Carl
Hoffman, Jerusalem Post, 4. Sept. 2008
Entweder
wird man diese Gruppe lieben oder hassen – je nachdem, wo man im
augenblicklichen politischen Spektrum Israels steht. Da gibt es keinen Standpunkt
dazwischen. Wenn man durch die Linsen unserer politischen hyper-polarisierten
Gesellschaft schaut, wird man diese Organisation entweder als Leuchtfeuer
bewundern , das den Weg zu einem besseren Israel zeigt, oder man wird sie als gefährliche Bedrohung der Existenz Israels
verabscheuen.
Die
Organisation nennt sich New Profile – eine Bewegung für die Zivilisierung der
israelischen Gesellschaft . Gegründet wurde sie vor 10 Jahren als feministische Organisation, um - wie sie es sah – die Über-Militarisierung
Israels zu bekämpfen. New Profile’s erstes Ziel war es, dem
Pflichtmilitärdienst ein Ende zu setzen, den Militärdienstverweigerern im
Gefängnis zu helfen und die Verweigerer aus Gewissensgründen in jeder Weise über Arten des Widerstandes
zu beraten, auch die Abiturienten, bevor
sie den Einzugsbefehl zum Militär erhalten,
den Widerstand gegen Israels Besatzung der Westbank befürworten und ein
Erziehungsprogramm entwickeln, um das öffentliche Bewusstsein - wie die Gruppe glaubt – auf die Überbetonung
der militärischen Themen in der israelischen Gesellschaft und Kultur zu lenken.
Ein solches Programm ist eine tragbare Ausstellung von Photographien : „Sie
werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg
zu führen!“
In der
Satzung der Gruppe heißt es: „Wir, eine Gruppe feministischer Frauen und Männer
sind davon überzeugt, dass wir heute nicht in einem Soldatenstaat leben müssen.
Israel ist in der Lage, eine
entschlossene Friedenspolitik zu führen. Es braucht keine militarisierte
Gesellschaft. Wie sind davon überzeugt, dass wir selbst, unsere Kinder und
unsere Partner nicht auf ewig
mobilisiert sein müssen und nicht weiter
als Krieger leben müssen. Wir wollen nicht weiter mobilisiert werden, unsere
Kinder nicht für eine Mobilisierung
erziehen, und nicht mobilisierte
Partner, Brüder, Väter unterstützen, während die für das Land Verantwortlichen
weiter die Armee leichtsinnig einsetzen, statt andere Lösungen zu entwickeln.
Wir sind gegen die Anwendung militärischer Mittel, um Israels Herrschaft
jenseits der Grünen Linie ( Grenze von 1949) durchzusetzen. Wir sind gegen die
Anwendung der Armee, Polizei, der Sicherheitskräfte bei der anhaltenden
Besatzung und Diskriminierung der palästinensischen Bürger Israels, während
ihre Häuser zerstört werden, das Bauen und die Rechte der Entwicklung
verweigert und bei der Auflösung von Demonstrationen Gewalt angewendet wird.
Anders
als andere israelische Nicht-Profit-Organisationen erhält New Profile wenig von seinem Einkommen aus privaten
Spenden. New Profiles finanzielle Mittel kommen hauptsächlich von
internationalen christlichen Organisationen wie den Quäkern (England) und von
„Brot für die Welt“ (USA). New Profile arbeitet zusammen mit anderen Gruppen,
mit den Frauen in Schwarz und in Verbindung mit dem „Israelischen Komitee gegen
Hauszerstörung“ (ICAHD, Jeff Halper) . Mit dem
„Israelischen Forum für die Förderung einer gleichen Belastung der
militärischen Bürde“ liegt New Profile oft im Streit. Der letzte schwere
Streitpunkt war die kürzliche
Gefangenschaft von Udi Nir, 18, aus Herzlia, der am 21. August auf Befehl
verhaftet wurde, weil er sich weigerte, bei der IDF zu dienen. Nir ist einer
aus der Gruppe von Gymnasiasten, die vor kurzem eine gemeinsame Erklärung der
Dienstverweigerung unterschrieben hatten.
