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Hass in Silwan

Die  anti-arabischen Gefühle auf den Straßen des Jerusalemer Stadtteils schockieren

 

Meron Rapaport, Guardian.co.uk, 31.August 2009

 

Es ist glühend heiß, aber über dem mit Steinen gefliesten Weg, der aus Silvans Zentrum kommt, ist es angenehm. Vielleicht ist es die Briese oder die Kühle, die von den Steinhäusern ausgeht oder auch die offene Berglandschaft, die sich vor uns ausbreitet.  Wir sind zu dritt – Ilan der Direktor, Michael, der Kameramann und ich der Interviewer. Wir drehen einen Film über die eklatante, institutionelle Diskriminierung der Bewohner dieses palästinensischen Ost-Jerusalemer Stadtteils: die Behörden begünstigen die jüdischen Siedler, die ihren Wunsch, den Stadtteil zu judaisieren und seinen palästinensischen Charakter verschwinden lassen wollen,  nicht verbergen.

 

Noch bevor wir das Filmgerät richtig hinstellen können, kommt eine Gruppe netter jüdisch orthodoxer Mädchen in knöchellangen Röcken zwischen acht und zehn Jahre alt den Weg herauf. Sie schwatzen sorglos. Eine von ihnen kommt langsam auf uns zu und bittet uns, sie zu filmen. Was würdest du uns gerne sagen, fragen wir. Ich möchte sagen, dass Jerusalem uns Juden gehört, sagt sie beim Weitergehen. „Schade, dass hier auch Araber leben. Der Messias wird erst kommen, wenn kein einziger Araber mehr hier wohnt“  und ging mit ihren kichernden Freundinnen weiter.

Zwei Minuten später kommt ein gut aussehender junger Mann mit einer Waffe und Funkgerät, doch ohne Uniform oder irgendein  Kennzeichen auf seiner Kleidung. Noch bevor er seinen Mund öffnet, ist mir klar, dass er einer der Sicherheitsleute ist, ein Angestellter der privaten Sicherheitsfirma, die mit den Siedlern zusammenarbeitet, aber vom Wohnungsministerium mit einem jährlichen Budget von 40 Mill. Shekel gesponsert wird. Diese Sicherheitsgesellschaft ist seit langem  zu einer privaten Miliz geworden, die den ganzen Stadtteil kontrolliert und die palästinensischen Bewohner  ohne jede rechtliche Grundlage einschüchtert. Ein Komitee war  vom Wohnungsminister aufgestellt worden, der entschied, dass dieses Abkommen ( mit der privaten Miliz) beendet werden müsse, und die Sicherheit der palästinensischen wie jüdischen Bewohner von der israelischen nationalen Polizei übernommen werden müsse. Die Regierung unterstützte die Beschlüsse des Komitees 2006, nahm sie aber 6 Monate  unter dem Druck der Siedler später wieder zurück. Die private Sicherheitsgesellschaft arbeitete weiter.

 

„Was tut ihr hier?“ fragte uns der Kerl. „Und was tust du hier“ fragte ich zurück. „Ich bin ein Wächter hier. Und nun sag mir, was ihr hier macht“, sagte er mit wachsender Wut. „Das geht dich nichts an“, antwortete ich. „Wie heißt du?“  fragt er. „Und wie heißt du?“ erwidere ich. „Das ist unwichtig, ich bin ein Wächter“. „Also spielt mein Name  auch keine Rolle“, sage ich. Der Sicherheitskerl wird sichtlich verärgert und versucht per  Funkgerät mit jemandem Kontakt aufzunehmen. Wenn wir Palästinenser gewesen wären, dann hätten wir die Straße  sofort räumen müssen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Aber wir sind hebräisch sprechende Israelis. Das ist ein Problem. Das Zentrum mit dem sich der Kerl per Funkgerät unterhielt, erklärte ihm anscheinend, dass wir uns auf öffentlichem Grund und Boden befinden und dass man da wenig tun könne. Er stellt sich mit seiner Waffe in unsere Nähe und  begleitet uns .

Wir gingen dann weiter. Wenige Minuten später kamen zwei Teenagers, etwa 17 und 18 Jahre alt den Weg entlang. Sie waren nicht orthodox und  sie gehörten nicht zu den Bewohnern hier. Die eine hielt vor der Kamera. „Filme mich,“ bat sie. „Möchtest du interviewt werden“, fragten wir. Sie bejahte es. Sie kommt aus Gan Yavne und wollte Jerusalem, die Stadt Davids, besuchen. „Warum hier?“ fragten wir,  „weil dies hier der Ort ist, wo David lebte. Das ist ein sehr wichtiger Ort für  das jüdische Volk. Es ist eine Schande, dass hier Araber leben, wirklich. Aber bald werden  alle Araber tot sein – so Gott will – und das ganze Jerusalem wird uns gehören“. Dann ging sie weiter.

Zwei Minuten später kam eine  ultra-orthodoxe jüdische Familie. Der Ehemann, ganz in schwarz, fragte Ilan: „Sag, wohnen in diesem Stadtteil Juden und Araber?“ „Ja beide, Palästinenser und Juden, aber die meisten Bewohner sind Palästinenser,“ antwortete Ilan.

„Das ist nur vorübergehend,“ versicherte ihm der ultra-orthodoxe Mann, „ ziemlich bald wird hier kein einziger Araber mehr sein.“

Ich wechselte einen Blick mit Ilan und Michael. Wir waren kaum 15 Minuten hier gewesen und hatten niemanden nach seinen Gefühlen gegenüber Arabern gefragt oder nach der Zukunft Jerusalems. Wir standen nur eine kurze Zeit auf der Straße und schon überflutete uns der Hass wie ein Fluss, der  frei und natürlich zum Meer drängt.

„Was denkst du Ilan, werden wir noch jemandem begegnen, der etwas Positives sagen wird, etwas Menschliches, etwas Freundliches über Menschen?“ „Vergiss das Menschliche“, erwiderte Ilan, „vielleicht begegnen wir noch jemandem, der sich damit zufrieden gibt, etwas Gutes über die klare Luft Jerusalems zu sagen.“

Silwan. Merk dir den Namen! Seine Gewalttätigkeit wird bald die von Hebron in den Schatten stellen.

 

Dieser Artikel war ursprünglich auf Hebräisch im israelischen Blog Haokets veröffentlicht.

www.guardian.co.uk/commentisfree/2009/aug/31/silwan-jerusalem-hate/print

Ins Englische übersetzt Dimi Reider. (dt. Ellen Rohlfs)