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ERKLÄRUNG

DER JÜDISCHEN STIMME FÜR GERECHTEN FRIEDEN IN NAHOST (ÖSTERREICH) 2008

Die Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost ist die in Österreich wirkende Sektion eines Netzwerks European Jews for Just Peace, bestehend aus 11 Organisationen in 10 westeuropäischen Ländern. Dieses Netzwerk ist ein Beweis dafür, dass keineswegs alle Menschen jüdischer Herkunft den Staat Israel in seiner jetzigen Form und seine Politik unterstützen, wie es die offiziellen jüdischen Gemeinden und die meisten jüdischen Organisationen Europas bedingungslos und lautstark tun, ohne einen Einfluss auf diese Politik ausüben zu können. Diese sind daher für die Politik des Staates Israel mitverantwortlich. Weder sie noch Israels Regierung, die vorgibt, dass alle Juden der Welt eine Nation bilden, mit Israel als deren Nationalstaat und sich daher anmaßt alle Juden der Welt zu vertreten, haben das Recht im Namen aller Jüdinnen und Juden zu sprechen. Da wir als Menschen jüdischer Herkunft in Österreich in die Verantwortung dafür genommen werden, halten wir entgegen:

 

NICHT IN UNSEREM NAMEN !

In dieser Erklärung geben wir unsere Einstellung bekannt: 1. zum politischen Zionismus, und 2. zum Staat Israel und seiner Besatzungs- und Siedlungspolitik.

 

1.    zum Zionismus

 

Der politische Zionismus entstand Ende des 19. Jahrhunderts als säkularer jüdischer Nationalismus zu einer Zeit als nationale Befreiungsbewegungen in den mittel- und osteuropäischen Großreichen aufgrund gemeinsamer Sprache, Territorium und Kultur ihre Souveränität und Unabhängigkeit zu erringen suchten. Er ist insofern diesen Nationalismen ähnlich als er so wie sie einem Vergangenheitskult frönte, aber in diesem Falle einem Jahrtausende zurückliegendem biblischen Zeitalter. Andrerseits unterschied er sich grundlegend von diesen Nationalismen insofern als er für die in aller Welt verstreuten Juden ein Territorium, in dem sie nicht lebten Palästina beanspruchte, das seit dem 7. Jahrhundert ein arabisches und hauptsächlich islamisches Land war und Teil einer größeren arabischen Region unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches. Der politische Zionismus zielte von Anbeginn darauf hin auf diesem Territorium einen jüdisch-ethnischen Staat zu errichten, ohne Rücksicht auf die dort ansässige arabisch-palästinensische Bevölkerung. Obwohl die Idee des Zionismus als Antwort auf den Antisemitismus in Westeuropa ihren Ausgang nahm, entsprach sie vielmehr der Dynamik der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Situation der Juden in Osteuropa als Folge von Pogromen und Verfolgung und einer zunehmenden Verelendung der Lebensbedingungen der jüdischen Massen. Aus Osteuropa, vor allem aus der Ukraine und Russland, kamen auch die ersten Einwanderungswellen nach Palästina wie auch die ersten zionistischen Führungsschichten.

 

Da die zionistische Kolonisierung Palästinas nicht allein mit rationalen Gründen zu rechtfertigen war, war der Rückgriff auf irrationale Erklärungen nötig. Die Frage nach den sogenannten historischen Rechten führte zu religiösen Antworten aus dem Alten Testament, wie Gott hat den Juden das Land gegeben, was noch heute in Israel ein verbreitetes Argument gegen die Rückgabe von enteignetem palästinensischem Land ist. Eine 2000-3000 Jahre zurückliegende Ansässigkeit zu einem historischen Recht zu machen ist nicht nur völkerrechtlich illegitim, sondern völlig absurd. Ein weiteres Argument ist das einer kontinuierlichen jüdischen Besiedlung des Heiligen Landes durch die Jahrhunderte. Bereits in vorchristlicher Zeit lebte die Mehrheit der Juden nicht mehr in Palästina, sondern in Ländern Kleinasiens und der Mittelmeerregion, von wo sie sich im Laufe der Zeit über ganz Europa verstreuten. Nach den erfolglosen Aufständen gegen die römische Herrschaft im 1. und 2. Jahrhundert n.Chr. blieben die in Palästina lebenden Juden weiter im Lande und schufen bedeutende religiöse Zentren. Allerdings verringerte sich die Zahl der Juden in Palästina zunehmend durch Bekehrungen zum Christentum und später zum Islam, ebenso wie durch Auswanderung, so dass sie eine Minderheit bildeten. Bis ins 19.Jahrhundert kamen Juden vereinzelt oder in kleinen Gruppen, aus religiösen Gründen, oft nur zeitweilig, nach Palästina, wo sie, wie aus Chroniken und zeitgenössischen Reiseberichten hervorgeht, Gemeinden bildeten. Daher kann entgegen der zionistischen Geschichtsschreibung von einer Vertreibung ins Exil keine Rede sein. Der Begriff Exil ist daher nicht geographisch, sondern als spirituelles und ideologisches Konzept aufzufassen.