Die Gruppe,
die sich selbst „Verweigerer-Brief 2008 – Ablehnung der Besatzung“ nennt und
eine Internetseite hat www.facebook.com . Ihre Mitglieder werden auf der Website von NP als Helden des
Gewissens charakterisiert. Nir und seine
Gruppe provozierte jedoch die folgenden
zornigen Kommentare von Shivyon Sprecher Zohara Berger-Tzur, die in der
Jerusalem Post am 22. August veröffentlicht wurden: „ Die Situation ist absurd.
Plötzlich hat da jemand einen Grund, um nicht zu dienen – die Haredim haben
ihre Gründe, warum sie nicht dienen, und die Pazifisten haben ihre Gründe,
warum sie nicht dienen können. Es ist Demagogie – das ist es. Da gibt es noch
immer welche, die mit Stolz dienen, aber da gibt es andere, die sich nur um
sich selbst Sorgen machen. Wenn wir nachlassen, haben wir bald nichts mehr zu
verteidigen.
New
Profile, das behauptet, ca. 2000
Unterstützer zu haben, und von 40-60 aktiven Freiwilligen geführt wird,
operiert in einem ‚feministischen, nicht hierarchischen System. Die Gruppe ist dementsprechend stolz darauf,
dass sie keine Leiterin hat, keinen der irgend eine offizielle Position inne
hat, keine festgesetzte Arbeitsteilung oder gar ein Büro. Die New
Profile-Mitglieder arbeiten von ihrer
eigenen Wohnung aus für die Gruppe.
Die
Organisation hat auch keine offizielle Sprecherin, aber Dr. Diana Dolev,
eine Mitgründerin und prominente Persönlichkeit innerhalb der Gruppe, ist damit
einverstanden, mit Metro (Jerusalem Post) über New Profiles (NP)
allgemeine Ideologie und ihre
Aktivitäten zu sprechen. Dolev, eine Israelin in der 5. Generation ( oder mehr
– sagt sie) hat in Geschichte und Theorie der Architektur
promoviert und lehrt am Holon-Institut für Technologie. Sie ist vor allem mit
dem Bildungsprogramm von New Profile beschäftigt.
Wenn
ich Sie richtig verstehe, ist New Profile’s grundlegende Position die , dass
Israel eine zu sehr militarisierte
Gesellschaft ist.
Ich habe
in einigen hoch militarisierten Ländern wie Indonesien unter General Suharto
gelebt als die Armee das Land regiert und jeder
von irgend welcher Bedeutung ein aktiv dienender General war. Wenige Leute schauen auf Israel und sehen
hier etwas Ähnliches. Wenn die Leute es nicht sehen, dann deshalb, weil sie es
nicht sehen wollen. Es gibt hier den Trick, dass die Grenzen zwischen Zivil und
Militär verwischt werden. Man sieht hier also keine Soldaten in Formation
marschieren. Das gibt es bei uns nicht. Wir machen diese Art von Militarismus
lächerlich. Unsere Soldaten sind keine ordentlichen Soldaten. Sie sind sehr
schlampig, was den Eindruck erweckt , dass sie halb Soldaten, halb Zivilisten
sind … Nicht ein soldatischer Soldat. Aber ich denke, dies ist eine Art
Tarnung. Ich denke, dieses Image trägt in einer verborgeneren Weise zu
militaristischen Ideen bei, die so, ohne dass man es bemerkt, in die zivile
Gesellschaft eindringen.
Zum
Beispiel eine Menge Werbereklame, wie Bilder eines Soldaten mit seiner Mutter
oder ein Soldat mit seiner Freundin. Wir zeigen Beispiele davon in unsern
Ausstellungen. Oder z.B. Leute aus dem Show-Geschäft posieren auf dem Cover
einer Zeitschrift und salutieren. Sie sind Zivilisten – warum sollen sie
salutieren? Welche Idee steckt dahinter? Und heute kann man bei allen
politischen Krisen sehen, wie Zipi Livni angegriffen wird, sie eigne sich nicht
zur Ministerpräsidentin, weil sie keine Erfahrung hat, eine Nation in den Krieg
zu führen. Die Leute hinterfragen diese Idee nicht einmal. Wenn man kein
General oder ein Ex-General ist, dann sei man für den Posten des
Ministerpräsidenten ungeeignet.
