Israel Palästina Nahost Konflikt Infos
Nicolas Pelham, 12. Oktober 2009, Middle East
Report Online
(N.P.
hat die letzten vier Jahre in Jerusalem
für die Internationale Crisis Group gearbeitet, die
den Bericht veröffentlichte: „Israels Religious Right and the
Question of Settlements“
im Juli 2009)
Es
würde kein Problem sein, die Bewohner des Außenpostens von Amona
als Radikale zu bezeichnen. Im Februar 2006 führten sie die Proteste der 4000
Siedleraktivisten, (von denen einige bewaffnet waren), gegen 3000 israelische
Polizisten an, die absichern sollten,
dass auf Befehl neun illegale
„Siedler-Außenposten“ in der Westbank mit Bulldozern abgerissen werden. Bei den
folgenden Zusammenstößen wurden 80 Sicherheitskräfte und 120 Siedler
verletzt, mehr als beim sog. „ Disengagement“ (Abtrennung) der Siedlungen im
Gazastreifen. Diese Kraftprobe (mit dem
Militär) wurde für die Westbanksiedler
zum Symbol der Entschlossenheit, um den
Bemühungen des Staates, nicht genehmigte
Außenposten wie den ihrigen aufzulösen, zu trotzen. „Wie erkläre ich meinen
Kindern, dass die Armee, die uns eigentlich schützen soll,
sich wie unser Feind benimmt“, klagt die Amona-Bewohnerin
Irit Levinger.
Aber
was über die Siedler in Amona besonders beunruhigend ist, ist nicht, wie
weit sie sich von der übrigen
israelischen Bevölkerung entfernt haben – ob geographisch oder politisch -
sondern wie sehr sie mit ihr verbunden sind. Sie sind national-religiös
d.h. sie sind fromme Juden, aber nicht wie andere religiöse Juden sind
sie auch eifrige Anhänger des säkularen zionistischen Projektes. Die
National-Religiösen lassen israelische Flaggen von ihren Laternenpfosten
flattern und dienen an vorderster Front in der Armee. Sechs Monate nach der
Konfrontation in Amona folgte 2006 die Hälfte der
Männer dieses Außenpostens der Einberufung zum Libanonkrieg, und einer der
Bewohner war einer der neun israelischen Soldaten, die im Gazakrieg
getötet wurden. Außer Offizieren gehören zu den Bewohnern Universitätsdozenten,
ein Polizist, Angestellte und Anwälte. Levinger
selbst ist Dozentin für Hebräisch an einer Staatsuniversität. Zwei der
Verletzten vom Zusammenstoß mit der Polizei waren Knessetabgeordnete
einer größeren Siedlung in der Nähe. Die national-religiösen Siedler mögen zwar
gegen den Staat agitieren, aber sie sind
mit den Machthebeln des Staates
direkt verbunden und profitieren von seinem Schutz.
„Außenposten“
ist ein irreführender Begriff. Er assoziiert Bilder von Cowboys, die den
Naturelementen trotzen und ihre Feinde nach Wildwest-Manier vertreiben. Die
meisten Außenposten in der Westbank sind gut ausgestattete Wohnwagenplätze
neben Grundstücken, auf denen Häuser mit
roten Dächern stehen, die auf Geheiß und
auf Kosten des Staates oder mit privatem Geld und mit Zustimmung des Staates
gebaut wurden. Die meisten sind verbunden mit dem Wasser-, Strom- und
Straßennetzwerk und können sich auf ihre Nachbarn verlassen, dass sie mit protestieren,
wenn Agenten des Staates an die Türen ihres Caravan klopfen. Sie sehen so aus, wie viele
Siedlungen vor ein oder zwei Jahrzehnten aussahen, ja wie die Städte innerhalb
Israels nach den Eroberungen 1948 aussahen. Sie sind Symbole für das Vordringen des Zionismus.
Trotz
internationaler Empörung und israelischer Zusicherung, die Außenposten, die
nach der Road Map von 2003 errichtet wurden,
aufzulösen, sorgen sich nur wenige Außenposten-bewohner
um ihre Zukunft. Vor kurzem bestimmte
der Verteidigungsminister Ehud Barak 22 Außenposten für die Auflösung „
innerhalb von Wochen“. Das war im Mai. Noch stehen alle.