 

Die Tatsache, dass die Einwanderung nach Palästina in den ersten 50 Jahren (1880 bis 1930) vornehmlich sozialistisch und säkular geprägt war, sollte kein Hindernis für irrationale Beweisführungen sein. Um die religiösen, hauptsächlich osteuropäischen, Juden für den Zionismus zu gewinnen, mussten sich die säkularen Zionisten auf Religion und Tradition berufen. Die rein spirituellen Bande, die zwischen dem religiösen Judentum und Jerusalem durch uralte Gebete bestehen und die auf nächstes Jahr in Jerusalem hoffen, wurden bis ins 19. Jahrhundert nie zu einem weltlichen Band, d.h. sie wurden, bis auf wenige Ausnahmen, nie durch Rückkehr verwirklicht. Es ist bezeichnend, dass die Juden, die im 15. Jahrhundert massenweise aus Spanien ausgewiesen wurden, hauptsächlich in muslimische Gebiete wie Nordafrika und das Osmanische Reich einwanderten und nur zu einem sehr geringen Teil nach Palästina. Die Verbundenheit mit dem Heiligen Land musste daher mit anderen Argumenten untermauert werden, z.B. durch Berufung auf die Antike, in der im letzten Jahrtausend v.Chr. die Hebräer oder Judäer einen Teil Palästinas beherrschten oder auf das Alte Testament, das nur sehr begrenzt historischen und archäologischen Tatsachen entspricht. Dies soll aber nichts von seinem ethischen und literarischen Wert mindern. Es gibt auch keine bewiesene ethnische Kontinuität zwischen den Juden der Antike und denen von heute, die aus zweitausendjähriger Vermischung mit den Völkern, unter denen sie lebten, hervorgingen. Trotzdem wurden religiöse Mythologien vom Zionismus zu einem politischen Programm gemacht. Da auch das nicht genügte, diente der angeblich ewige Antisemitismus als Begründung für den Anspruch auf ein eigenes Land, auf ein Land ohne Volk, für ein Volk ohne Land, ein Schlagwort, das rasch populär wurde, sich aber bald, selbst in zionistischen Kreisen, als völlig unwahr entpuppte. In diesem Land ohne Volk lebten 1880 400.000 Muslime, 43.000 Christen und 15.000 Juden. Lange tat der offizielle Zionismus so, mit wenigen Ausnahmen , als ob die arabisch-palästinensische Bevölkerung nicht existierte oder versuchte sie zu verschweigen. Zunehmend wurde sie von den jüdischen Siedlern in ihrer Würde und ihren Rechten missachtet, als ob nur die Neuankömmlinge ein Anrecht auf ganz Palästina hätten. Der wachsende Widerstand gegen die Kolonisation machte aber weiteres Ignorieren oder Verschweigen unmöglich.

 

Ein weiterer Anspruch des Zionismus auf Palästina versteht sich als eine Rückkehr in das Land, in dem die Juden in der Antike lebten und nicht als eine koloniale Eroberung. Diese Sichtweise führte insofern zu einer Verkehrung der Geschichte als die Landnahme, die in prähistorischen biblischen Zeiten stattgefunden haben soll, ihre Entsprechung in der zionistischen Doktrin der Rückkehr findet. Damit wird versucht die weit über tausend Jahre alte Geschichte der ansässigen palästinensischen Bevölkerung auszulöschen. Schon früh erkannte letztere und ihre Notabeln im Zionismus ein Kolonisierungsunternehmen von Europäern, wie es in der Welt des 19. Jahrhunderts noch landläufig war und das ihre Existenz bedrohte. Dies hatte mit zunehmender jüdischer Einwanderung eine sich immer mehr verhärtende Ablehnung des Zionismus wie einer jüdischen Präsenz in ihrem Lande überhaupt zur Folge.