Aber
hängt nicht die kulturelle Bedeutung des Militärs von der eindeutigen Tatsache
ab, dass wir eine böse Nachbarschaft mit gefährlichen Feinden haben und unter Bedrohungen leben.?
Das ist
die allgemeine Einstellung. Wir zitieren jedoch aus einem Buch von Motti
Golani, einem Professor an der Universität Haifa „Kriege geschehen nicht
zufällig“. Obwohl er aus einer sehr militaristischen Familie kommt, hat er alle
unsere Kriege analysiert, und er sagt, es stimme nicht, dass alle Kriege von
unsern Nachbarn verursacht wurden. Wir sind aktiv an ihnen beteiligt; wir
müssen nicht alles automatisch glauben, was uns unsere Führer sagen. Wir müssen
etwas tiefer schauen. Dann erkennen wir, dass unsere Führer aus verschiedenen
Gründen Krieg wollten, oder sie waren unfähig, über Konfliktlösung anders zu
denken, als sie mit Kriegen und der
Gewalt unserer Armee zu lösen.
Und
Sie meinen, dass einige unserer Kriege unnötig gewesen wären?
Die
letzten Kriege - natürlich. Das ist keine Frage. Alle unsere Kriege gegen den
Libanon hätte man vermeiden können. Aber wir können noch weiter zurückgehen zu
anderen Kriegen, über die es einen positiven Konsens gibt. Dr. Golani sagt,
auch sie hätten vermieden werden können. Aber wenn man die Zeitungen liest
– vermutlich auch die Ihre (Jerusalem
Post) - dann ist der Diskurs immer in
militaristischen Termini. Wir denken, dass wir die Einstellung der Leute ändern
können, wenn dieser Diskurs sich ändert. Und dann werden die Menschen nach
anderen Lösungen suchen.
Glauben
Sie wirklich, dass es von uns abhängt, ob wir Krieg oder Frieden haben?
Die Leute
sagen weiter: ‚das hängt nicht von uns ab. Wir haben böse Nachbarn’. Aber wir
haben Frieden mit Ägypten, wir haben Frieden mit Jordanien. Der Libanon hat nie
einen Krieg mit Israel angefangen und Syrien tut sein Bestes, Israel nicht
anzugreifen. Worüber reden wir also? Über den Iran? (Sie lacht)
Was
ist Ihrer Meinung nach die beste Alternative?
Die
Alternative ist natürlich Diplomatie. Aber das Problem ist sehr kompliziert,
weil der Militarismus hier sehr tief verwurzelt ist. Wir müssten eine Art und
Weise finden, mit der wir unsere Nachbarn betrachten. Wenn einer unserer Führer
es unterlassen würde, über arabische Führer in herablassender Weise zu reden,
dann würde er nicht der Art entsprechen, die wir von einem starken Führer für
Israel erwarten. Die Leute würden denken,
er sei schwach . Es geht immer darum, stark zu sein. Aber meiner Meinung
nach geht es nicht darum, seine Muskeln zu zeigen. Stark zu sein, bedeutet
auch, höflich zu sein, Mitleid zu haben, über den anderen Führer als einem
gleichberechtigten zu sprechen oder jemand, von dem man lernen und mit dem man einen Dialog führen kann. Israelische Verantwortliche
haben dies nie getan.
Nie?
Niemals? Wirklich nicht?
Ich
denke, es hängt mit Mehrerem zusammen … wir sehen uns immer als Opfer und
denken, die ganze Welt sei gegen uns,
wir seien auch ständig unter
Existenzbedrohung. All dies wurde zu oft gesagt und geschrieben und hat so
mitgeholfen, unsere Militarisierung aufzubauen.
Aber
was ist mit den Existenzbedrohungen? Was mit Hisbollah oder Hamas?