Die
Siedlerbewegung scheint ähnlich nicht beunruhigt zu sein durch den zeitweiligen
Siedlungsstop, den Ministerpräsident B. Netanyahu Ende August gegenüber Obamas US-Sondergesandten
George Mitchell als Beschwichtigung zur Sprache brachte, um
„vertrauensbildende Maßnahmen“ Israels gegenüber seinen arabischen Nachbarn
abzusichern. Die Durchführung vergangener Baustopps sind
minimal gewesen und Netanyahus Angebot - einer neunmonatigen Unterbrechung -
wurde mit genügend früheren Baugenehmigungen für ein volles Jahr verknüpft. Der
Vorschlag des Baustops war also weniger ein
Damoklesschwert ( für die Siedler) als ein Beruhigen
ausländischer Schreier. ((Es ging noch ein Hick- Hack um einen Baustopp oder
ein Weiterbauen von bestehenden Baustellen …ER )) nun ist es Bulldozern vom Wohnungsministerium weiter erlaubt, die
Hügelkuppen des Heiligen Landes weiter
für Siedlungen vorzubereiten ..
Auf
den ersten Blick ist es gar nicht so einfach, den Erfolg der Westbanksiedler zu
erklären. Zahlenmäßig stellen sie , einschließlich der
200 000 Siedler im illegal annektierten Ostjerusalem nur 4% der israelischen
Bevölkerung dar . Diese ist dagegen oft über
den unverhältnismäßig hohen Verbrauch des nationalen Vermögens (durch
Siedler) verärgert. Nur 1% lebt im Kernland des mutmaßlich zukünftigen
palästinensischen Staates, also östlich der Trennungsmauer, die Israel in der
Westbank gebaut hat. Von diesen haben Tausende, meistens Säkulare, ihr
Interesse bekundet, für finanzielle Entschädigungen nach Westen – ins isr.
Kernland zu ziehen. Einige haben die
Siedlungen schon verlassen, weil sie sich
geographisch isoliert nicht wohl fühlten oder weil sie die Gewalt der
zunehmenden Religiosität der Siedler fürchten.
Den
Rest umzusiedeln, scheint ein geringer Preis zu sein, der Israel die weltweite
Schande ersparen würde, wenn es das Siedlungsprojekt weiter aufrecht erhält und ausbaut.
Doch
intern ist die Siedlungsbewegung – mit den Worten des früheren
Westbank-Armeekommandeurs – Israels stärkste Lobby. Aus Angst vor weiteren
Konfrontationen wie in Amona mit den
führenden Ideologen des Zionismus, wagen nur wenige israelische Politiker, sich
mit der Bewegung anzulegen. Sie wächst schnell: Der Abzug der Säkularen aus der
Westbank (doch nicht aus Ost-Jerusalem) ist durch den expandierenden harten
Kern der Bewegung der National-Religiösen
mehr als aufgeholt worden, die von Anfang an die jüdische Besiedlung des biblischen
Landes als heilige Pflicht ansehen.
Zusätzlich hat sich die Bewegung mit
Israels ultra-orthodoxen und traditionell nicht-zionistischen Gemeinden wegen dringendem Platzmangel für ihre großen
Familien verbunden. Damit haben die Siedler den am langsamsten wachsenden
Sektor der israelischen Gesellschaft, die säkularen Juden, aufgegeben und sich mit den beiden am
schnellsten wachsenden verbunden. Die Bevölkerung der Westbanksiedler (außer der des besetzten Ostjerusalems) hat sich
verdreifacht: von 105 000 vor dem Osloabkommens 1992 auf über 300 000 von heute.
Die
Bevölkerungsexpansion hat der Siedlerbewegung einen stärkeren religiösen
Anstrich gegeben. Maale Ephraim, eine Siedlung an den
steilen Abhängen des Jordangrabens, deren säkulare Bevölkerung weitgehend von
hier wegmöchte, hat eine Hesder Yeshiva gegründet, eine Schule, die religiöse Studien
mit militärischem Training verbindet. Und im Tal unten hat eine
national-religiöse Gemeinschaft Yitav, eine einst
säkulare Gemeinschaft, vollkommen übernommen. Die Caravan-Orte, die inzwischen
in der ganzen Westbank verstreut liegen, sind auch Kennzeichen für die
wachsende national-religiöse Stärke des Siedlungsunter-nehmens;
dazu kommt die Bereitschaft der National-Religiösen, der Ideologie eine größere
Priorität als der Lebensqualität zu geben.
In der Nachbarschaft von Nokdim, nahe
Bethlehem, z.B. haben 30 Paare Wohnwagen
auf eine Hügelkuppe gestellt. Der letzte Zustrom hat aus einer Gemeinde, die zu gleichen Teilen aus säkularen
und religiösen Familien bestand, nun eine vorherrschend religiöse Siedlung
gemacht. Der Gush Etzion-Block,
zu dem Nokdim gehört, hat keine säkulare Schule. Wie
andere lehrt sie, dass die Bibel ein von
Gott gegebenes Grundbuch ist, wie einer der Lehrer es ausdrückt.