 

Der Zionismus versuchte auch, im Anschluss auf die antiken Judäer, das Konzept einer jüdischen Nation neu zu beleben, obwohl Verfolgung allein wie auch eine gemeinsame Religion für die Definition einer Nation nicht genügen, sonst wären ja auch alle Katholiken oder alle Protestanten, die auch lange verfolgt wurden, Angehörige der gleichen Nation. Der Zionismus brachte in den damals multireligiösen Nahen Osten das mitteleuropäische Konzept einer organischen nationalen Einheit auf Grundlage von Ethnizität und Abstammung. Die Juden bilden seit der Antike keine geschlossene Einheit, sondern haben sich in ethnische oder multiethnische Teile in aller Welt aufgelöst. Trotzdem ist manchmal unüberlegt oder mit Absicht von einer jüdischen Nation, die im Exil oder in einer Diaspora lebt, die Rede. (Nur die in Israel lebenden Juden können, im Gegensatz zu denen in der übrigen Welt, als eine nationale Gemeinschaft im Werden bezeichnet werden). Juden leben in fast allen Teilen der Welt, sprechen verschiedene Sprachen und gehören den Nationen, deren Bürger sie sind, an. Gemeinsam ist ihnen nur die Religion, falls sie sie noch ausüben. Das Judentum ist seinem Wesen nach eine Religion und eine Kultur, kann daher nicht mit dem Zionismus, einer politischen Bewegung, gleichgesetzt werden.

 

Der Zionismus war auch insofern ein koloniales Projekt laut seines Begründers Theodor Herzl als sich der Zionismus anfangs des 19. Jahrhunderts bewusst in das Spiel der imperialistischen kolonialen Mächte einfügte. (Für Europa würden wir den Vorpostendienst gegen die Barbarei besorgen). Am Ende des Ersten Weltkriegs brach Großbritannien sein Wort, den Arabern, die ihm im Krieg gegen das Osmanische Reich Beistand geleistet hatten, die Unabhängigkeit zu ermöglichen und teilte sich mit Frankreich den Nahen Osten. Es gelang dem Zionismus mit großem Geschick, Großbritannien für eine Erklärung zu gewinnen, die ihm die Errichtung einer nationalen jüdischen Heimstätte in Palästina zusagte. Die sogenannte Balfour-Erklärung wurde zum Ausgangspunkt der Problematik, die noch heute andauert. Dabei erhielt der Zionismus wesentliche Schützenhilfe von britischen evangelikalen protestantischen Politikern, die tief im Alten Testament verwurzelt waren und Führungspositionen in der britischen Regierung innehatten (Lord Balfour, David Lloyd George). Mit Hilfe der britischen Mandatsmacht, deren Kolonialinteressen der Zionismus diente, konnte größere Einwanderung von Juden nach Palästina stattfinden, trotz heftiger Proteste und Aufstände der palästinensischen Bevölkerung und ihrer Institutionen gegen die Kolonialmacht und die zionistische Kolonisierung. Die Palästinenser wurden verdrängt, erst allmählich durch Landkauf und nach 1947/48 durch Vertreibung aus ihrem Land und massive Enteignung ihres Besitzes. Der politische Zionismus fand schließlich in der Errichtung des Staates Israel seine Fortsetzung.

 

Unsere Stellungnahme:

 

Wir lehnen den Zionismus rückblickend in seiner Ideologie und Praxis entschieden ab. Er hat mit Hilfe der Kolonialmächte und der Vereinten Nationen gegen den Willen der ursprünglichen Einwohner Palästinas mitten in der arabischen Welt einen Staat geschaffen, eine europäisch-amerikanische Enklave in der er weiterhin ein Fremdkörper ist. Mit dem Ziel ein Land im Nahen Osten durch auswärtige Siedler zu kolonisieren, die vorgaben einen historischen oder religiösen Anspruch auf dieses Land zu haben, ein Land, das seit vielen Jahrhunderten von einem anderen Volk bewohnt war, dieses zu verdrängen und auf ihrem Territorium einen Staat zu errichten, war ein endloser Konflikt vorprogrammiert. Würden die nordafrikanischen Völker Anspruch auf Andalusien erheben, wo ihre Vorfahren fast neun Jahrhunderte lebten (711 1492) und eine bedeutende Zivilisation schufen, was wäre wohl die Reaktion Spaniens und der Vereinten Nationen? Der Zionismus wollte die Antwort auf den Antisemitismus sein. Das ist ihm aber nicht gelungen. Der Zionismus gibt vor, dass die Juden in der Welt im Exil leben. Wir leben weder im Exil noch in einer Diaspora, da der Staat Israel für uns keinen Bezugspunkt darstellt. Wir leben als Bürger von Staaten, deren Sprache wir sprechen und deren Geschichte und Kultur wir teilen.