Nun, Hamas ist eine schwierige Frage, weil wir
wahrscheinlich zu weit gingen, die palästinensische Gesellschaft in den
besetzten Gebieten zu unterwandern. Israel hat die Hamas geschaffen. Wir haben
die Hamas mit dem Hintergedanken
aufgebaut: wenn wir die Palästinenser dahin bringen, sich gegenseitig zu
bekämpfen, dann gewinnen wir. Wenn sie sich gegenseitig umbringen, dann
gewinnen wir. Diese Strategie ist völlig daneben gegangen. Sie verfehlte ihr
Ziel im Libanon, und wir haben einen hohen Preis dafür gezahlt. Dasselbe gilt
für die Palästinenser. Ich denke, Israel sollte sie einfach alleine lassen. Wir
sollten sie alleine lassen, ihnen eine Wiedergutmachung zahlen für das, was wir
ihnen für so viele Jahre Besatzung
schuldig sind – damit sie weiterleben können.
Wir
können die Palästinenser in Ruhe lassen – aber werden sie uns in Ruhe lassen?
Der
Versuch lohnt sich. Bis jetzt haben die militärischen Kräfte, die wir gegen sie
gebraucht haben, weder Frieden noch Ruhe gebracht und kein Ende der Gefahren.
Also sollten wir es versuchen. Vielleicht werden sie so eifrig damit
beschäftigt sein, ihr Leben zu organisieren, und so überwältigt sein, dass die
Kinder ( endlich) ohne Probleme zur Schule gehen können und dass sie Geschäfte
machen können, frei umherfahren können
ohne Demütigung an den Checkpoints – wer weiß?
Wie
groß muss – Ihrer Meinung nach - eine Armee für Israel sein?
Ich
zitiere selten Ehud Barak. Aber jetzt tu ich es. Er sagte, dass Israel eine
kleine und intelligente Armee braucht. Als wir uns selbst „New Profile für
Israel “ nannten, nahmen wir Bezug auf
beides auf die zentrale Bedeutung des militärischen
Einberufungs-„Profils“ , das jeder Jugendliche begreift, wenn er zur Armee geht
– und auf die Veränderung von Israels
zivilem Profil. Wir denken, dass dies verändert werden muss, damit das
militärische Profil nicht mehr so im Mittelpunkt steht, sondern an den Rand
der israelischen Gesellschaft gedrängt
wird, in ein ziviles Profil.
Wenn
der Militärdienst nicht mehr für alle
jungen Israelis zur Pflicht wird, besteht dann nicht die Gefahr, dass nur noch
die Armen und Benachteiligten tatsächlich Militärdienst machen, während die
Kinder der besser situierten Familien Wege finden, den Militärdienst zu
umgehen?
Zunächst
mal ist es ein Mythos, dass alle in der Armee dienen. Das ist eine Idee, die
geschaffen wurde, um den Leuten das Gefühl zu geben, dass dies etwas sehr
Israelisches sei, und wenn man nicht in die Armee geht, ist man kein wirklicher
Israeli -- und lauter solchen Quatsch. Die Wahrheit ist die, dass nur 56% der
in Frage kommenden in der Armee Dienst tun. Das schließt die Haredim und die
Araber ein. Es schließt auch solche mit ein, die ihren Militärdienst begonnen
haben, die die Armee aber nicht wünscht – vielleicht weil sie sich nicht
genügend einsetzen … Auch Leute, die die
Armee nicht für geeignet findet. Auch Leute im Staatsdienst.
Zweitens
, die Armee dient dazu, ein Klassensystem in Israel zu schaffen. Zusätzlich zum
physischen ‚Profil’ erhalten die Jugendlichen, wenn sie zur Armee gehen, noch
eine andere Klassifizierung, die mit dem Familienstatus zusammenhängt –
Einkommen, Ausbildung usw. Jugendliche aus Elitefamilien gehen - falls sie
überhaupt zur Armee gehen - in
Eliteeinheiten. Sie werden Piloten. Dies ist ein Prestige in der Armee und danach
… auf der andern Seite, müssen Äthiopier z.B. an die Kontrollpunkte gehen. Der
Mythos, dass bei der Armee alle Schichten und Gruppierungen zusammen arbeiten,
stimmt nicht. Besonders was die Frauen betrifft. Die Armee ist einer der
Apparate in Israel, in dem die Frauen marginalisiert werden, Gefahren
ausgesetzt sind, um schikaniert und sexuell missbraucht zu werden. Die Männer
nehmen dann diese Haltung mit ins zivile Leben. Die Armee ist also für Frauen ein sehr schlechter Platz – und 51
% der israelischen Gesellschaft sind Frauen.
