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Am Jerusalem Tag feiern Tausende von Siedlern die Eroberung der Stadt und sagen Kahane hatte Recht


Alison Deger
30 Mai 2014 

 

Am Mittwoch, 28. Mai 2014 mehr als 10 000 israelische Jugendliche, die vor allem aus den Siedlungen in der Westbank stammen, marschieren am jährlichen Jerusalemtag und erinnern an Israels Sieg im Junikrieg 1967 und an die Kriegsbeute. Obwohl für  Hunderte dieser jubelnden Jugend Jerusalem noch zu erobern ist. Tausende dieser Jugendlichen tragen einen Anstecker, auf dem steht „ Kahane hatte recht“, eine Anspielung auf Rabbi Meir Kahane, und einige trugen T-shirts, auf denen sein Gesicht gedruckt war. Kahane ist ein verstorbener kontroverser Rabbi, der der Führer der  politischen „Kach“-Bewegung war, die von der israelischen  Regierung für eine Terroristen-Organisation gehalten wurde. Sie hatte in den 70ern und 80ern eine Reihe Angriffe gegen die Palästinenser gemacht. Er war auch der Kopf des „Jüdischen Untergrunds“, einer in der Westbank tätigen Bande von Hooligans, die heimliche Angriffe auf Araber und linke Israelis organisierten. Ihre Erben sind nun die Hill-top-Jugend von abtrünnigen Siedlern, vielleicht höchstens ein paar Hundert, die eine Welle  von „Pricetag“-Angriffe während der letzten Jahre machten,  einschließlich 2012 sogar israelische Soldaten angriffen.

Kahane sagte, wenn jemand dich töten will, dann kannst du ihn zuerst  töten“,  sagte ein Jugendlicher, der so einen Kahane-Sticker trug  und die israelische Flagge als Umhang. Er bat darum, nicht seinen Namen zu nennen. Er erklärte, dass  Kahanes Markenzeichen  gewalttätiger jüdischer Nationalismus ist, den junge Leute heute ansprechen, weil sie bei den augenblicklichen Führern wie Ministerpräsident  Netanjahu sehen, wie sanft er mit denen umgeht, die gegen den Staat gehandelt haben. Diese neue Generation von Kahane-Nachfolgern weisen die  Bildung eines palästinensischen Staates zurück, auch die Teilung von Jerusalem und  machten den Gefangenenaustausch (wegen Shalit) schlecht Sie sind für  Anwendung von Gewalt wenigstens theoretisch, um ihr Ziel zu erreichen: in einem rein jüdischen Staat zu leben.

„So jetzt ist Jerusalem jüdisch!“ rief einer und alle riefen: jüdisch!, jüdisch!, jüdisch!“

„Weil Jerusalem der Platz des 3. Tempels ist und die ganze Geschichte hier begann,“ sagte ein anderer Teenager, auch ein Nachfolger von Kahane, der  Shirts mit dem Felsendom verkaufte und auf Hebräisch stand ein Aufruf drauf: „Zerstört ihn!“

Eine zweite Zeichnung auf T-Shirts war der Bau  des 3. Tempels anstelle der el-Aqsa-Moschee, einschließlich eines Baukranes.

Jerusalem ist für Israelis wie für Palästinenser, säkulare und religiöse, Grenzgebiet. Die „Eroberung“ der Stadt zu feiern, wie es die Jugendlichen beschreiben, widerspricht dem Konzept des Völkerrecht, das besagt, das Land nicht durch Krieg gewonnen werden kann, auch nicht durch einen Verteidigungskrieg. Es ist auch eine Huldigung der militärischen Macht, weshalb Tausende israelischer Jugendlicher am Jerusalemstag  eine Parade machen …

Wir kämpften dafür und das ganze Kriegskonzept ist: wenn man etwas erobert, dann ist es deines. Wir kämpften 6 Tage und  gewannen Jerusalem; darum glauben wir, dass es uns gehört,“ sagt ein anderer Teenager in einem Shirt mit dem amerikanischen Adler.

„Ich denke, es ist wirklich aufregend, in Jerusalem zu sein, weil wir in den letzten paar Wochen gelehrt worden sind was 1967 geschah, wie Jerusalem auf wunderbare Weise erobert wurde“,  sagte eine Südafrikanerin, die für ein Jahr in Israel zur Schule ging.  „Im Koran wird Jerusalem nicht ein einziges Mal erwähnt.  „ Jerusalem ist für alle Juden heilig – nicht nur für religiöse Juden.“….