Auf
Grund der billigen Wohnungen und subventionierten Hypotheken wächst die
ultra-orthodoxe Bevölkerung viel stärker, besonders in den
Trabantenstädten Jerusalems. Beitar Illit, nahe Bethlehem, ist
in etwas mehr als einer Dekade zu einer Stadt von 40 000 Bewohnern angewachsen.
Auf Hügeln westlich von Jerusalem wurde 1996 Modiin Illit errichtet. Sie ist nun die größte der Siedlungen, und man plant, dass bis 2020
150 000 Menschen dort wohnen werden. Das Bauen hält kaum Schritt mit der Nachfrage
und bringt die Familien immer weiter in die Westbank hinein. Der Zustrom hat
die traditionelle Distanz der
Ultra-Orthodoxie zum arabisch-israelischen Konflikt durch Verbundenheit mit dem Land ersetzt, das
jetzt „Heimat“ ist.
Ultra-orthodoxe
Anwälte sind genau so lautstark wie die National-Religiösen beim Protest gegen
das Einfrieren des Siedlungsbaus. Der stellvertretende Ministerpräsident Eli Yishai, Führer der Shas-Partei,
hat dazu aufgerufen, vier weit entfernte
Westbank-Siedlungen wieder aufzubauen, die Israel 2005 aufgelöst hatte.
Das
demographische Gewicht der frommen Juden ist innerhalb Israels wie auch in den
Siedlungen angewachsen. Von den Rabbinern angespornt, sich zu vermehren,
heiraten die Religiösen jünger und haben mehr Kinder als ihre säkularen
Gegenüber und ziehen drei Generationen groß, während die säkularen Israelis nur
zwei Generationen groß ziehen.
„Normalerweise
solle man die Hochzeit nicht über das Alter von 20 Jahren verzögern“, rät Yaacov Yosef, Leiter der Hazon
Yaakov Yeshiva und Sohn des geistigen Shasführers Rabbi Ovadia Yosef.
Nach den Daten der Umfrage von 2007 schätzt das Israel-Demokratie-Institut dass
8 % von Israels jüdischer Bevölkerung von über 50 und 32 % der Bevölkerung
zwischen 18 und 30 entweder
ultra-orthodox oder national-religiös sind. Im Gegensatz dazu haben die
säkularen jüdischen Israelis von 23% auf 17 % in der Bevölkerung in einem
Jahrzehnt abgenommen, sagt das Institut .
Zahlenmäßig
stellen die 1,5 Millionen religiösen Juden in Israel selbst eine Basis für moralische und logistische
Unterstützung für die Vorhut in den
Siedlungen dar und natürlich auch bei den Wahlen. „Wir haben mehr Anhänger in
der Armee innerhalb der Grünen Linie als in der Westbank“, sagt Yisrael Ariel, ein Assistent von Rabbi Yitzhak
Ginsburgh, dessen militante Reden die
Ultra-Orthodoxen genau so anzieht wie die
national-religiösen. „Sie helfen uns, Waffen zu bekommen.“
Die
säkularen Juden versuchen, die religiöse Welle aufzuhalten, die über ihren
Stadtteil, die Schulen ihrer Kinder und am Shabbat sogar über die Straßen schwappt, wenn Fromme
den Verkehr zu stören versuchen. …
Inzwischen haben Zehntausende von säkularen Jerusalemer Bürgern die Stadt
verlassen und sich in der Küstenebene niedergelassen und so die
Ultra-Orthodoxen nach einem Jahrhundert zionistischer Besiedlung allein
gelassen. Sie sind nun mit den
national-religiösen die größte Gemeinde und die Drahtzieher im besetzten Ost-
und West-Jerusalem.
Sogar
in der Küstenebene wächst die Zahl der
Frommen. Einige national-religiösen Juden haben ihre Außenposten verlassen und
siedeln im Herzen Israels“, ein Prozess, der sich nach dem Herausholen der
ideologischen Siedler aus dem Gazastreifen auf Befehl von Ariel Sharon
beschleunigt. Angefeuert von dem Motto „Nie wieder!“ errichten die
National-Religiösen Zellen in säkularen jüdischen Städten als auch in Städten
palästinensischer Bürger, eröffnen Hesder Yeshivas und Synagogen und stellen so eine jüdische Vormachtstellung her. Während
Israels säkulare Universitäten Abteilungen zusammenlegen müssen, weil zu wenig
Studenten da sind, müssen die Hesder Yeshivas vergrößert werden.