 

2.    Zum Staat Israel

 

Die historische Rolle des Zionismus war nicht mit der Gründung des Staates Israel zu Ende. In der Natur dieses Staates, in seinen Eigenschaften, Zielen und Politik wirkt die zionistische Ideologie und Praxis fort. Israel verdankt seine Existenz den Vereinten Nationen, zuerst durch den Teilungsplan von 1947 und durch die Anerkennung seiner Staatsgründung 1948. Die Palästinenser, die damals zwei Drittel der Gesamtbevölkerung Palästinas ausmachten und 93% des Bodens besaßen, sahen keinen Grund der Teilung ihres Landes zuzustimmen, umso mehr als sie sich dem Zionismus seit seinen Anfängen widersetzt hatten. Es gab jedoch Versuche palästinensischer Führer einen Modus vivendi zu finden. Ihr Vertreter bei den Vereinten Nationen, Jamal al-Husseini, schlug einen einheitlichen unabhängigen Staat vor, in dem alle, Juden, Christen und Moslems, gleiche Bürgerrechte haben sollten. Dieser Vorschlag blieb ohne Folge. Noch unmittelbar vor der Staatsgründung begann die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung, die im Laufe des bewaffneten Konflikts mit den arabischen Nachbarländern fortgesetzt wurde. Rund 750.000 Palästinenser wurden, gemäss der zionistischen Ideologie sich eines Maximums der arabischen Bevölkerung zu entledigen, vertrieben. Zusammengefasst von Ben Gurion: Die Araber haben im Land Israel nur noch eine Funktion: davonzulaufen. Ethnische Säuberung war der erste Akt des neuen Staates. Die darauffolgende Übernahme palästinensischen Landbesitzes durch Israel, von ganzen Stadtteilen, Kleinstädten und Dörfern, die teilweise zerstört wurden, ihres gesamten Hab und Guts wie ihrer Bankguthaben diente Israel als Starthilfe. Damit beging Israel ein ungemeines Unrecht gegen das palästinensische Volk, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das ungesühnt geblieben ist und daher bis heute weiterwirkt, um so mehr als Israel seine Verantwortung dafür nie eingestehen wollte. Die schlimmsten Einzelheiten der Vertreibung wie Massaker und Vergewaltigungen kamen, dank palästinensischer und israelischer Historiker, die akribisch Staats- und Hagana-Archive, Berichte der UNO und des Roten Kreuzes, Tagebücher wie z.B. das Ben Gurions durchforschten, erst allmählich zutage.

 

Das Ziel, die palästinensische Bevölkerung zu vertreiben, zwangsweise umzusiedeln oder  auf ein Minimum zu beschränken, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des vorstaatlichen Zionismus und des Staates Israel, wie aus zahlreichen Erklärungen zionistischer und israelischer Politiker hervorgeht, von Theodor Herzl über Ben Gurion (Ich bin für die Zwangsumsiedlung, ich sehe daran nichts Unmoralisches) bis heute. Folglich konnte  Israel damals hundert Tausende Juden aus den Displaced Persons Lagern im Nachkriegsdeutschland, von denen ein Teil Holocaustüberlebende waren, aufnehmen und ansiedeln sowie die vom Zionismus lange unbeachteten und nach der Staatsgründung wiederentdeckten sephardischen Juden aus Nordafrika. Somit konnten Länder wie die U.S.A., Kanada, Australien u.a. die Aufnahme großer Zahlen entwurzelter Juden vermeiden.

