch falschen Behauptungen. Und
noch wichtiger war das, was
er aus der Geschichte wegließ, wie
auch sein Zitieren von verzerrter und ungenauer Geschichte. Er berücksichtigte
weder Gesetze noch Rechte oder den allgemeinen Anstand gegenüber anderen,
die nicht zu seiner ethnischen Gruppe gehören.
Hier sind die Gründe, warum Netanyahu
unrecht hat und Ost-Jerusalem nicht ihm gehört.
- Nach dem Völkerrecht ist Ost-Jerusalem besetztes
Gebiet wie die Teile der Westbank, die Israel einseitig seinem Distrikt von
Jerusalem angeschlossen hat. Die Vierte Genfer Konvention von 1948 und die
Den Haag-Regelungen von 1907 verbieten Besatzungskräften, die Lebensweise
der Zivilisten, die unter Besatzung leben, zu ändern. Es verbietet auch das
Ansiedeln von Menschen der Besatzungsmacht im besetzten Gebiet. Israels
Vertreibung der Palästinenser aus ihren Häusern in Ost-Jerusalem, seine
widerrechtliche Übernahme von palästinensischem Besitz dort, seine
Besiedlung mit Israelis auf palästinensischem Land sind alles grobe
Verletzungen des Völkerrechts. Israelische Behauptungen, dass sie die
Palästinenser nicht besetzt halten würden, weil die Palästinenser keinen
Staat haben, sind grausam . Die israelischen Behauptungen, dass sie auf
leerem Gebiet bauen, sind lächerlich. Mein Hinterhof ist leer, aber das gibt
Netanyahu noch lange nicht das Recht, einen Wohnkomplex darauf zu bauen.
- Die
israelischen Regierungen sind sich noch nicht einig geworden, was sie mit
Ost-Jerusalem und der Westbank tun werden, im Gegensatz zu dem, was
Netanyahu sagt. Der Galili-Plan für Siedlungen in der Westbank wurde erst
1973 adoptiert. Ministerpräsident Yitzhak Rabin verpflichtete sich als Teil
des Oslo-Friedensprozesses, sich aus palästinensischem Gebiet zurückzuziehen
und den Palästinensern einen Staat zuzugestehen; es sind die Versprechen,
für die er von extrem Rechten (die jetzt Netanyahus Regierung unterstützen)
ermordet wurde. Erst 2000 behauptete Ministerpräsident Ehud Barak,
dass er mündliche Zusicherungen gegeben habe, dass Palästinenser fast die
ganze Westbank bekommen könnten, und
mit einigen Vereinbarungen könnte Ost-Jerusalem ihre Hauptstadt sein.
Netanyahu versuchte, den Eindruck zu wecken, dass
die Politik des rechten Flügels der Likudpartei, was Ost-Jerusalem
und die Westbank betrifft, von allen israelischen Regierungen geteilt
worden sei. Aber das ist einfach
nicht wahr.
- Romantischer Nationalismus stellt sich ein „Volk“ als
ewig vor und als hätte es eine ewige Verbindung mit einem besonderen Stück
Land . Diese Art des Denkens ist ein Hirngespinst und mythologisch. Völker
entstehen, verändern sich und manchmal hören sie auf, zu existieren,
auch wenn sie Nachkommen haben, die jedoch
die Religion oder die Ethnie oder die Sprache aufgeben. Die Menschen
haben sich nach allen Richtungen bewegt und sind nicht
an irgendein Gebiet in
besonderer Weise gebunden, da an den
meisten Orten des Landes viele verschiedene Gruppen gelebt haben. Jerusalem
war nicht von Juden bzw. Anhängern
der jüdischen Religion gegründet worden. Es war zwischen 3000 v. Chr. und
2600 v. Chr. von einem westsemitischen Volk, möglicherweise von den
Kanaanitern, den gemeinsamen Vorfahren der Palästinenser, Libanesen, vielen
Syrern, Jordaniern und vielen Juden gegründet worden. Aber als es gegründet
wurde, existierten die Juden (mit jüdischer Religion) noch gar nicht.
