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Israels Mann des Gewissens
Ezra Nawi, 29.6.09
Ezra Nawi: der Autor ist
im Begriff, ins Gefängnis zu gehen – wegen friedlichen Widerstands gegen die
Siedler, der Gewalttätigkeit der Armee gegen die Palästinenser der Westbank und
der illegalen Enteignung ihres Landes.
Ich werde am 1. Juli verurteilt werden, nachdem ich
als schuldig befunden wurde, 2007 zwei Polizisten angegriffen zu haben, während
wir (gewaltfrei) gegen die Zerstörung eines palästinensischen Hauses in Um El Hir, in der südlichen Westbank
gekämpft haben.
Natürlich haben die Polizisten, die mich anklagten,
gelogen. Tatsächlich ist das Lügen innerhalb der Polizeikräfte, im Militär und
unter jüdischen Siedlern allgemein üblich geworden.
Etwa 140 000 Briefe wurden an israelische
Offizielle gesandt, um meine Aktivitäten in der besetzten Westbank zu unterstützen. Das
Justizministerium antwortete, ich hätte ‚lokale Bewohner provoziert’.
Diese Antwort reflektiert die Kultur der Täuschung,
die den offiziellen Diskurs bestimmt, wenn es sich um die besetzten Gebiete
handelt.
War ich denn derjenige, der palästinensische
Wasserquellen/Brunnen vergiftet und zerstört hat?
War ich derjenige, der junge palästinensische
Kinder geschlagen hat?
Schlug ich alte Leute?
Vergiftete ich Schafe der Palästinenser?
Zerstörte ich Häuser und Traktoren?
Blockierte ich Straßen und schränkte die
Bewegungsfreiheit ein?
War ich derjenige, der die Leute daran hinderte,
ihre Häuser mit der Wasser- und der Stromleitung zu verbinden?
Habe ich den Palästinensern verboten, sich ein Haus
zu bauen?
Während der letzten 8 Jahre habe ich mit eigenen
Augen Hunderte von Misshandlungen gesehen und machte sie öffentlich – deshalb
werde ich als Provokateur angesehen. Ich kann nur sagen, dass ich stolz bin,
ein Provokateur zu sein.
Weil ich ein Provokateur bin, hat mich die Polizei
mit ihren Verbündeten bedroht, mich geschlagen und bei zahllosen Gelegenheiten verhaftet.
Und als ich sie weiter provozierte, zögerten sie nicht, mich als Schwulen
hinzustellen; ja sie verbreiteten unter den Palästinensern, mit denen ich
zusammenarbeite, ich hätte AIDS.
Einer der Gründe, warum ich ausgesondert wurde, hat
damit zu tun, wer ich bin. Es ist schwierig zu erklären, aber als
orientalischer Jude (aus dem Irak), ein Schwuler und als Klempner gehöre ich
nicht zur Elite der israelischen Gesellschaft und passe nicht zum Stereotyp
eines israelischen Friedensaktivisten – nämlich einem intellektuellen Juden ashkenasischer ( europäischer) Herkunft). Tatsächlich
gehören die Polizisten, die mich ständig verhaften, der
selben Gesellschaftsschicht an wie ich. Ich wurde wie sie erzogen, wir
haben denselben Akzent; ich kenne ihren Jargon, und unser historischer
Hintergrund ist ähnlich. Und trotzdem, in ihren Augen gehöre ich zur andern,
zur palästinensischen Seite.
Diese einfache Sache scheint sie so sehr zu stören,
dass sie mich diffamieren müssen; nur so hat ihr Weltbild noch Sinn. Ich
bedrohe sie, weil ich die Kategorien und Stereotypen, mit denen sie die Welt
verstehen, untergrabe.
Aber die Polizisten sind nur Statisten auf dieser
Bühne. Das Militär, die zivile Verwaltung und das Rechtssystem arbeiten
zusammen mit der Polizei und alle folgen den Befehlen ihrer Herren, den
jüdischen Siedlern.
Diese unheilige Allianz ist äußerst gefährlich,
weil nach ihnen das Ziel, die volle Kontrolle über das Land Israel, die Mittel
rechtfertigt. Um dieses Ziel zu erreichen, entmenschlichen sie die Palästinenser
und weil in ihren Augen die Palästinenser keine Menschen sind, ist alles
erlaubt. Sie dürfen ihr Land und Wasser stehlen, ihre Häuser zerstören, sie
grundlos verhaften und zuweilen sogar töten. Auf Hebräisch sagen wir: „daman mutar“, ihr
Blut zu nehmen, ist erlaubt.
Es ist jedoch wichtig, daran zu denken, dass die
schlimmen Dinge, mit denen ich täglich in der West Bank zu tun habe, nicht
geschehen könnten, wenn nicht das israelische Rechtssystem dahinter stehen
würde. Die Richterin Eilata Ziskind
hat mich nicht nur fälschlicherweise für schuldig befunden, sie wies das
Gericht an, für meine Urteilsverkündigung einen Übersetzer einzuladen, als ob
ich nicht hebräisch sprechen und verstehen würde. Nach ihrer Vorstellung bin
ich – ein orientalischer Jude – ein palästinensischer Araber – und Araber
sind per definitionem schuldig. Mein
Fall ist nur ein Teil eines Musters. Alle vom Staat und seinen Stellvertretern
begangenen Verbrechen in den besetzten Gebieten während der letzten vier
Jahrzehnte wurden von den israelischen Gerichten für koscher erklärt. Deshalb
müssen die israelischen Gerichte genau so für die anhaltenden Grausamkeiten
angeklagt werden.
Weil ich einer bin, der provoziert, werde ich ständig
vom Staat schikaniert. Trotzdem bleibe ich hartnäckig. Was mich stärkt und mir
Kraft gibt, ist die weite und konstante Unterstützung, die ich von politischen
Verbündeten bekomme. Als ich von Siedlern geschlagen wurde, als mir das Auto
gestohlen wurde, als ich verhaftet wurde, fühlte ich mich nie allein. Ich weiß
dass Tausende von Menschen – in Israel und im Ausland – uns von Ta’ayush (Jüdisch-arabische Partnerschaft) bei dem
unterstützen, was wir gegen die Besatzung tun.
Ezra heißt im hebräischen ‚Hilfe’ und ich weiß,
dass ich mich in schwierigen Zeiten auf meine Freunde verlassen kann und sie
mir helfen werden.
(dt. Ellen Rohlfs)