 

Obwohl dank der Vereinten Nationen gegründet, kam Israel seinen Verpflichtungen zum Einhalten internationalen Rechts und der zahlreichen UNO-Resolutionen zur Lage der Palästinenser nie nach. Auch die von Israel unterzeichnete Vierte Genfer Konvention, die die Ansiedlung von Bürgern der Besatzungsmacht untersagt, blieb von Israel nach der Besetzung des Westjordanlands und Gazas 1967 bis heute völlig unbeachtet. Seit der Starthilfe durch die Vertreibung eines Großteils der Palästinenser, erlebte Israel einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung, der zuerst durch die Wiedergutmachung seitens Deutschlands mit Geld und Gütern und seit 1967 durch die U.S.A. mit Waffen und hohen monatlichen Subventionen, die bis heute andauern, ermöglicht wurde. Israel brüstet sich eine Demokratie westlichen Stils zu sein, die einzige im Nahen Osten. Dies mag rein formell gesehen für seine jüdischen Bürger stimmen, trifft aber nur teilweise auf seine palästinensische Minderheit, ebenfalls Bürger des Staates, zu. Dazu kommt noch die 41 Jahre anhaltende Besatzung palästinensischer Gebiete einmalig in der neueren Geschichte und deren völkerrechtswidrige Kolonisierung durch jüdische Siedler, Landenteignung, Bau einer Trennungsmauer quer durch palästinensisches Siedlungsgebiet, Anlegung eines diskriminierenden Straßennetzes (Nur für Juden), Straßenbarrieren, die die Bewegungsfreiheit von Personen und Gütern bis zum Äußersten erschweren und zuletzt die Blockade von Gaza mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern. Israel machte sich auf diese Weise zu einem Apartheidstaat, eine für die palästinensische Bevölkerung unhaltbare Situation.

 

Als das Oslo-Abkommen von 1993 nicht nur scheiterte, sondern auch die Lage der Palästinenser verschlimmerte und rasanter Siedlungsbau weitergetrieben wurde, war es nicht  zu verwundern, wenn aufgrund jahrzehntelanger Ausgrenzung, Unterdrückung und Hoffnungslosigkeit bei den Palästinensern ein Gewaltpotential entstand und weiter entsteht das sich bis zu Selbstmordattentaten steigert. Gegen Zivilisten gerichtet, ist diese Form des Widerstandes zwar verwerflich, doch findet sie ihre Entsprechung im israelischen Staatsterrorismus durch dessen gezielte Tötungen, Zerstörung von Häusern, kollektiven Bestrafungen und massiven angeblichen Kollateralschäden. Der Staat Israel gefällt sich in einer Opferrolle aufgrund der den Juden Europas angetanenen  Verbrechen, mit denen die Palästinenser nicht das Allergeringste zu tun hatten. Israel rechtfertigt damit seine gegenüber den Palästinensern verübten Untaten. Die Mehrheit der Juden Israels will aber davon nichts wissen. Israel und die jüdischen Gemeinden Europas beklagen einen Anstieg des Antisemitismus, insbesondere in den arabischen und muslimischen Ländern, wollen aber die Gründe dafür nicht einsehen, nämlich Israels Besatzungs- und Siedlungspolitik, die Antisemitismus und Antizionismus in der Welt fördert. Jegliche Kritik an Israels Politik wird lautstark als antisemitisch angeprangert, selbst die Resolutionen der Vereinten Nationen, die die Interessen der Palästinenser zu wahren versuchen (Die ganze Welt ist gegen uns). Wie können Israel und die sich mit ihm solidarisierenden jüdischen Gemeinden im Namen der universalen Menschenrechte glaubwürdig gegen den Antisemitismus auftreten, wenn Israel andauernd gegen dieselben Rechte verstößt?

 

Nach jahrelangem Schweigen, wurde in Israel seit den 60er Jahren die Erinnerung an den Holocaust wach und zu einer Staatsideologie erhoben, die von Israels Politikern als Rechtfertigung für den Zionismus und für die Staatsgründung ausgegeben wird. (Die Grenzen von 1967 sind die Grenzen von Auschwitz). Israel und seine Armee nimmt den Holocaust als Vorwand für gewalttätiges Verhalten gegenüber den Palästinensern, die insbesondere von Rechtsradikalen und fundamentalistischen Siedlern sowie von ihren politischen Vertretern (z.B. den ehemaligen Ministerpräsidenten Menachem Begin und Yitzchak Shamir) mit Nazis gleichgestellt wurden und weiter werden. Und gibt weiterhin Israel das Recht gegen das Völkerrecht aus angeblichen Sicherheitsgründen zu verstoßen. Statt den Holocaust als eine Brücke der Solidarität mit anderen Leidenden zu sehen, benutzt ihn Israel gegen andere, die Palästinenser, auf die es alle Feinde, die die Juden je hatten, von biblischen Zeiten bis heute, überträgt.