Andere aus dem Jerusalemstag-Marsch meideten den Kahanismus. „Diese Leute sind Fanatiker“, sagte Hod, ein israelischer Hochschulstudent, der am nächsten Tag ein Arabisch-Examen hat.  Hod arbeitete gegen Bezahlung  als Guide für den Marsch. „Ich werde bezahlt.“ Für ihn ist der Jerusalemtag  ein Ausdruck  für Rassismus. „Die meisten Leute hier hassen Araber.“ In der Nähe des Jaffa-Tors verkaufen zwei säkular aussehende Teenagers  Wasser. Sie haben an der Parade Spaß, weil für sie  das Beten an der Klagemauer  im östlichen Teil der Stadt von Bedeutung ist. Sie glauben weder an ein Ende des Konfliktes mit den Palästinensern, sie haben aber auch nichts gegen die Palästinenser.

Vielleicht ist der berühmteste Besucher des Jerusalemtages der Tourist und die Pop-Ikone Judtin Timberlake, der für ein Konzert  in Tel Aviv im Raum ist.

An einem typischen Tag ist die Gegend ein  lebendiges wirtschaftliches Zentrum für arabisch-palästinensisches Leben, obwohl am Jerusalemtag die Polizei die Hauptstraßen für die lokale Bevölkerung  abgesperrt hat. 350 000 palästinensische Jerusalemiten sind keine israelischen Bürger, sondern  nur „vorläufige Bürger“ der Stadt. Sie stimmen bei nationalen Wahlen nicht mit ab, nur bei lokalen Wahlen, aber Steuern müssen sie zahlen. Nach dem 1967Krieg öffnete Israel das berüchtigte Mandelbaumtor, durch das  religiöse Juden gingen, um an die Klagemauer zum Beten zu gelangen. Palästinenser haben in ihrer Jerusalemer Nachbarschaft Checkpoints. Qalandia ist der wichtigste, um in die Westbank zu kommen, obwohl er innerhalb Jerusalem liegt. Tausende  sind hinter der Mauer gefangen, obwohl sie eine Jerusalem-Identitätskarte haben. In der Nachbarschaft von Shuafat, das sich rühmt,  eine anspruchsvollen  Korridor zu haben, ein Flüchtlingslager und einen neueren Checkpoint hinter dem 20 000 palästinensische Jerusalemiten hinter der Mauer gefangen sind.

Am Nachmittag, als die Parade von Westjerusalem kam, waren schon acht Palästinenser schon wegen Störung verhaftet worden  und Knallgranaten waren abgefeuert worden, um die Bewohner zurückzustoßen. In dem Erker über dem Damaskustor, dem letzten Kundgebungspunkt, bevor die israelische Jugend die  Altstadt für die letzte Etappe des Marsches betrat, geleitete die Polizei palästinensische Beobachter  weg, ließen aber einen Schwarm Journalisten und Touristen dort. „Ihr lasst nur Juden hinein!“  rief eine palästinensisch-amerikanische Frau in Sportkleidung, die sagte. Sie wolle versuchen, ihr Haus zu erreichen. Die Polizei begleitete sie von der Sperre weg mit ihrem US-Pass in der Hand.

Obgleich Jerusalem  1981  offiziell nur ein Teil von Israel  durch ein spezielles Gesetz wurde, gedenkt man der Stadt  als ob sie 1967 durch die militärische Heldentat israelisch geworden sei. In den ersten Jahrzehnten   der Eigenstaatlichkeit  hatte Israel noch keinen globalen  Ruf einer  Spitzenarmee, noch wurde sie als ein Teil der westlichen Welt angesehen. Als meine Mutter in den 70ern das Land besuchte, war das Land noch ein rückständiges Nest, wo junge Zionisten eine Rolle Klopapier  für den Trip mitbringen mussten. Der Krieg änderte alles, indem es in nur sechs Tagen  das von Israel kontrollierte Land fast verdoppelte. Die Demonstranten des  Jerusalemtages nannten dies ein „Wunder“. Und  in gewissem Maße wurde es 1967 – nicht 48 – wie  in die Erlösung des jüdischen Volkes geworfen. Sie wurden befreit als die „neuen Juden“, genau wie die Klagemauer  befreit wurde, als Gegenstück zu den antisemitischen Karikaturen der Vergangenheit. Für sie war 1948 der Krieg des Überlebens, 1967  war der Krieg, der sie zu Israelis machte.

(dt. ein wenig gekürzt und zuweilen freier übersetzt: Ellen Rohlfs)