Die Juden Akkos warnen
Gideon Levy, Haaretz 12. 10.2008
Eine junge Frau mit
Kopftuch und einem Baby im Arm stand
gestern hinter einem vergitterten
Fenster und schrie: ‚Holt die Araber hier raus! Wir wollen sie nicht … sie
haben unser Leben hier zur Hölle gemacht ..’
Die Rollläden der
benachbarten Wohnung sind zerschmettert. Ihre früheren Bewohner, die Familie
von Mahmoud Samary, sind weggegangen; sie sind vorrübergehend vor dem Steinhagel auf ihre Wohnung
geflohen. Die junge Frau schreit weiter: ‚Sie sollen weggehen. Die Araber holen
sich unsere Mädchen.’
Es war Samstagnachmittag
in der Nr 18 der Burlastraße
in Akko – Teil eines übervölkerten, schändlich
vernachlässigten Wohnprojekts, in dem drei arabische und 29 jüdische Familien
in einem einzigen Gebäude wohnen. Am Eingang des Gebäudes stand eine Gruppe
Polizisten herum. Am Straßenrand stehen PKWs mit
zerbrochenen Fenstern.
Es war nicht nur Bosnien,
an das ich gestern hier erinnert wurde. Die Stadt erinnert mich auch an Nablus – Kontrollpunkte an jeder Ecke, Hunderte von
Polizisten unter jedem vertrockneten Baum. Eine Stadt, die eine
Touristenattraktion sein könnte, ist stattdessen eine der elendsten in Israel.
Mein Kollege Jack Khoury, ein israelischer Araber,
sagte, als wir den Stadtteil betraten: „ich hätte nicht geglaubt, dass ich hier
mit so viel Angst und Spannung fahre“.
Ein junger Mann, der in
diesem Haus lebt, sagte aggressiv zu
uns: „Wagt nicht die Altstadt zu betreten. Die Araber werden euch mit Messern
töten.“ Er wollte auch, dass wir seinen Stadtteil verlassen.
Aber die Altstadt – nur
wenige Fahrminuten entfernt - war eine
andere Welt: in jenem schönen, aber vernachlässigten Stadtteil, der gestern
nahezu leer war, trauerten die Leute über die Streichung des Akko-Theaterfestivals
- sie sprachen noch immer von Frieden und Koexistenz.
Akko ging auf einmal in Flammen auf. Es war ein
Zusammenstoß zwischen Armen und Armen, Juden und Arabern, angestachelt von
Nationalisten – mit einem religiösen Feiertag als Katalysator, der
gefährlichste aller möglichen Zusammenstöße, der eine Feuersbrunst zu
anzufachen drohte.
Das Feuer war zur Zeit des
Berichtes erloschen, aber gestern Nachmittag sah es so aus, als ob es von neuem
ausbrechen könnte. Junge Männer aus dem Hausprojekt hatten sich verabredet,
sich um 7:30 an diesem Abend zu treffen – Gott weiß warum.
Doch auch wenn das Feuer
jetzt gelöscht wurde – so wird es sich
eines Tages wieder entzünden. Diese binationale Stadt
sitzt auf einem Vulkan – einem Vulkan von Nationalismus und Elend, Angst und
Hass.
Wenn das Hausprojekt zum
spannungsgeladensten Teil der Stadt gehört, so gehört die Altstadt zum
traurigsten Teil, wo die leeren Hallen ( alte Karawansereien R) das einzige sind, was vom Theaterfestival
blieb, das diese Woche stattfinden sollte.
Die Scheinwerfer sind
schon entfernt worden, die Schauspieler und Theaterdirektoren sind gegangen,
die Tische des Cafes auf dem Rasen bleiben zusammengeklappt. Anstelle eines
Festivals bekam Akko einen Skandal – den Skandal der
Stornierung.
Die technische Mannschaft
meinte, es sei unerhört, das bedeutendste Ereignis im Akkojahr
nur wegen 100 oder 200 Verrückter zu streichen. Sie schlugen vor, stattdessen
ein Fest der Versöhnung zu feiern und versprachen, für die Sicherheit der Gäste
zu sorgen. ‚Man streitet sich auch mal mit seiner Frau und geht dann wieder mit
ihr ins Bett,’, verglich einer, Asfari
Khalil.
Munir Abu al-Tayir, der Granatapfelsaft verkauft, hatte den ganzen
Tag über nur genau zwei Gläser verkauft. In einer nahen Felafelbude
antwortete ein junger Araber auf jüdische Behauptungen, dass der Krawall durch
einen arabischen Fahrer provoziert worden war, weil er an Yom
Kippur laute Musik hören ließ. Er sagte, dass während des Ramadan die Juden
arabische Gefühle beleidigt und Bier getrunken hätten. Aber es hätte keinen
arabischen Krawall gegeben. Issam Jalem, Barbier, warnte
davor, dass ohne das Festival die ‚Dinge nicht gut gehen werden’.
Allen war klar, dass die voreilige Entscheidung des Bürgermeisters
Shimon Lankri, das Festival ausfallen zu lassen, nur
einen Zweck hat: die Araber zu strafen, die bei dem Festival ihren
Lebensunterhalt verdient hätten.
F. ein arabischer Bewohner
der vor allem jüdischen Kibbutz-Galuyotstraße floh mit seiner Familie. Nun
befürchtet er, dass sein Haus angezündet wird. Salim Majami,
ein Stadtrat, denunzierte alle Extremisten, die jüdischen genau wie die
arabischen.
Daoud Halila, Direktor einer non-profit Organisation, klagte die Polizei an, sie würde
die Juden verhätscheln. Der Kommunist Salim Atrash
gibt die Schuld dem „disengagement“, dem Herausholen der Siedler aus dem Gazastreifen; denn danach wurde eine
extremistische Yeshiva in der Stadt eröffnet, von der
die Flammen ( des Hasses) angeheizt wurden.
Atrash zog die Kopie einer Notiz heraus, die im Internet
zirkulierte: ‚Wir werden nichts mehr von
Arabern kaufen, wir werden keine Rücksicht mehr auf ihre Feiertage oder
ihre Orte nehmen. Ihr Araber von Akko sucht einen
Platz in den Dörfern!’ Die Notiz war mit einem Epigramm gezeichnet: ‚Ein Jude
ist der Sohn eines Königs, ein Araber ist der Sohn eines Hundes.’
(dt.
Ellen Rohlfs)