Nein, es
ist zufällig so. Wir sind eine feministische Organisation, aber wir haben auch
männliche Mitglieder und gemischte Jugendgruppen. Vielleicht liegt es daran,
dass wir eine feministische Gruppe sind, dass wir mehr Frauen haben, aber nach
meinen langen Erfahrungen in der Friedensarbeit in Israel sind es vor allem
Frauen, die in Friedensorganisationen aktiv sind.
Wie
denkt New Profile über Israels nicht militärischen Pflichtdienst im nationalen
Dienst?
Wir haben
dazu keine einstimmige Meinung oder etwas, das man als eine Position von New
Profile ansehen könnte. Es ist ein
komplexes Thema für uns. Einige von uns machten den Zivildienst. Einige machten
diesen Dienst bei politischen Organisationen wie den Ärzten für Menschenrechten
(PHR) und das schien für sie ok zu sein. Im Großen und Ganzen denken wir, dass
die Leute dahin erzogen werden sollten, dass sie viele Jahre lang in der Gesellschaft
einen Dienst tun – nicht nur für ein, zwei oder drei Jahre. Wir haben auch das
Gefühl, dass im Falle des nationalen Dienstes der Staat zu sehr in das Leben
der Menschen eingreift. Und in einem Staat, in dem man Schwierigkeiten hat,
einen Arbeitsplatz zu finden , ist es vom Staat nicht richtig, ‚freiwillige
Arbeit“ von jungen Leute, die gerade aus
der Schule entlassen wurden, zu finanzieren,
eine Arbeit, die ganz und gar nicht freiwillig ist, und gleichzeitig
jemandem einen dringend benötigten
Arbeitsplatz wegnimmt. Und außerdem haben wir das Gefühl, dass der nationale
Dienst auch zu einem Apparat wird, der die Bürger in erste- und
zweite-Klasse-Bürger teilt – je nach dem, ob sie ihren Dienst tun oder nicht.
Dagegen haben wir etwas.
Gibt es
Umstände, von denen Sie denken, dass ein Krieg gerechtfertigt oder gar
notwendig ist?
Oh ja.
Ich bin kein Pazifist. Viele in New Profile sind keine Pazifisten. Ich glaube ,
dass es solche Umstände gibt. Ich erinnere mich, dass ich bei einer
internationalen Konferenz der Frauen in Schwarz einer ihrer Vertreterinnen
begegnet bin. Ich glaube, sie kam aus den USA. Wir sagten ihr, wie für uns das
Bild eines Panzers ein sichtbares
Zeichen des Krieges ist und zeigten, wie militarisiert wir sind. Sie
aber sagte: ‚Wisst ihr, für mich ist das Bild eines Panzers das der Rettung’.
Sie war als Kind während des 2. Weltkrieges in Deutschland. Sie hatten sich in
einem Keller versteckt und blieben so lange dort, bis sie merkten, dass sie von
US-Panzern umgeben waren. Für sie war der Panzer ein Symbol der Rettung, ja
lebensrettend. Ich bin also sicher, dass es Umstände gibt, in der ein Krieg
gerechtfertig ist. Was wir zu sagen versuchen, ist, dass unsere Führer nicht
alle Möglichkeiten ausschöpfen, bevor sie sich für einen Krieg. entscheiden.
Ein
Paradies. Ein Land, das freundliche Beziehungen zu seinen Nachbarn hat. Einen
Staat, der gegenüber all seinen Bürgern gerechter ist, eine echte
pluralistische Gesellschaft. Ein Land, das weiß, dass man nicht immer stark
sein muss; wo wirkliche Stärke darin besteht, dass es sich für Leute einsetzt, die geschwächt
worden sind. Wir sind eine sehr
gewalttätige Gesellschaft. New Profile ist dabei, die Gesellschaft kritisch
anzusehen – nicht durch eine nationalistische Brille, sondern uns selbst in
einer hoch militarisierten Gesellschaft, um herauszufinden, wie unsere
Mentalität beeinflusst worden ist. Wir wollen
den Leuten die Augen öffnen.