Politische
Einflüsse
Seit
1967 vom Staat verhätschelt, um Israels Einfluss auf der Westbank zu zementieren, haben die
Siedler eine institutionelle Schlagkraft, die ihre zahlenmäßige Stärke weit
überschreitet. Sie sind in der Regierungsbürokratie etabliert, im Rechts- und
Bildungssystem und vor allem im Militär,
der traditionelle Weg für soziale Aufstiegsmöglichkeiten und das Rückgrat der
israelischen Gesellschaft. Während die
Armee früher ihre Elitesoldaten aus den säkularen Kibbuzen von Israels
Gründungsvätern holte, so kommen ihre Elitegruppen jetzt aus den national-religiösen
Reihen. Um National-Religiöse anzuziehen und die Rate der sich freiwillig zum
Militär Meldenden zu erhöhen, was nach
dem Einfall in den Libanon 1982 geringer wurde, hat die Armee eine Reihe von Hesder Yeshivas
eröffnet, wo Schulabgänger, außer dem Bibelstudium die Regeln des Heiligen Krieges
lernen. Die Rekrutierungs-Statistiken sind nach Gruppen geordnet. Yigal Ley, ein militärischer Analytiker an Israels Offener
Universität, schätzt, 40% der Leute in Kampfeinheiten und im Corps der
Junior-Offiziere seien religiös . „ In den Militärrängen
hat sich viel verändert,“ sagt ein
Armeenachrichtendienstoffizier. „12 % der Bevölkerung beherrschen nun das
Armeekommando. Innerhalb eines Jahrzehnts werden sie das Zentralkommando inne
haben.“
Der
Einfluss der Siedler auf die Armeestrategie und Führung ist ein
Diskussionsthema. Während des Gazakrieges 2008/2009
verteilten die Militärrabbiner Flugblätter
und begleiteten die Soldaten in die Kampfgebiete, boten z.B ihren Rat darüber an,
ob Sanitäter verletzte Palästinenser behandeln sollten. „ Es war normal,
Rabbiner mitten in Kampfzonen zu sehen,“ sagt einer
der Soldaten, der im Gazastreifen kämpfte. „Sie, die Rabbiner bereiteten uns
auf einen biblischen Kampf vor und stellte den Kampf nicht als eine Schlacht
dar, um die Qassams zu stoppen, sondern als eine
Heiligung des Heiligen Namens. Keiner sagte dies direkt, aber sie wollten, dass
wir Sharons „Disengagement“ aus dem Gazastreifen rückgängig machen.“ Auf dem Schlachtfeld brüsteten sich die
Rabbiner auch mit der nationalen Moral.
„Der Feldzug ist ein Krieg gegen Amalek,“ sagte Shmuel Eliyahu, Safeds Chefrabbiner und
Sohn des früheren sephardischen Chefrabbiners Israel Mordechai Eliyahu, bei einer Versammlung religiöser Jugendlicher.
Auch
auf der Westbank behaupten National-Religiöse, dass sie den Auftrag der Armee beeinflussen. Mit Drohungen
des Verteidigungsministers Barak, einige der Außenposten aufzulösen, entschied
ein Rabbinerrat der Siedler, der vom Kiryat Arba-Chefrabbiner Dov Lior geleitet wird, die
Siedler sollten solchen Befehlen nicht nachkommen. Ein Armeekaplan wiederholte
diesen Aufruf und warnte, gewisse militärische Befehle seien illegal, da sie
das religiöse Gesetz verletzen. Während Sharons Gaza-„Disengagement“ gab die Armeeführung Pläne auf,
Kampfeinheiten einzusetzen, in denen religiöse Soldaten vorherrschend sind.
Diese wurden also nicht eingesetzt, um die Siedler wegzuholen, sondern nur an den äußersten Rand um den Gazastreifen stationiert. Aus Sorge um
eine Teilung innerhalb der Ränge hat Armeechef Gabi Ashkenasi
wiederholt versucht, den Auftrag Siedlungen aufzulösen, der Polizei
zuzuschieben. Auch wenn in Gaza die Mannschaften sich bemerkenswert ordentlich
verhielten, haben Armeekommandeure vorgezogen, ihre Truppen in den
größeren und unkontrollierbareren Siedlungen in der Westbank nicht auf ihre Loyalität zu testen. „Ihre
Verpflichtung gegenüber den IDF und ihrer Verpflichtung gegenüber einem
speziellen Rabbiner könnte für die Soldaten und Offiziere zu einem großen
Dilemma führen,“ sagt ein Reservegeneral, der das
Verteidigungsministerium über die Außenposten berät. „Es gibt einige Rabbiner,
die sehr großen Einfluss haben.“ Sollte Barak den Befehl geben, einige
Außenposten zu räumen, schreibt Israel Harel, ein früherer Yesha-Ratsführer
in der Tageszeitung Haaretz, „ dann könne er damit Armee und Polizei zu
einem Kollaps bringen.“ (Yesha= Judäa und Samaria =
Westbank in der Sprache der Siedler ER)
Vor
Ort haben Soldaten oft interveniert, um bewaffnete Siedler zu unterstützen,
vielleicht weil anders als bei Soldaten anderer
Gegenden, die Siedler oft in ihrer lokalen Einheit ihren Militärdienst
ableisten.. „Die Armee hilft uns, Synagogen bauen und schießt, um Steinewerfer zu vertreiben“; sagte ein national-religiöser
Student, nachdem Siedler von Bat Ayin nahe Bethlehem
einen benachbarten Hügel überwachen, auf dem ein Gebetshaus gebaut wird.
