ERKLÄRUNG
DER “JÜDISCHEN STIMME FÜR GERECHTEN FRIEDEN IN NAHOST” (ÖSTERREICH) 2008
Die “Jüdische Stimme für einen
gerechten Frieden in Nahost” ist die in Österreich wirkende Sektion eines Netzwerks “European Jews
for Just Peace”, bestehend aus 11 Organisationen
in 10 westeuropäischen Ländern. Dieses Netzwerk ist ein Beweis dafür, dass
keineswegs alle Menschen jüdischer Herkunft den Staat Israel in seiner jetzigen
Form und seine Politik unterstützen, wie es die offiziellen jüdischen Gemeinden
und die meisten jüdischen Organisationen Europas bedingungslos und lautstark
tun, ohne einen Einfluss auf diese Politik ausüben zu können. Diese sind daher
für die Politik des Staates Israel mitverantwortlich. Weder sie noch Israels
Regierung, die vorgibt, dass alle Juden der Welt eine Nation bilden, mit Israel
als deren Nationalstaat und sich daher anmaßt alle Juden der Welt zu vertreten,
haben das Recht im Namen aller Jüdinnen und Juden zu sprechen. Da wir als
Menschen jüdischer Herkunft in Österreich in die Verantwortung dafür genommen
werden, halten wir entgegen:
NICHT IN UNSEREM NAMEN !
In dieser
Erklärung geben wir unsere Einstellung bekannt: 1. zum politischen Zionismus,
und 2. zum Staat Israel und seiner Besatzungs- und Siedlungspolitik.
1. zum Zionismus
Der politische
Zionismus entstand Ende des 19. Jahrhunderts als säkularer jüdischer
Nationalismus zu einer Zeit als nationale Befreiungsbewegungen in den mittel-
und osteuropäischen Großreichen aufgrund gemeinsamer Sprache, Territorium und
Kultur ihre Souveränität und Unabhängigkeit zu erringen suchten. Er ist
insofern diesen Nationalismen ähnlich als er so wie sie einem
Vergangenheitskult frönte, aber in diesem Falle einem Jahrtausende
zurückliegendem biblischen Zeitalter. Andrerseits unterschied er sich
grundlegend von diesen Nationalismen insofern als er für die in aller Welt verstreuten
Juden ein Territorium, in dem sie nicht lebten – Palästina – beanspruchte, das seit dem 7. Jahrhundert ein arabisches und
hauptsächlich islamisches Land war und Teil einer größeren arabischen Region
unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches. Der politische Zionismus zielte
von Anbeginn darauf hin auf diesem Territorium einen jüdisch-ethnischen Staat
zu errichten, ohne Rücksicht auf die dort ansässige arabisch-palästinensische
Bevölkerung. Obwohl die Idee des Zionismus als Antwort auf den Antisemitismus
in Westeuropa ihren Ausgang nahm, entsprach sie vielmehr der Dynamik der
wirtschaftlichen, politischen und sozialen Situation der Juden in Osteuropa als
Folge von Pogromen und Verfolgung und einer zunehmenden Verelendung der
Lebensbedingungen der jüdischen Massen. Aus Osteuropa, vor allem aus der
Ukraine und Russland, kamen auch die ersten Einwanderungswellen nach Palästina
wie auch die ersten zionistischen Führungsschichten.
Da die
zionistische Kolonisierung Palästinas nicht allein mit rationalen Gründen zu
rechtfertigen war, war der Rückgriff auf irrationale Erklärungen nötig. Die
Frage nach den sogenannten “historischen Rechten” führte zu religiösen Antworten
aus dem Alten Testament, wie “Gott hat den Juden das Land gegeben”, was noch heute in Israel ein verbreitetes Argument gegen die
Rückgabe von enteignetem palästinensischem Land ist. Eine 2000-3000 Jahre
zurückliegende Ansässigkeit zu einem “historischen” Recht zu machen ist nicht nur völkerrechtlich illegitim, sondern
völlig absurd. Ein weiteres Argument ist das einer “kontinuierlichen” jüdischen Besiedlung des “Heiligen Landes” durch die Jahrhunderte. Bereits
in vorchristlicher Zeit lebte die Mehrheit der Juden nicht mehr in Palästina,
sondern in Ländern Kleinasiens und der Mittelmeerregion, von wo sie sich im
Laufe der Zeit über ganz Europa verstreuten. Nach den erfolglosen Aufständen
gegen die römische Herrschaft im 1. und 2. Jahrhundert n.Chr.