- Jerusalem wurde zur Ehre des alten Gottes Shalem
gegründet. Jerusalem bedeutet nicht Stadt des Friedens, sondern eher „Gebaut
auf dem Platz von Shalem“.
- Das „jüdische Volk“ hat
Jerusalem nicht vor 3000 Jahren d.h. 1000 Jahre v.Chr. gebaut.
Zunächst einmal ist noch nicht eindeutig bewiesen, wann exakt das Judentum
als Religion - die Anbetung eines Gottes - feste Formen annahm. Es
scheint so, als sei es eine späte Entwicklung gewesen, da es keine Beweise
für Gottesverehrung gegeben hat außer den gewöhnlichen kanaanitischen
Gottheiten, die in archäologischen Stätten
um 1000 v.Chr. gefunden wurden. Es gab keine Invasion ins
geographische Palästina von Ägypten durch ehemalige Sklaven
um 1200 v.Chr. Die Pyramiden sind schon viel früher gebaut worden und
ohne Sklavenarbeit. Die Chronik der Ereignisse während der Herrschaft von
Ramses II. an der Mauer in Luxor weist auf keine
frühere Sklavenrevolte hin oder auf eine Flucht der Sklaven auf die
Sinai-Halbinsel. In ägyptischen Quellen kann man nichts über Moses oder die
12 Plagen etc finden. Die Juden und das Judentum tauchte aus einer gewissen
sozialen Klasse der Kanaaniter während
einer Periode von Jahrhunderten auf.
- Jerusalem war nicht nur nicht von dem wahrscheinlich
noch gar nicht existierenden „Jüdischen Volk“ um 1000 v.Chr. gebaut worden.
Jerusalem war zu diesem Zeitpunkt der Geschichte
wahrscheinlich gar nicht bewohnt gewesen. Jerusalem scheint zwischen
1000 und 900 v.Chr. – dem traditionellen Zeitraum für das vereinigte
Königreich unter David und Salomo – verlassen gewesen zu sein. Jerusalem war
also nicht die „Stadt Davids“, da es dort keine Stadt gab, von der gesagt
wird, er habe dort gelebt. Es gibt keinen archäologischen Beweis großartiger
Paläste oder großer Staaten in dieser Periode. Und die assyrischen Tafeln,
die kleinere Ereignisse im Nahen Osten berichten, wie die Taten arabischer
Königinnen, wissen nichts über irgend ein großes Königreich von David und
Salomo im geographischen Palästina.
- Da die Archäologie nichts von einem jüdischen
Königreich oder Königreichen in der sog. ersten Tempelperiode weiß, ist
nicht klar, wann genau das jüdische Volk in Jerusalem geherrscht hat, mit
Ausnahme des Hasmonäischen Königreiches. Die Assyrer eroberten Jerusalem 722
v.Chr.. Die Babylonier nahmen es 597
ein und herrschten in Jerusalem bis
sie selbst 539 von den Achäminiden aus dem alten Iran erobert wurden. Sie
herrschten in Jerusalem bis Alexander der Große die Levante 330 v.Chr.
eroberte. Alexanders Nachfolger die Ptolemäer hatten Jerusalem unter ihrer
Herrschaft bis 198, als Alexanders andere Nachkommen, die Seleukiden die
Stadt übernahmen. Mit der Makkabäischen Revolte 168 v.Chr. herrschte das
jüdisch-hasmonäische Königreich über Jerusalem bis 37 v. Chr., obwohl
Antigonus II. Mattathias, der letzte Hasmonäer Jerusalem nur mit
Hilfe der Parter-Dynastie
40 v.Chr. einnahm. Herodes herrschte von
37 v.Chr. bis die Römer im
Jahr 6 AD Palästina eroberten.