Obwohl
New Profile eine Menge Energie und Ressourcen in Bildungsprogramme steckt wie
Trainings-Workshops und Wanderausstellungen, so liegt die Hauptaufgabe darin,
jungen Leuten zu helfen, den Militärdienst zu umgehen. NP macht dies auf
zweierlei Weise: in dem es Jugendgruppen organisiert, wo Möglichkeiten und
Alternativen zum Armeedienst dargestellt und diskutiert werden, und durch die
Unterhaltung von Beratern, die den einzelnen Jugendlichen beistehen, die sich
entschieden haben, keinen Militärdienst zu machen.
Lothan
Raz, 27, ist ein
Mitbegründer und Koordinator für NPs
Jugendgruppenprogramm.
Auch wenn
Lothan Raz von seinen Eltern ein makelloses Amerikanisch übernommen hat, so wurde er in Israel geboren und hat sein
ganzes Leben hier verbracht. Er war ein Verweigerer aus Gewissensgründen und
war deshalb 1999 zwei Monate lang im Gefängnis, weil er sich weigerte, zur
Armee zu gehen.
Es ist
das Ziel, jungen Leuten einen Raum zu
schaffen, in dem sie offen über alles, was mit dem Militärdienst zu tun hat,
denken, reden und diskutieren können. Es geht um einen Raum, in dem Fragen
gestellt und Gedanken gedacht werden können, die sonst nicht gedacht und
diskutiert werden können. Es gibt sonst in der israelischen Gesellschaft keinen
Platz für junge Leute, wo sie über den Militärdienst reden können. Und die
Tatsache, dass der Militärdienst den jungen Leuten einfach zum Schlucken
hingeworfen wird, ohne dass sie den Raum haben, Fragen dazu zu stellen, ist undemokratisch
und sehr problematisch. Man muss den jungen Leuten den Raum zum Fragen und
Nachdenken geben. Das ist die Idee hinter NP. Es ist nicht unsere Absicht, den
Leuten zu sagen, was sie tun sollen; es geht uns nur darum, den Raum zu
schaffen, über diese Dinge zu reden.
Meistens
kommen die Leute zu uns. Wir erhalten ein Menge Emails von jungen Leuten aus
dem ganzen Land, wo sie nach einem Ort fragen, an dem man mit einander reden
könne. Wenn wir eine Jugendgruppe eröffnen, gehen wir und schauen nach jungen Leuten, von denen wir
wissen, sie sind an diesem Gespräch interessiert. Wie jede andere Jugendgruppe,
so schauen auch wir nach Orten, wo junge
Leute an dem interessiert sind, was wir anbieten. Im Augenblick haben wir
Gruppen in Jerusalem, Beersheba, Haifa und Tel Aviv …wir werden nächstens eine
im Sharon eröffnen. Und letztes Jahr
hatten wir eine in Rehovot und noch eine in Pardes Hanna. Und wir sind dabei,
eine in Galiläa zu eröffnen.
Beratet
Ihr die Jugendlichen über die
Einberufung in diesen Gruppen?
Nein. Das
wird innerhalb des Beratungsnetzwerkes getan…Der Zweck des Beratungsnetzwerkes
ist es, den einzelnen durch den Prozess des Widerstandes gegen die Einberufung
zu begleiten. Wir geben den Leuten Informationen, die sie woanders nicht
bekommen – welche Möglichkeiten gibt es, wie verweigert man?
Die
wichtigste ist die politische; man geht den Weg des Verweigerers aus
Gewissengründen vor das ‚Regierungskomitee für Verweigerer aus
Gewissensgründen’ und endet – wie ich – im Gefängnis und erhält dann vielleicht
den Status „fürs Militär ungeeignet“.