blieben die in Palästina lebenden Juden weiter im Lande und schufen bedeutende
religiöse Zentren. Allerdings verringerte sich die Zahl der Juden in Palästina
zunehmend durch Bekehrungen zum Christentum und später zum Islam, ebenso wie
durch Auswanderung, so dass sie eine Minderheit bildeten. Bis ins
19.Jahrhundert kamen Juden vereinzelt oder in kleinen Gruppen, aus religiösen
Gründen, oft nur zeitweilig, nach Palästina, wo sie, wie aus Chroniken und
zeitgenössischen Reiseberichten hervorgeht, Gemeinden bildeten. Daher kann – entgegen der zionistischen
Geschichtsschreibung – von einer “Vertreibung ins Exil” keine Rede sein. Der Begriff “Exil” ist daher nicht geographisch, sondern als spirituelles und
ideologisches Konzept aufzufassen.
Die Tatsache,
dass die Einwanderung nach Palästina in den ersten 50 Jahren (1880 bis 1930) vornehmlich
sozialistisch und säkular geprägt war, sollte kein Hindernis für irrationale
Beweisführungen sein. Um die religiösen, hauptsächlich osteuropäischen, Juden
für den Zionismus zu gewinnen, mussten sich die säkularen Zionisten auf
Religion und Tradition berufen. Die rein “spirituellen“ Bande, die zwischen dem religiösen Judentum und Jerusalem durch
uralte Gebete bestehen und die auf “nächstes Jahr in Jerusalem” hoffen, wurden bis ins 19. Jahrhundert nie zu einem “weltlichen” Band, d.h. sie wurden, bis auf
wenige Ausnahmen, nie durch Rückkehr verwirklicht. Es ist bezeichnend, dass die
Juden, die im 15. Jahrhundert massenweise aus Spanien ausgewiesen wurden,
hauptsächlich in muslimische Gebiete wie Nordafrika und das Osmanische Reich
einwanderten und nur zu einem sehr geringen Teil nach Palästina. Die
Verbundenheit mit dem “Heiligen Land” musste daher mit anderen Argumenten untermauert werden, z.B.
durch Berufung auf die Antike, in der im letzten Jahrtausend v.Chr. die Hebräer oder Judäer einen Teil Palästinas
beherrschten oder auf das Alte Testament, das nur sehr begrenzt historischen
und archäologischen Tatsachen entspricht. Dies soll aber nichts von seinem
ethischen und literarischen Wert mindern. Es gibt auch keine bewiesene
ethnische Kontinuität zwischen den Juden der Antike und denen von heute, die
aus zweitausendjähriger Vermischung mit den Völkern, unter denen sie lebten,
hervorgingen. Trotzdem wurden religiöse Mythologien vom Zionismus zu einem
politischen Programm gemacht. Da auch das nicht genügte, diente der angeblich “ewige” Antisemitismus als Begründung für
den Anspruch auf ein eigenes Land, – “auf ein Land ohne Volk, für ein Volk ohne Land”, – ein Schlagwort, das rasch populär wurde, sich aber bald, selbst
in zionistischen Kreisen, als völlig unwahr entpuppte. In diesem “Land ohne Volk“ lebten 1880 400.000 Muslime,
43.000 Christen und 15.000 Juden. Lange tat der offizielle Zionismus so, – mit wenigen Ausnahmen –, als ob die
arabisch-palästinensische Bevölkerung nicht existierte oder versuchte sie zu
verschweigen. Zunehmend wurde sie von den jüdischen Siedlern in ihrer Würde und
ihren Rechten missachtet, als ob nur die Neuankömmlinge ein Anrecht auf ganz
Palästina hätten. Der wachsende Widerstand gegen die Kolonisation machte aber
weiteres Ignorieren oder Verschweigen unmöglich.
Ein weiterer
Anspruch des Zionismus auf Palästina versteht sich als eine “Rückkehr” in das Land, in dem die Juden in
der Antike lebten und nicht als eine koloniale Eroberung. Diese Sichtweise führte
insofern zu einer Verkehrung der Geschichte als die Landnahme, die in
prähistorischen biblischen Zeiten stattgefunden haben soll, ihre Entsprechung
in der zionistischen Doktrin der Rückkehr findet. Damit wird versucht die weit
über tausend Jahre alte Geschichte der ansässigen palästinensischen Bevölkerung
auszulöschen. Schon früh erkannte letztere und ihre Notabeln im Zionismus ein
Kolonisierungsunternehmen von Europäern, wie es in der Welt des 19.