Achtzehn Palästinenser wurden verletzt. Östlich von Bethlehem konfiszierten
Soldaten die Werkzeuge von Arbeitern, die einen von der USAID finanzierten Park aufbauten, nachdem Siedler Anspruch auf eine
angrenzende frühere Armeebasis erhoben. „Wenn man die Armee kontrolliert,
kontrolliert man auch das Land,“ sagte der Rabbiner
einer Synagoge im muslimischen Viertel der Jerusalemer Altstadt.
Nachdem
es den Siedlern nicht gelungen war, das Gaza-Disengagement zu verhindern
und sie bei den Wahlen 2006 vernichtend geschlagen wurden, gewannen
die religiösen und pro-Siedler-Politiker
bei den Wahlen 2009 wieder ihr Mandat. Von den 75 Parlamentariern in der
Regierungskoalition sind 27 religiös; gemeinsam können sie ein Veto einlegen.
Während andere Parteien ihnen den Rücken
zuwenden, buhlt Netanyahu um die Stimmen dieser schnellwachsenden
Wählerschaft, macht vor der Wahl Verabredungen mit der Shas
, der größten ultra-orthodoxen Partei, einschließlich der Unites
Torah Judaism, der ashkenasischen ultraorthodoxen Partei in seiner Koalition
und befördert national-religiöse Figuren in den Rängen seiner Partei. Unter
Sharon war nur ein Likud-Parlamentarier national-religiös; unter Netanyahu sind es sechs, fast so viele wie in den
national-religiösen Parteien selbst. …In seiner programmatischen Rede vom 14.
Juni in Israels nationalreligiöser Universität
Bar Ilan ehrte Israels Premier
die Siedler „als integralen Teil unseres Volkes, eine prinzipientreue,
Pionierarbeit leistende und zionistische Gemeinschaft.“ Angesichts Israels Koalitions
–Kuhhandel entscheiden sich Politiker
aus anderen säkularen mainstream-Parteien, sich ruhig zu verhalten als diesen
mächtigen Block gegen sich aufzubringen.
….
Die
religiöse Rechte hat auch einen großen Anteil in der Bürokratie. National-religiöse Angestellte arbeiten vor
allem in der Zivilverwaltung, der militärischen Körperschaft, die die Teile der
Westbank beherrscht, die unter direkter israelischer Kontrolle
steht, und zu deren
Aufgabengebiet es gehört, die Genehmigungen des Siedlungsbau zu erteilen und
Staatsland den Siedlern zuzuteilen. In der Justiz wenden die ultra-orthodoxen
Richter das religiöse Gesetz (Halacha) in Angelegenheiten des persönlichen Status
an. In anderen Gerichten, wo die Halacha nur eine
Rechtsquelle ist, haben religiöse Fraktionen gegen die überwiegend Säkularen Campagnen gestartet.
Nach der Intervention des national-religiösen Richters Minister Yaakov Neeman 2009 hat der Oberste Gerichtshof drei neue Richter,
zwei von ihnen orthodox, ernannt.
Die
einzige uneinnehmbare Bastion der Regierung ist der Friedensprozess. Mit den
Augen der religiösen Rechten gesehen, dienen die Verhandlungen als Plattform
für ihre säkularen Kritiker, um ihre eigene internationale Legitimität zu
untermauern, eine Kampagne
zu führen, um die religiösen Fraktionen
intern und international zu dämonisieren und ihre Ideologie und ihr
Vermögen anzugreifen. Die aus dem Gazastreifen abgezogenen Siedler wurden z.B. auf öde ,
abgelegene Campingplätze abgeschoben.
Externe Vermittler haben wenig getan, um
den Friedensprozess inklusiver zu machen. Die Genfer Initiative-Treffen, die
von westlichen Botschaften finanziert wurden, haben die religiösen Teilnehmer
ausgeschlossen. Kurz gesagt: in der
Dynamik des Friedensprozesses stehen die religiösen gegen die säkularen
Fraktionen, heizen einen Gegenprozess an, in dem die religiösen Gruppen mit beträchtlichem
Erfolg als störende Elemente agieren. Jeder neue Versuch einer Vermittlung von
außen macht Israels religiöse/säkulare Spaltung deutlicher.
Der
letzte US-Versuch einer Intervention
macht deutlich, welche Seite die Oberhand
hat.