Die Römer und dann
das ost-römische Reich von Byzanz
herrschten über Jerusalem von
6 AD bis 614 AD , als die iranischen Sassaniden/Perser
es eroberten. 629 AD holten es sich die Byzantiner wieder zurück.
Die Muslime eroberten Jerusalem 638 und herrschten dort bis
1099, als die Kreuzfahrer es eroberten. Die Kreuzfahrer töteten oder vertrieben
Juden und Muslime aus der Stadt. Die Muslime eroberten es unter Saladin wieder
zurück und die Juden durften zurückkehren. Doch Muslime beherrschten es bis zum
Ende des 1. Weltkrieges oder zusammen
1192 Jahre.
Also gründeten nicht Anhänger des Judentums
Jerusalem . Es bestand
vielleicht 2700 Jahre, bevor wir dort etwas vom Judentum erkennen. Jüdische
Herrschaft mag nicht länger als etwa 170 Jahre gedauert haben d.h. also während
der Hasmonäer-Herrschaft.
- Wenn also historisches Bauen
in Jerusalem und historische Verbundenheit mit Jerusalem die
Herrschaft über diese Stadt bestimmen – wie Netanyahu behauptet - dann sind
es folgende Gruppen, die den größten Anspruch auf die Stadt haben:
a)
Die Muslime, die es bauten und über 1191 Jahre es
beherrschten
b)
Die Ägypter, die es als Vasallenstaat mehrere
Jahrhunderte im 2. Jahrtausend v.Chr. regierten.
c)
Die Italiener bzw. Römer, die 444 Jahre es
beherrschten – bis zum Ende des
Römischen Reiches 450.
d)
Die Iraner/Perser, die es
205 Jahre unter den Achaeminiden regierten, drei Jahre
unter den Parthern ( insofern als der letzte Hasmonäer tatsächlich ihr
Vasall war) und
weitere 15 Jahre unter den Sassaniden.
e)
Die Griechen, die 160 Jahre regierten, wenn wir
die Ptolemäer und Seleukiden als Griechen
zählen. Wenn wir sie als Ägypter und Syrer zählen, würde dies den
ägyptischen Anspruch verstärken und einen syrischen einführen.
f)
Die Nachfolgestaaten der Byzantiner, die entweder
Griechenland oder die Türkei sein
könnten, die es 188 Jahre
regierten. Ja, wenn man die hellenistisch-
griechischen Dynastien berücksichtigt, so hätte Griechenland fast 350
Jahre über
Jerusalem geherrscht.
g)
Es gibt auch einen irakischen Anspruch auf
Jerusalem, der sich auf assyrische
und
babylonische Eroberungen bezieht, wie auch die Herrschaft der Ayyubiden
(Saladins
Herrschaft), die Kurden aus dem Irak waren.
- Natürlich waren Juden historisch
durch den Tempel mit Jerusalem verbunden. …
Aber diese Verbindung wurde meistens dann verfolgt, wenn
Juden keine politische Kontrolle über die Stadt hatten: unter iranischer,
griechischer und römischer Herrschaft. Man kann deshalb keine Forderung
aufstellen, die ganze Stadt politisch zu kontrollieren.
- Die Juden Jerusalems und dem übrigen Palästina
verließen zum größten Teil nach dem fehlgeschlagenen Bar-Kochba-Aufstand
gegen die Römer (136) nicht das
Land.
Sie lebten weiter dort und trieben unter der römischen und
byzantinischen Herrschaft Landwirtschaft . Nach und nach wurden sie Christen.
Nach 638 n.Chr.
konvertierten sie allmählich zum Islam –
abgesehen von etwa 10 %.
Die gegenwärtigen Palästinenser sind die Nachfahren
der ehemaligen Juden und haben deshalb jedes Recht, dort zu leben, wo
ihre Vorfahren seit Jahrhunderten lebten.
(dt. Ellen Rohlfs)