Jahrhunderts noch landläufig war und das ihre Existenz bedrohte. Dies hatte mit
zunehmender jüdischer Einwanderung eine sich immer mehr verhärtende Ablehnung
des Zionismus wie einer jüdischen Präsenz in ihrem Lande überhaupt zur Folge.
Der Zionismus
versuchte auch, im Anschluss auf die antiken Judäer, das Konzept einer “jüdischen Nation” neu zu beleben, obwohl Verfolgung
allein wie auch eine gemeinsame Religion für die Definition einer Nation nicht
genügen, sonst wären ja auch alle Katholiken oder alle Protestanten, die auch
lange verfolgt wurden, Angehörige der gleichen Nation. Der Zionismus brachte in
den damals multireligiösen Nahen Osten das mitteleuropäische Konzept einer
organischen nationalen Einheit auf Grundlage von Ethnizität
und Abstammung. Die Juden bilden seit der Antike keine geschlossene Einheit,
sondern haben sich in ethnische oder multiethnische Teile in aller Welt
aufgelöst. Trotzdem ist manchmal – unüberlegt oder mit Absicht – von einer “jüdischen Nation”, die im “Exil” oder in einer “Diaspora” lebt, die Rede. (Nur die in Israel lebenden Juden können, im
Gegensatz zu denen in der übrigen Welt, als eine nationale Gemeinschaft “im Werden” bezeichnet werden). Juden leben
in fast allen Teilen der Welt, sprechen verschiedene Sprachen und gehören den
Nationen, deren Bürger sie sind, an. Gemeinsam ist ihnen nur die Religion,
falls sie sie noch ausüben. Das Judentum ist seinem Wesen nach eine Religion
und eine Kultur, kann daher nicht mit dem Zionismus, einer politischen
Bewegung, gleichgesetzt werden.
Der Zionismus
war auch insofern ein koloniales Projekt – laut seines Begründers Theodor Herzl – als sich der Zionismus anfangs
des 19. Jahrhunderts bewusst in das Spiel der imperialistischen kolonialen
Mächte einfügte. (“Für Europa würden wir den Vorpostendienst gegen die Barbarei
besorgen”). Am Ende des
Ersten Weltkriegs brach Großbritannien sein Wort, den Arabern, die ihm im Krieg
gegen das Osmanische Reich Beistand geleistet hatten, die Unabhängigkeit zu
ermöglichen und teilte sich mit Frankreich den Nahen Osten. Es gelang dem
Zionismus mit großem Geschick, Großbritannien für eine Erklärung zu gewinnen,
die ihm die Errichtung einer nationalen jüdischen Heimstätte in Palästina
zusagte. Die sogenannte “Balfour-Erklärung” wurde zum Ausgangspunkt der
Problematik, die noch heute andauert. Dabei erhielt der Zionismus wesentliche
Schützenhilfe von britischen evangelikalen protestantischen Politikern, die
tief im Alten Testament verwurzelt waren und Führungspositionen in der
britischen Regierung innehatten (Lord Balfour, David
Lloyd George). Mit Hilfe der britischen Mandatsmacht, deren Kolonialinteressen
der Zionismus diente, konnte größere Einwanderung von Juden nach Palästina
stattfinden, trotz heftiger Proteste und Aufstände der palästinensischen
Bevölkerung und ihrer Institutionen gegen die Kolonialmacht und die
zionistische Kolonisierung. Die Palästinenser wurden verdrängt, erst allmählich
durch Landkauf und nach 1947/48 durch Vertreibung aus ihrem Land und massive
Enteignung ihres Besitzes. Der politische Zionismus fand schließlich in der Errichtung
des Staates Israel seine Fortsetzung.