 

Israel hat sich seit seiner Gründung zu einer aggressiven, expansionistischen Macht im Nahen Osten entwickelt, es ist die fünftstärkste Militärmacht der Welt, Atommacht und bedeutender Waffenexporteur. Von den sechs bewaffneten Konflikten in die Israel seit 1948 verwickelt war, führte es vier Angriffskriege gegen einen oder mehrere seiner Nachbarn. (1956 gegen Ägypten, zusammen mit Großbritannien und Frankreich, 1967 als vorgeblicher Präventivkrieg, 1982 und 2006 gegen den Libanon). Als engster Verbündeter der U.S.A. dient Israel den Interessen dieser imperialen Großmacht als seine Speerspitze und engster Verbündeter im Nahen und Mittleren Osten. Gegenwärtig werden in Israel Stimmen laut, die zu einem Erstschlag gegen den Iran aufrufen, der für die Region unabsehbare Folgen hätte.

 

Unsere Stellungnahme:

 

Wir fragen uns wie es kommt, dass die am längsten verfolgte Menschengruppe, nämlich Juden, zu einer so grausamen Unterdrückung und Freiheitsberaubung eines anderen Volkes, der Palästinenser, imstande ist? Dafür gibt es vielleicht psychologische Erklärungen, aber keine, die politisch akzeptabel sind.

Wir identifizieren uns daher aus diesen und obgenannten Gründen in keiner Weise mit d i e s e m Staat Israel und seiner Politik, im Gegensatz zu jenen Juden des mainstreams für die Identifikation mit Israel ein wesentlicher Teil ihrer eigenen Identität ist. Für uns zählt das internationale Recht, die Menschenwürde und nicht etwaige Ursprungsmythen, erfundene Traditionen und gefälschte Geschichtsschreibung. Israel bezeichnet sich als Staat aller Juden, ein Konzept, das wir ablehnen. Es wirbt ferner um die Anerkennung als jüdischer Staat und weist das Konzept, stattdessen ein Staat aller seiner Bürger zu sein, zurück. Ein Staat, der auf dem Prinzip ein Volk, eine Religion, ein Land beruht, ist in der heutigen pluralistischen Welt ein Anachronismus, wie es bereits der Zionismus war.

 

Eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts ist derzeit nicht in Sicht. Die Verhandlungsbasis der Palästinenser ist die arabische Friedensinitiative von 2002, von der Arabischen Liga 2007 wiederholt, aber von Israel missachtet. Die Initiative beruht auf der Forderung nach Israels Rückzug auf die Grenzen von 1967, der Teilung Jerusalems und einer gerechten Lösung des Flüchtlingsproblems. Israel hat diese Bedingungen ausgeschlagen, obwohl die arabischen Staaten im Gegenzug volle Anerkennung des Staates Israel und Normalisierung der Beziehungen angeboten hatten. Es ist diese Lösung, die wir unter den gegenwärtigen Umständen, als die gerechteste empfinden.

 

Der im internationalen Diskurs vielgepriesenen Zwei-Staaten-Lösung spricht Israel Hohn, indem es in den palästinensischen Gebieten Landenteignung, Siedlungs-, Mauer- und Straßenbau täglich weitertreibt, Gaza blockiert und die Teilung Jerusalems aus den Verhandlungen ausschließt. Israel besteht auf die von ihm über die Jahre geschaffenen völkerrechtswidrigen facts on the ground, betonierte Tatsachen die für die Palästinenser unannehmbar sind. Eine Ein-Staat-Lösung, d.h. ein Einheitsstaat, in dem beide Völker gleichberechtigt leben, scheint derzeit unwahrscheinlich, obwohl sie nach endgültigem Scheitern der Verhandlungen im Raum stehen könnte.

 

Wir wollen uns nicht anmaßen, zu der einen oder anderen Lösung Stellung zu nehmen. Eine Lösung, soweit sie überhaupt möglich ist, muss den Verhandlungspartnern überlassen bleiben. Inzwischen unterstützen wir das Recht des palästinensischen Volkes auf Widerstand und erklären uns mit ihm in seinem Befreiungskampf solidarisch. Wir unterstützen gleichfalls das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr in ihre angestammte Heimat.

 

 

 

 

Quellen :

 

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Verleger, R., Israels Irrweg (PapyRossa Verlag, Köln, 2008)

 




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Mit freundlichen Gruessen,
"Juedische Stimme fuer gerechten
Frieden in Nahost (Oesterreich)"

homepage: www.nahostfriede.at
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