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Israels  nie endende Besatzung bringt

 

Tony Klug   3. März 2017  (mondoweiss, Paneel von J-Street)

Nach einem halben Jahrhundert kommen Israels Besatzungshühner (??) nach Hause, um auszuruhen:  schleichende Isolierung, wachsendes Problem für die Rechtmäßigkeit  des Staates, zunehmender Antisemitismus, immer größer werdende Anklage der Apartheid; geschweige denn über den religiösen Zelotismus und radikalen Nationalismus.

Nach dem gefeierten Militärsieg von 1967 erhob sich eine Anzahl israelischer Stimmen  in jubelnder Stimmung, um vor den Gefahren des Triumphalismus‘, der Überheblichkeit und der Selbstzufriedenheit  zu warnen. Als  Außerseiter, aber ein eng-engagierter Außenseiter erinnere ich mich noch sehr wohl daran.

Nachdem eine umfassende Periode der Untersuchung in Israel, der Westbank, Gaza, in Jordanien und dem Libanon  in den frühen 70er Jahren folgte, folgte eine  viel frühere Version von eurem wahrlich angebotenem Beobachtungen , die es in seiner unschuldigen Jugend als  selbstverständlich hielt. Ich hoffe, Ihr vergebt mir, wenn ich folgende zusammen gefasste Passage aus  meinem Pamphlet zitiere, das im Januar 1977 veröffentlicht wurde, als es damals wahrscheinlich weniger als 5000 jüdische Siedler  auf der Westbank gab , verglichen mit heute sind es  wohl 100 mal mehr.

        „Während Israel weiter über die Westbank herrscht, gibt es dort immer häufiger und immer intensivere Taten des Widerstandes einer Bevölkerung,  die  sich immer mehr von einer sich ausdehnenden jüdischen Siedlung beeinträchtigt fühlt.  Sie sehnt sich nach Unabhängigkeit wie die palästinensischen Juden in den frühen Monaten von vor 1948. Solange wie  Israel die Gebiete weiter beherrscht, wird die palästinensische Bevölkerung  sich mit zunehmender Offensive  rächen.. Der moralische Appell Israels wird  konsequent leiden und das Ausmaß internationaler Unterstützung wird weiter erodieren, wenn auch wahrscheinlich nicht in der organisierten Meinung der jüdischen Diaspora.“

Die Antwort auf diese Passage – so wurde mir von einer Gruppe wütender  israelischer Leser gesagt, ist,  dass ich keine  Ahnung hätte.

Als erstes wurde mir gesagt, dass Israel die Gebiete oder einen Teil davon bald unter arabische  Herrschaft, d.h. Jordanien, zurückgeben wolle.

Zweitens sei es nicht die Unabhängigkeit, die die Palästinenser wünschen, sondern eine  gute Regierung und das hätten sie ja jetzt  unter israelischer Herrschaft.

Drittens: gegen die Absperrung in der ersten Periode nach dem 1967er-Krieg gab es ganz wenig  palästinensischen Widerstand und es gab keinen Grund, dies zu ändern. Tatsächlich dauerte es  noch einmal zehn Jahre bis zur 1. Intifada. Die Bevölkerung erfreute sich eines Lebensstandards, wie er in keinem arabischen Land war.

Viertens: die sich ausdehnenden israelischen Siedlungen hatten angeblich wenig Einfluss auf die lokale arabische Bevölkerung und wenn sie Einfluss hatte, dann in positiver Weise, nämlich mit Arbeitsstellen.

Fünftens: die internationale Unterstützung war solide und nahm zu.

Zum Schluss: latente anti-jüdische Gefühle hat es in bestimmten Teilen der zivilen Bevölkerung leider immer gegeben. Und seine Manifestation hat nichts mit Israels Verhalten zu tun.

Trotz meiner offensichtlichen anderen Meinung bei jedem dieser Punkte,  hat sich die Zukunft (Israels)  genau  wie im Pamphlet geschildert, entwickelt. Mich machte es traurig.  Es war nicht als Voraussage gedacht. Ich war mir damals sicher, wie auch die Mehrheit der Israelis, die davon überzeugt waren, dass es für Israel zum Besten wäre, die Besatzung der Westbank und Gazas in der nächsten Zukunft aufzugeben.

Ich erwarte nicht, dass ich  nach weiteren 40 Jahren mich noch einmal zitiere werde. Da aber Leidenschaften weiter wachsen, wird es so offensichtlich sein, dass  wenn Israel die Besatzung nicht so schnell wie möglich beendet -und die organisierte jüdische Meinung in andern Ländern dies nicht  offen unterstützt -- wird tatsächlich ziemlich sicher, ein weiterer Schwall  antijüdischer Gefühle, noch unheimlichere  Impulse entfesseln.