Unsere
Stellungnahme:
Wir lehnen den
Zionismus rückblickend in seiner Ideologie und Praxis entschieden ab. Er hat
mit Hilfe der Kolonialmächte und der Vereinten Nationen gegen den Willen der
ursprünglichen Einwohner Palästinas mitten in der arabischen Welt einen Staat
geschaffen, – eine europäisch-amerikanische Enklave – in der er weiterhin ein
Fremdkörper ist. Mit dem Ziel ein Land im Nahen Osten durch auswärtige Siedler
zu kolonisieren, die vorgaben einen historischen oder religiösen Anspruch auf
dieses Land zu haben, ein Land, das seit vielen Jahrhunderten von einem anderen
Volk bewohnt war, dieses zu verdrängen und auf ihrem Territorium einen Staat zu
errichten, war ein endloser Konflikt vorprogrammiert. Würden die
nordafrikanischen Völker Anspruch auf Andalusien erheben, wo ihre Vorfahren
fast neun Jahrhunderte lebten (711 – 1492) und eine bedeutende Zivilisation schufen, was wäre wohl die
Reaktion Spaniens und der Vereinten Nationen? Der Zionismus wollte die Antwort
auf den Antisemitismus sein. Das ist ihm aber nicht gelungen. Der Zionismus
gibt vor, dass die Juden in der Welt im “Exil” leben. Wir leben weder im “Exil” noch in einer” Diaspora”, da der Staat Israel für uns keinen Bezugspunkt darstellt. Wir
leben als Bürger von Staaten, deren Sprache wir sprechen und deren Geschichte
und Kultur wir teilen.
2. Zum Staat Israel
Die
historische Rolle des Zionismus war nicht mit der Gründung des Staates Israel
zu Ende. In der Natur dieses Staates, in seinen Eigenschaften, Zielen und
Politik wirkt die zionistische Ideologie und Praxis fort. Israel verdankt seine
Existenz den Vereinten Nationen, zuerst durch den Teilungsplan von 1947 und
durch die Anerkennung seiner Staatsgründung 1948. Die Palästinenser, die damals
zwei Drittel der Gesamtbevölkerung Palästinas ausmachten und 93% des Bodens
besaßen, sahen keinen Grund der Teilung ihres Landes zuzustimmen, umso mehr als
sie sich dem Zionismus seit seinen Anfängen widersetzt hatten. Es gab jedoch
Versuche palästinensischer Führer einen Modus vivendi
zu finden. Ihr Vertreter bei den Vereinten Nationen, Jamal al-Husseini,
schlug einen einheitlichen unabhängigen Staat vor, in dem alle, Juden, Christen
und Moslems, gleiche Bürgerrechte haben sollten. Dieser Vorschlag blieb ohne
Folge. Noch unmittelbar vor der Staatsgründung begann die Vertreibung der
palästinensischen Bevölkerung, die im Laufe des bewaffneten Konflikts mit den
arabischen Nachbarländern fortgesetzt wurde. Rund 750.000 Palästinenser wurden,
gemäss der zionistischen Ideologie sich eines
Maximums der arabischen Bevölkerung zu entledigen, vertrieben. Zusammengefasst
von Ben Gurion: “Die Araber haben im Land Israel nur noch eine Funktion:
davonzulaufen”. Ethnische Säuberung war der erste Akt des neuen Staates. Die darauffolgende Übernahme palästinensischen Landbesitzes
durch Israel, von ganzen Stadtteilen, Kleinstädten und Dörfern, die teilweise
zerstört wurden, ihres gesamten Hab und Guts wie ihrer Bankguthaben diente
Israel als “Starthilfe”. Damit beging Israel ein
ungemeines Unrecht gegen das palästinensische Volk, ein Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, das ungesühnt geblieben ist und daher bis heute weiterwirkt, um
so mehr als Israel seine Verantwortung dafür nie eingestehen wollte. Die
schlimmsten Einzelheiten der Vertreibung wie Massaker und Vergewaltigungen
kamen, dank palästinensischer und israelischer Historiker, die akribisch
Staats- und Hagana-Archive, Berichte der UNO und des Roten Kreuzes, Tagebücher
wie z.B. das Ben Gurions durchforschten, erst
allmählich zutage.
Das Ziel, die
palästinensische Bevölkerung zu vertreiben, zwangsweise umzusiedeln oder auf ein Minimum zu beschränken, zieht sich
wie ein roter Faden durch die Geschichte des vorstaatlichen Zionismus und des
Staates Israel, wie aus zahlreichen Erklärungen zionistischer und israelischer
Politiker hervorgeht, – von Theodor Herzl über Ben Gurion (“Ich bin für die Zwangsumsiedlung,
ich sehe daran nichts Unmoralisches”) bis heute. Folglich konnte
Israel damals hundert Tausende Juden aus den “Displaced Persons” – Lagern im Nachkriegsdeutschland, von denen ein Teil
Holocaustüberlebende waren, aufnehmen und ansiedeln sowie die vom Zionismus
lange unbeachteten und nach der Staatsgründung “wiederentdeckten” sephardischen Juden aus Nordafrika.