Und dann gibt es Ausnahmen aus medizinischen Gründen, aus psychischen
Gründen oder …
Wie
weit geht NP tatsächlich bei der
Beratung - sagen wir mal - bei medizinischen Ausnahmen? Würden Sie einer
gesunden Person raten, sich verrückt zu benehmen oder einer gesunden Person
sagen, sie solle vorgeben, sie sei krank?
Wir
würden niemals jemandem raten zu lügen. Das würde unmoralisch und falsch sein.
Wir geben Informationen, wie das System funktioniert. Wie eine Entlassung aus der Armee aus
psychiatrischen Gründen entschieden wird – z.B.
Also
informieren Sie die Leute darüber, wie die Armee entscheidet, dass jemand aus psychischen
Gründen nicht für den Militärdienst
geeignet ist und sagen ihm dann, sich
danach zu richten?
Nun,
unser Job ist es, den Leuten Informationen zu geben und sie bei dem Prozess zu
begleiten. Sie müssen die Arbeit tun und grundsätzlich ist es ihre Entscheidung
. Aber denken Sie daran, derjenige, der die Entscheidung trifft, Leute aus dem
Militär zu entlassen, ist das Militär selbst. NP hat darauf keinen Einfluss.
Das Militär entscheidet, wen es will und wer
unerwünscht ist.
Weniger
nuanciert und viel direkter sind die Antworten von Sergei Sandler, 33,
der sich selbst als sehr aktives Mitglied
des Beratungsnetzwerkes von NP bezeichnet. Er kam mit seiner Familie mit
sechs Jahren aus der früheren Sowjetunion.
Er ist auch ein Militärdienst-verweigerer aus Gewissensgründen und kam
deshalb für kurze Zeit 1994-1995 ins Gefängnis .
Helfen
Sie jedem, der den Militärdienst verweigert, egal aus welchen Gründen er den
Dienst zu verweigern wünscht?
Grundsätzlich
ja.
Machen
Sie sich Gedanken darüber, dass nicht jeder, dem Sie helfen, ein echter
Verweigerer aus Gewissensgründen ist und dass Leute mit weniger „edlen“ Motiven
Sie einfach benützen, um um den Militärdienst herum zu kommen?
Sie
definieren ‚Verweigerung aus Gewissensgründen’ sehr eng, falls sie die Natur
der israelischen Gesellschaft in Betracht ziehen. Sie leben nicht in einer
Gesellschaft, in der jeder frei entscheiden kann, ob er oder sie zum Militär
gehen will. Sie leben in einer Gesellschaft, in der es einen enormen
gesellschaftlichen Druck gibt, dass die jungen Leute zur Armee gehen. Und wenn
man auf jemand stößt, der tatsächlich an den Punkt kommt, der dem Druck
widersteht, zu dem Punkt, an dem er sagt, er werde sich nicht einberufen
lassen, dann ist das nicht irgendeine merkwürdige Entscheidung, die jemand
macht.
Wir
sprechen mit Leuten und wir können sagen, dass Leute, die ganz bewusst und
besonnen dies überlegt haben, wissen, dass dies eine sehr große Entscheidung
ist. Und auch wenn nicht alle Leute sagen, dass ihre Gründe ideologisch sind,
so wissen alle, dass sie ihre Familien enttäuschen und dass sie alle möglichen
Probleme haben werden. Einige geben
keine besonderen Gründe an. Sie zeigen nur, dass sie die allgemeine
Gehirnwäsche ablehnen. Auf jeden Fall ist es kein einfacher Prozess. In diesem
Sinn kann man also sagen, dass jeder, der
sich nicht zur Armee einziehen lässt, ein Verweigerer aus
Gewissensgründen ist – in der vollen Bedeutung des Wortes.
Außer
dem Status des Verweigerers aus
Gewissensgründen, gibt es noch andere Ausnahmefälle wegen physischer und
psychischen Gesundheitsproblemen. Machen Sie die Leute darauf aufmerksam,
wie diese Ausnahme gewährt wird oder -
um noch einen Schritt weiterzugehen
- geben Sie den Leuten den Rat, etwas
vorzutäuschen.