Solch eine trostlose zukünftige Entwicklung  ist natürlich nicht zu rechtfertigen, aber es ist nicht gut zu sehen, was unter diesen Umständen vor uns liegt. 

Ich fürchte, dass Israels nie endende Besatzung des Landes und des Lebens eines anderen Volkes, nicht nur Israel ernsthaft gefährden wird -  die Verzweiflung  der Palästinenser  wird zunehmen. Sie macht auch die Situation der  Juden in aller Welt immer gefährlicher. 

Das ist auch meine persönliche Angelegenheit.  Es gibt da sogar eine tiefere persönliche Dimension, die mich bis ins Innerste meines Jüdisch-sein betrifft. Ich wurde vor kurzem  gefragt, warum ich mich  mit den Menschenrechten so befasse.  Ich arbeitetete viele Jahre für Amnesty International. Fast ohne zu denken, antwortete ich: „Die Rabbiner der  orthodoxen jüdischen Schule, In der ich war, brachten mich dahin. Darüber war der Typ, der mir die Frage stellte, sehr erstaunt..

Ich war – das muss ich eingestehen  - nicht der beste Schüler bei den jüdischen Studien.  Aber ich war  von einigen Passagen in der hebräischen Bibel, der Torah sehr berührt.

Passagen wie „Gerechtigkeit, Gerechtigkeit sollst du anstreben“ Deuteronomium: Warum wiederholt er das Wort „Gerechtigkeit“? fragte der Weise. War es ein Druckfehler. Oder war der Schreiber ein Stotterer?

Die Antwort: Gerechtigkeit muss  praktiziert werden, man muss nicht nur für Gerechtigkeit sein --Sie muss auch das Mittel/ der Weg sein.  Erstaunlich.

„Lasst mein Volk gehen!“ (Exodus) Eine Bitte um Freiheit, die viele Generationen  von unterdrückten Völkern, meist  afrikanisch-amerikanische Sklaven inspiriert hat.

„Suche den Frieden und folge ihm nach! „(Psalm)

„Liebe deinen Nächsten, wie Dich selbst“ Leviticus

„Liebe den Fremden“ – das wird 36 mal befohlen, wurde mir gesagt.

Der legendäre Rabbi Hillel hat die ganze Torah zusammengefasst, dass man sie auf einem Bein stehend sagen kann: „Was du nicht willst, dass man dir tu – das füg auch keinem andern zu!“  Alles andere ist Kommentar. Und danach setzte er auch den andern Fuß auf den Boden.

Dies  ehrte die jüdischen Ideale: Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, Frieden  und gegenseitige  Achtung – dies war für  die menschliche Zivilisation ein großer Beitrag und gehört zur jüdischen Identität. Dies ist das, was Juden verschiedener Ansichten und in vielen verschiedenen Ländern zusammenbindet.

Juden haben diese Werte  historisch lange für sich und andere genützt und dies erklärt auch, warum  Juden sich in unverhältnismäßiger Weise besonders aktiv für die zivilen Rechte einsetzen.

Doch  kommen  wir in eine neue Epoche. Die augenblickliche israelische Regierung  hat buchstäblich das Dach dieses Heiligtums in die Luft gesprengt. Wir stehen der Realität eines Staates gegenüber, der sich selbst laut und  offen  als „jüdisch“ bezeichnet und von andern verlangt, dass sie ihn als jüdischen Staat anerkennen. Aber selbst die fundamentalen Menschenrechte  Millionen von Menschen  unbegrenzt vorenthalten. Das ist ein Standpunkt, der  in voller Missachtung zu den (eigenen) jüdischen Prinzipien steht.

Tatsächlich mag man fragen, würde solch eine offensichtlich ungerechte  Politik von den selbst ernannten Wächtern der jüdischen Werte, wenn sie von einem anderen Lande  beschlossen wird?

Natürlich schadet Israel seinem eigenen Ruf , genau wie die Politik  der augenblicklichen  US-Regierung,  die die Idee und das Bild Amerikas zerstört, so verdreht die israelische Regierung  die Idee Israel,  die in seiner Unabhängigkeitserklärung  festgelegt wurde.

Was muss also getan werden?