Staatliche
religiöse Politiker, die weiter die jüdische Herrschaft über die besetzten
Gebiete befürworten, bleiben gelassen, weil sie davon überzeugt sind, das Pendel schlage zu ihren Gunsten aus.
„Israels säkulare Führer benötigen jetzt ein Abkommen, weil sie wissen,
dass nach weiteren drei Jahrzehnten die
ultra-orthodoxen und die national-religiösen Juden in der Mehrheit sind,“ sagt Israel Zeira, ein
national-religiöser Unternehmer, der Häuserblock auf beiden Seiten der Grünen
Linie baut. „Die demographische Bedrohung, das Land zu teilen, ist nicht nur
eine arabische; es ist auch eine jüdische.“
In
der Folge des Gaza-Disengagements haben einige religiöse Gruppen radikalere
Ansichten angenommen. Sie sind genau so
wenig bereit, ihre gepflegten
Luxuswohnungen in der Westbank aufzugeben wie die Gründungseliten ihre Kibbuze
innerhalb Israel. Eine Minderheit ist bereit, mit allen Mitteln einer Auflösung der Siedlungen zu trotzen. Einige,
die einst in den israelischen Staat mit
rettenden Kräften investierten , sehen jetzt,
wie er in Korruption versinkt und sich vom biblischem Land
zurückziehen will. Aus Angst noch einmal auf die israelische Regierung
angewiesen zu sein, die sie verwirft, haben sie sich mit autonomen Mechanismen ausgestattet. Heute haben Siedlungen ihre
eigenen paramilitärischen Gruppen, die unter einem
Siedlungssicherheitsoffizier mit
weitgehender nomineller Armeekontrolle
arbeiten. Sie haben auch ihr eigenes Arsenal. „Ich muss mich gegen Juden und Araber verteidigen,“ sagt der Verantwortliche von Kfar
Tapuach, eine national-religiöse Siedlung.“ „Wenn
jemand kommt und dein Haus angreift, dann töte ihn!.
Das einzige Gesetz hier ist das des Überlebens.“
Rabbiner
haben ihre eigenen Schulen, Medien und para-legale
Gerichte, wo höhere Heilige Befehle angewandt werden, die für ihre Gemeinden über den Staatsgesetzen
stehen. Einige Regeln betreffen das tägliche Leben, andere die nationalen
Angelegenheiten. „Wir müssen das Land von Arabern reinigen und sie dort
ansiedeln, wo sie herkamen, wenn nötig mit Geld. Wenn wir dies nicht tun, werden
wir nie Frieden in unserm Land haben,“ meint Dov Lior, der führende Rabbiner
auf der Westbank.“ Immer weniger der
Siedler erkennen die Autorität der israelischen Regierung als höchste Instanz
an, sagt ein früherer Chef der Zivilverwaltung, der behauptet, dass während
seiner Amtszeit sie seine Angestellten zu bestechen versuchte und ihn und seine
Familie einschüchterte, nur um mehr Land
zu nehmen. „Wer ist Barak, der Order herausgibt, die dem Gesetz Gottes widersprechen?“
Da
sich einige Siedler vom Staat zurückziehen, nähern sie sich der traditionellen
ultra-orthodoxen Haltung, die sich darum bemüht, den Staat auf Abstand zu
halten. Was sie betrifft, näherten sich die Ultra-Orthodoxen in bezug auf die Palästinenser der Position
der National-Religiösen. Umfragen ergaben, dass die ultra-orthodoxen Juden die
Wählerschaft in Israel ist, die am meisten gegen den Friedensprozess ist. In einer Umfragen im
April 2008 unterstützten 82% der säkularen Israelis die Zweistaatenlösung und
nur 36 % der ultra-orthodoxen. 28% der
ultra-orthodoxen Israelis unterstützten Verhandlungen mit der palästinensischen
Behörde, verglichen mit 69% der säkularen. „Die Ultra-Orthodoxen haben eine Wandlung durchgemacht von anti-
bis ultra-nationalistisch, unterstützen einige den säkularen Zionismus wie z.B.
den Besitz des jüdischen Landes, auch wenn sie dies gar nicht zugeben wollen,“ sagt der Koordinator der Umfragen, Tamar Hermann. Die
Schlagzeilen auf der 1. Seite der Jerusalem Post am 21. Juli 2009 beschreibt
eine Allianz der Agenden. „Siedler verbrennen Bäume, blockieren Straßen, um
gegen Zerstörungen ( von Siedlungen) zu protestieren,“
ist die eine Schlagzeile. Und darunter „Chefrabbiner Amar: „US-Politik über
Siedlungen widerspricht einem Torah-Gebot.“ Ein
ultra-orthodoxer Rabbiner, ein Aufwiegler, Shlomo Dov Wolpo, warnt vor einem
religiösen Bürgerkrieg für den Fall, dass die Regierung kapituliert und dem
US-Druck auf Siedlungsbaustopp erneuert:
„Dann wird es einen Krieg von Juden gegen Juden geben – wie beim Amona-Pogrom. Es wird nicht wie in Gush
Katif im Gazastreifen sein, wo Juden ihre Gemeinden
nicht verteidigen konnten. Unsere Kinder werden
mit ihrem letzten Blutstropfen ihr Leben riskieren.