Wir raten den Leuten nicht, etwas vorzutäuschen. Das haben
wir nicht nötig. Psychische Probleme sind das beste Tor, um aus der Armee herauszukommen. Wenn jemand
ernsthaft und hartnäckig eine psychische
Ausnahme verfolgt – trotz aller
Stigmatisierung gegen Leute mit psychischen Problemen und trotz der
Geschichten, die das Militär selbst über
solche Ausnahmen verbreitet, um die Leute davon abzuhalten – wenn trotz all
diesem jemand wirklich ernsthaft sich
darum bemüht, solche Art von Ausnahme zu bekommen, dann berücksichtigt das
Militär, dass diese Person wirklich keinen Militärdienst ableisten will
und das Militär wünscht gar nicht, dass so jemand
Militärdienst macht. NP an diesem Punkt anzugreifen, ist reine Heuchelei.
Aber
Ihre Kritiker werden beschuldigt, dass Ihr Leute holt, die ihr Verhalten nach
den medizinischen und psychischen Ausnahmekriterien des Militärs vorführen –
also tatsächlich doch vortäuschen.
Ich werde Ihnen etwas sagen. Es stimmt, dass wir jeden
beraten, der sich entscheidet, nicht beim Militär zu dienen. Und das deshalb,
weil sie das Recht haben, keinen Militärdienst zu tun . Das ist ein Grundrecht
– das Recht, sich zu weigern zu töten, ist ein menschliches Grundrecht. Und wir
haben nicht das Gefühl, dass wir nach den Motiven der Leute graben müssten. Aber abgesehen davon,
sind viele, die sich an uns wenden, schon Soldaten. Es ist eine ziemlich große Gruppe, die uns
tatsächlich um Hilfe bittet. Und viele, viele, viele dieser Soldaten befinden sich in einem ernsten traumatischen
Zustand oder in einer Depression. Wir beraten Soldaten, die - wenn das System richtig arbeiten würde
- schon längst entlassen worden wären.
Aber das System arbeitet nicht ordentlich.
Das militärische Gesundheitssystem – auch das der
psychischen Gesundheit – dient den Interessen des Militärs, nicht den
Interessen der Person. Wenn man dort als Patient auftaucht, so wird man nicht
wie jemand behandelt, der Hilfe braucht, sondern wie jemand, der etwas erhält
(? R.). Ein Teil unserer Arbeit – in vielen Fällen ist es tatsächlich ein Teil
unserer Arbeit gewesen – ist es mit
Leuten zu reden, die sich offensichtlich und eindeutig in einem traumatischen
Zustand und in einem Zustand der
Depression befanden und die längst nach den eigenen Kriterien den Militärs
hätten entlassen werden müssen. Wir versuchten, ihnen zu erklären, wie sie dies
den Leuten um sie herum deutlich machen müssen – dem Militär allgemein und den Fachleuten bei der militärischen
Gesundheitsfürsorge.
Eine
letzte Frage: der Staat Israel hat unbestreitbar wirkliche Feinde.
Ja, und man gibt sich alle Mühe, sie aufzubauen.
Brauchen
wir nicht eine starke, stehende Armee, die uns beschützt?
Nun, Sie reden hier tatsächlich über etwas, das jenseits der
allgemeinen Linie von New Profile liegt. NP ist zusammengesetzt aus
verschiedenen Menschen, die verschieden denken, aber in der allgemeinen Überzeugung verbunden
sind, dass das Militär unnötig aufgeblasen ist und dass das Land zu sehr
militarisiert ist. Aber gerade jetzt reden sie zufällig mit einem Pazifisten.
Und als Pazifist sollte ich klar sagen,
dass keiner eine Armee benötigt. Und ich habe nicht das Gefühl, dass mir die
israelische Armee Schutz bietet. Ich persönlich bin nicht bereit, zwischen dem
israelischen Militär und dem Syriens oder des Iran einen Unterschied zu machen.
Sie sind alle von ein und derselben
Sorte – von der Sorte, die Menschen tötet – und dies über die Köpfe der Zivilisten hinweg. Und
keiner bietet uns wirklich Schutz.
….
(dt. und geringfügig gekürzt: Ellen Rohlfs)