Beginnen wir mit den Unterstützern Israels; sie könnten offen  für das Land stehen, aber nicht die Besatzung  unterstützen. Sie könnten z.B. einen Slogan annehmen: „Liebe Israel, hasse die Besatzung.“

Und es ist wichtig, nicht davor zurückzuschrecken, den Terminus „Besatzung“ zu benützen. Die Sprache zu verlieren  ist der 1. Schritt, das Argument. Es liegt nicht nur an der wörtlichen Unterscheidung. In all unserer praktischen  Beziehungen und Handlungen müssen wir zwischen Israel selbst und  den besetzten Gebieten unterscheiden, einschließlich des ganzen  selbstmörderischen Siedlungsprojektes. Dies war die eindeutige Botschaft der Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrates  im letzten Dezember. Während explizit Israels Legitimität  innerhalb der Grenzen von vor 1967 bestätigt werden, lehnt die Resolution jede Veränderung ab. Dass seine engsten Verbündeten selbst nach 50 Jahren  zu seinen Gunsten  stimmten und sein Hauptverbündeter keinen Einspruch äußerte, war ein schwerer politischer und  psychologischer  Schlag  für die israelische Regierung. Sie dachte, sie wäre damit durchgekommen – aber das war nicht der Fall.

Vom Beginn der Besatzung an haben alle folgenden Regierungen die Genfer Konvention ihren Zwecken angepasst. Wenn sie  Land  enteignet und Siedlungen darauf gebaut haben, leugneten sie ihre Rolle im Gesetz  einer Besatzung und fühlten sich an die Genfer Konvention gebunden. Aber indem die palästinensischen Bewohner der Westbank nicht die gleichen Rechte haben,  schirmten sie sich gegen die Verbote der Konvention ab, etwas vom politischen und rechtlichen Status  des besetzten Volkes zu verändern. Diese kalkulierte  Doppeldeutigkeit ist ein israelischer Bluff, dass es an der Zeit ist, es so zu nennen. Entweder ist es eine Besatzung oder es ist keine.

Um die jüdischen Werte zu reklamieren und das jüdische Ansehen wieder herzustellen, müssen wir unseren  jüdischen Freunden die Notwendigkeit einprägen, die Besatzung ohne weitere Verzögerung und Vorwand zu beenden   und mit den Palästinensern ihren eigenen Staat aufzubauen  oder nach einem  bevorstehenden, zukünftigen  End-Abkommen – egal wie es sein wird – jedem der unter der israelischen Rechtshoheit lebt, die gleichen Rechte  zugewähren.

(( hier gab es  bei der Veranstaltung mit J-Street großen Beifall)

Wir können beides  akzeptieren. Aber  ob als  Jude oder als  Menschenrechtsanhänger können wir  eventuell auch nicht akzeptieren: Der Status –quo kann nicht länger ungleich, ungerecht, un-jüdisch-diskriminierend ertragen werden. Es ist unser Recht, ja unsere Pflicht, darauf zu bestehen, dass  die gleiche Behandlung  durchgesetzt wird.

Dieser Vorschlag geht auf eine originelle Idee des palästinensisch amerikanischen Denkers, Sam Bahour zurück, mit dem ich vor drei Jahren diese Idee als Teil eines breiteren politischen Vorschlags für die internationale Gemeinschaft entwickelte. Diese Idee wurde im Wesentlichen auch schon  von Tikkun und der Palestinian Strategy Group übernommen, mit denen ich  zusammenarbeite ….

Um eindeutig zu sein, dies ist kein Vorschlag für einen Staat, der sehr wenig authentische Unterstützung hat. Er ist der Situation der Schotten innerhalb des Vereinten Königreiches ähnlicher, die  sich der gleichen Rechte erfreuen, bis eine mögliche Zukunft eine Zwei-Staatenlösung beschlossen wird. Warum sollte es für die Palästinenser anders sein.

Indem diese scharfe Alternative gesetzt wird – Palästina anerkennen ,oder die gleichen Rechte gewähren – hofft man, dass eine  rigorose Debatte innerhalb Israels geführt wird und eine neue politische Strömung ausgelöst wird, die die Zwei-Staatenlösung auf die Spitze der politischen Agenda gesetzt wird, bevor es zu spät ist. Wenn alles gesagt und getan ist, dass das Wesentliche  ist, dass der Palästina-Konflikt beherrschte und deformierte zu lange die jüdische Welt.

Es ist wirklich Zeit, dies zu einem Ende zu bringen und die Schande eines halben Jahrhundert militärischer  Besatzung eines anderen Volkes zu beenden und uns erlaubt, zu unsern Geschäften und zu uns selbst zurückzukehren.  (dt. gek. E. Rohlfs