Es
bleibt unklar, wie lange die Allianz zwischen den Ultra-orthodoxen und den
National-Religiösen halten wird, sollte Israels Führung den Willen aufbringen,
noch einen strategischen Rückzug zu beginnen. Auch wenn sie sich nicht wohl
dabei fühlten, hielten sich die ultra-orthodoxen Rabbiner während der
Gaza-Kampagne ruhig. „Sie waren mit mehr Yeshivas
gekauft worden,“ sagte ein Yeshiva-Dozent
in Immanuel, eine ultra-orthodoxe Siedlung mitten in der Westbank.
Aber
Gaza hatte keine ultra-orthodoxe Bevölkerung. In der Westbank, wo sie die größte
einzelne Siedlergruppe darstellen, haben einige ultra-orthodoxe Sekten, -
einschließlich ein paar Bratzlav- und Lubavitch-Gruppen –
eine wichtige Rolle in militärischen Rängen gespielt. Einige
haben sich den National-Religiösen angeschlossen, die die „Preisschild-Politik“ vertreten: jeder
staatliche Schritt, der die Siedlertätigkeit einschränkt, wird mit einem
Angriff auf Palästinenser -einer
leichten Beute – beantwortet. Nach der Dezember-Vertreibung von 2008 aus einem Hebroner Haus, schlossen sich ultra-orthodoxe Studenten den
Protesten an und warfen Steine auf die Palästinenser, und zündeten überall in
der Westbank Moscheen an. Während des Gaza-Disengagement verhafteten die
Behörden ultra-orthodoxe Studenten, die sich verschwört hatten, den Felsendom
mit Raketen zu beschießen.
Präzedenzfälle
senden verschiedene Signale. Seit 30 Jahren hatte der Staat jede Schlacht beim
Rückzug gewonnen, vom Sinai bis Gaza. Aber
1995 feuerte ein Jurastudent von Bar Ilan eine Kugel auf Jitzhak Rabin ab, tötete ihn und half so mit, dass der
Oslo-Prozess scheiterte. Anschließend
bekamen eine Reihe ranghoher Kommandeure und Politiker, die für den Rückzug
waren, Morddrohungen, die von Rabbinern sanktioniert waren, die behaupten, dass
jeder, der „jüdisches Land“ aufgibt, ein Verräter sei. Die Wohnung von Stabschef Ashkenasi
wurde verwüstet und Cameras
in der Wohnung eines anderen versteckt.
2008 riet ein Rabbiner in einer New Yorker Yeshiva-Universität
seinen Studenten, die ein Jerusalemer Militärkolleg in der Altstadt besuchten,
den israelischen Ministerpräsidenten zu erschießen, der über einen Rückzug aus Jerusalem verhandelt (
Nachdem ein Bericht im Internet darüber erschien, hat er sich entschuldigt) Die Gewalt
wird zunehmend ein normales
Phänomen. Am Tag, als in der New York Times ein Artikel mit der Überschrift
veröffentlicht wurde: „Siedler werden widerstehen, aber nicht kämpfen“ und den Havat Gilad-Außenposten nannte, warf die „Hügeljugend“ des
Außenpostens Molotow-Cocktails und Steine auf israelische Soldaten, machten ihr
Militärfahrzeug fahrunfähig und zündeten ein palästinensisches Feld an.
„Politische Führer, die für Konzessionen bereit sind, riskieren, ermordet zu
werden,“ sagt ein früherer Chef des allgemeinen
Sicherheitsdienstes, Israels interner Nachrichtendienst.
Die
Verantwortung abschieben
Das
Muskelspiel der Regierung innerhalb und außerhalb ( Israels),
hat die Möglichkeiten der religiösen
Rechte nur wachsen lassen. Trotz der seltenen externen
Übereinstimmung einer scheinbar entschlossenen Obama-Regierung,
einer unterstützenden palästinensischen Behörde, der arabischen
Liga und einer relativ ruhigen Hamas,
konnte kein Siedlungsbaustopp
erreicht, geschweige denn die Besatzung beendet werden.
Die
Alternative, die augenblicklichen Verderber zu
gewinnen, ist nicht verlockend. Wenige
Gruppen, - wenn überhaupt - haben so
viel getan, um den politischen Prozess zu unterbrechen oder so
offensichtlich den Willen der
internationalen Gemeinschaft zu
missachten. Es gibt keine Garantie, dass ein Sich-einlassen mit der
Siedlerbewegung sie nicht einfach weiter ermächtigen, ihnen
sogar Legitimität verleihen würde
- ohne irgend etwas im Gegenzug zurück zu
erhalten.