Somit konnten Länder wie die U.S.A., Kanada, Australien u.a.
die Aufnahme großer Zahlen entwurzelter Juden vermeiden.
Obwohl dank
der Vereinten Nationen gegründet, kam Israel seinen Verpflichtungen zum
Einhalten internationalen Rechts und der zahlreichen UNO-Resolutionen zur Lage
der Palästinenser nie nach. Auch die von Israel unterzeichnete Vierte Genfer
Konvention, die die Ansiedlung von Bürgern der Besatzungsmacht untersagt, blieb
von Israel nach der Besetzung des Westjordanlands und Gazas 1967 bis heute
völlig unbeachtet. Seit der “Starthilfe” durch die Vertreibung eines Großteils der Palästinenser, erlebte
Israel einen bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung, der zuerst durch die “Wiedergutmachung” seitens Deutschlands mit Geld und
Gütern und seit 1967 durch die U.S.A. mit Waffen und hohen monatlichen
Subventionen, die bis heute andauern, ermöglicht wurde. Israel brüstet sich
eine “Demokratie
westlichen Stils“ zu sein, die “einzige im Nahen Osten”. Dies mag rein formell gesehen für seine jüdischen Bürger
stimmen, trifft aber nur teilweise auf seine palästinensische Minderheit,
ebenfalls Bürger des Staates, zu. Dazu kommt noch die 41 Jahre anhaltende
Besatzung palästinensischer Gebiete – einmalig in der neueren Geschichte – und deren völkerrechtswidrige Kolonisierung durch jüdische
Siedler, Landenteignung, Bau einer Trennungsmauer quer durch palästinensisches
Siedlungsgebiet, Anlegung eines diskriminierenden Straßennetzes (“Nur für Juden”), Straßenbarrieren, die die
Bewegungsfreiheit von Personen und Gütern bis zum Äußersten erschweren und
zuletzt die Blockade von Gaza mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern. Israel
machte sich auf diese Weise zu einem “Apartheidstaat”, – eine für die palästinensische Bevölkerung unhaltbare Situation.
Als das
Oslo-Abkommen von 1993 nicht nur scheiterte, sondern auch die Lage der
Palästinenser verschlimmerte und rasanter Siedlungsbau weitergetrieben wurde,
war es nicht zu verwundern, wenn
aufgrund jahrzehntelanger Ausgrenzung, Unterdrückung und Hoffnungslosigkeit bei
den Palästinensern ein Gewaltpotential entstand – und weiter entsteht – das sich bis zu Selbstmordattentaten steigert. Gegen Zivilisten
gerichtet, ist diese Form des Widerstandes zwar verwerflich, doch findet sie
ihre Entsprechung im israelischen Staatsterrorismus durch dessen gezielte
Tötungen, Zerstörung von Häusern, kollektiven Bestrafungen und massiven
angeblichen “Kollateralschäden”. Der Staat Israel gefällt sich in einer Opferrolle aufgrund der
den Juden Europas angetanenen Verbrechen, mit denen die Palästinenser nicht
das Allergeringste zu tun hatten. Israel rechtfertigt damit seine gegenüber den
Palästinensern verübten Untaten. Die Mehrheit der Juden Israels will aber davon
nichts wissen. Israel und die jüdischen Gemeinden Europas beklagen einen
Anstieg des Antisemitismus, insbesondere in den arabischen und muslimischen
Ländern, wollen aber die Gründe dafür nicht einsehen, nämlich Israels
Besatzungs- und Siedlungspolitik, die Antisemitismus und Antizionismus in der
Welt fördert. Jegliche Kritik an Israels Politik wird lautstark als “antisemitisch” angeprangert, selbst die
Resolutionen der Vereinten Nationen, die die Interessen der Palästinenser zu
wahren versuchen (“Die ganze Welt ist gegen uns”). Wie können Israel und die sich mit ihm solidarisierenden
jüdischen Gemeinden im Namen der universalen Menschenrechte glaubwürdig gegen
den Antisemitismus auftreten, wenn Israel andauernd gegen dieselben Rechte
verstößt?