Aber
eine Politik, die zuerst die Besatzung zurücknimmt und die Siedlungen zuletzt,
könnte vielleicht mehr helfen als die augenblicklichen Bemühungen des
Gegenteils.
Die
palästinensischen Unterhändler haben wiederholt ihre Bereitschaft mitgeteilt,
Juden zu schützen, die unter ihrer Herrschaft bleiben wollen. „Wenn sie in
einem palästinensischen Staat leben wollen, dann sind sie willkommen, aber
unter der Bedingung, dass wir einen unabhängigen Staat haben, dessen Hauptstadt
Jerusalem ist,“ sagte Ahmad Qurei,
der Chefunterhändler des Präsidenten Mahmoud Abbas in einem Interview 2008.
Sollte die Zeit kommen, dass beide Seiten sich
über die Festlegung der Grenzen einigen, liegt die Verantwortung bei den
Siedlern: was ist ihnen mehr wert, der Staat oder das Land oder wollen sie
lieber unter palästinensischer als unter israelischer Regierung leben.
Die
Mehrheit wird wahrscheinlich nach Westen ziehen
- zum einen durch finanzielle Anreize angelockt, zum anderen wegen der
gewohnten Sicherheit. Die militanteren Siedler könnten darum kämpfen, in ihren
abgetrennten Enklaven zu bleiben. „Wenn die Armee geht, werden wir ein
Königreich errichten,“ sagt ein Rabbiner in Nahliel, eine ultra-orthodoxe Siedlung in der Nähe
Ramallahs. Andere dagegen wollen sich einem Staat Palästina anpassen. „Hier
waren immer Juden, auch vor Israel und wir werden danach hier sein. Zionismus löst sich auf; das
Judentum wächst,“ sagt der Assistent des Rabbiners,
der sich an das Gleichgewicht von Juden und Muslimen in besseren Zeiten
erinnert. „Wir haben unter Türken und Briten gelebt. Warum nicht unter
Arabern?“ sagt ein Bewohner von Bat Ayin, eine andere
kompromisslose und vor allem ultra-orthodoxe Siedlung. Während der
Verhandlungsperiode würden jene, die bleiben wollen, daran interessiert sein,
die Aussichten für bessere Beziehungen mit ihren Nachbarn und der
palästinensischen Behörde zu erforschen,
vielleicht Baugenehmigungen zu beschleunigen …Schon hier gibt es Themen, bei denen Siedler und Palästinenser
gemeinsame Sache machen könnten
z.B. die Verkehrsstaus an
militärischen Kontrollpunkten zu verringern. Nach der Errichtung eines eigenen
Staates könnten die Siedler einem palästinensischen Staat als Garant dienen
oder wenigstens als Fürsprecher für Zugang und mehr Bewegungsfreiheit über die
Grenzen aus familiären Gründen, wegen Handel und internem Tourismus, sei es zu den Heiligen Stätten oder zum Strand. Mit
den Worten eines Standbesitzers auf dem
Markt in Nablus: „Das Hauptproblem ist nicht der religiöse Jude, der an Josephs Grab (bei
Nablus) beten möchte. Es ist die
Unterdrückung der militärischen Herrschaft.“
Sollten
die Parteien wunderbarerweise zu einer Kehrtwendung kommen --- einen effektiven
Siedlungsbaustop, der eine Starthilfe für einen erfolgreichen politischen
Prozess mit dem Ergebnis von Zweistaaten
wäre, die in Frieden und Sicherheit
Seite an Seite leben, so könnte
dies wie ein Misma,
wie eine ansteckende Seuche werden. Sollte Israels Armee den Verderbern trotzen und es ihr gelingen, Siedler en masse herauszuholen, könnte die Spannung zwischen Säkularen und Religiösen neu ausbrechen, und innerhalb Israels
zusammengeschrumpften Grenzen noch intensiver werden. Einen Vorgeschmack bekam
man an Yom Kippur 2008 in Akko
als national-religiöse Juden, ehemalige Siedler, vor Rache schäumten und sich
Israels Palästinenser zum Ziel nahmen und so
eine Gewaltspirale verursachten, die
in Demonstrationen der Rechten
mit Slogans endete: „Vertreibt den arabischen Feind!“.
Es
könnte wohl zwei Staaten geben, aber sie würden wahrscheinlich eine
streng ethnisch-sektiererische Einstellung haben, die Beschwerden und Groll
nähren, sodass es irgendwann später
wieder zu Auseinandersetzungen kommen
würde.
(dt. und
geringfügig gekürzt: Ellen Rohlfs)