Nach
jahrelangem Schweigen, wurde in Israel seit den 60er Jahren die Erinnerung an
den Holocaust wach und zu einer Staatsideologie erhoben, die von Israels
Politikern als Rechtfertigung für den Zionismus und für die Staatsgründung
ausgegeben wird. (”Die Grenzen von 1967 sind die Grenzen von Auschwitz”). Israel und seine Armee nimmt den Holocaust als Vorwand für gewalttätiges Verhalten
gegenüber den Palästinensern, die insbesondere von Rechtsradikalen und
fundamentalistischen Siedlern sowie von ihren politischen Vertretern (z.B. den
ehemaligen Ministerpräsidenten Menachem Begin und Yitzchak
Shamir) mit “Nazis” gleichgestellt wurden und weiter werden. Und gibt weiterhin
Israel das “Recht” gegen das Völkerrecht aus
angeblichen “Sicherheitsgründen” zu verstoßen. Statt den Holocaust als eine Brücke der Solidarität
mit anderen Leidenden zu sehen, benutzt ihn Israel gegen andere, – die Palästinenser, auf die es
alle Feinde, die die Juden je hatten, von biblischen Zeiten bis heute,
überträgt.
Israel hat
sich seit seiner Gründung zu einer aggressiven, expansionistischen Macht im
Nahen Osten entwickelt, – es ist die fünftstärkste Militärmacht
der Welt, Atommacht und bedeutender Waffenexporteur. Von den sechs bewaffneten
Konflikten in die Israel seit 1948 verwickelt war, führte es vier
Angriffskriege gegen einen oder mehrere seiner Nachbarn. (1956 gegen Ägypten,
zusammen mit Großbritannien und Frankreich, 1967 – als vorgeblicher Präventivkrieg, 1982 und 2006 gegen den
Libanon). Als engster Verbündeter der U.S.A. dient Israel den Interessen dieser
imperialen Großmacht als seine Speerspitze und engster Verbündeter im Nahen und
Mittleren Osten. Gegenwärtig werden in Israel Stimmen laut, die zu einem
Erstschlag gegen den Iran aufrufen, der für die Region unabsehbare Folgen
hätte.
Unsere
Stellungnahme:
Wir fragen uns
wie es kommt, dass die am längsten verfolgte Menschengruppe, nämlich Juden, zu
einer so grausamen Unterdrückung und Freiheitsberaubung eines anderen Volkes,
der Palästinenser, imstande ist? Dafür gibt es vielleicht psychologische
Erklärungen, aber keine, die politisch akzeptabel sind.
Wir
identifizieren uns daher aus diesen und obgenannten Gründen in keiner Weise mit
d i e s e m Staat Israel und seiner Politik, im Gegensatz zu jenen Juden des “mainstreams” für die Identifikation mit Israel
ein wesentlicher Teil ihrer eigenen Identität ist. Für uns zählt
das internationale Recht, die Menschenwürde und nicht etwaige Ursprungsmythen,
erfundene Traditionen und gefälschte Geschichtsschreibung. Israel bezeichnet
sich als Staat “aller Juden”, ein Konzept, das wir ablehnen. Es wirbt ferner um die
Anerkennung als “jüdischer Staat” und weist das Konzept, stattdessen ein Staat aller seiner Bürger
zu sein, zurück. Ein Staat, der auf dem Prinzip “ein Volk, eine Religion, ein Land” beruht, ist in der heutigen pluralistischen Welt ein
Anachronismus, wie es bereits der Zionismus war.
Eine
friedliche Lösung des Nahostkonflikts ist derzeit nicht in Sicht. Die
Verhandlungsbasis der Palästinenser ist die arabische Friedensinitiative von
2002, von der Arabischen Liga 2007 wiederholt, aber von Israel missachtet. Die
Initiative beruht auf der Forderung nach Israels Rückzug auf die Grenzen von
1967, der Teilung Jerusalems und einer gerechten Lösung des
Flüchtlingsproblems. Israel hat diese Bedingungen ausgeschlagen, obwohl die
arabischen Staaten im Gegenzug volle Anerkennung des Staates Israel und
Normalisierung der Beziehungen angeboten hatten. Es ist diese Lösung, die wir
unter den gegenwärtigen Umständen, als die gerechteste empfinden.
Der im
internationalen Diskurs vielgepriesenen “Zwei-Staaten-Lösung” spricht Israel Hohn, indem es in
den palästinensischen Gebieten Landenteignung, Siedlungs-, Mauer- und
Straßenbau täglich weitertreibt, Gaza blockiert und die Teilung Jerusalems aus
den Verhandlungen ausschließt. Israel besteht auf die von ihm über die Jahre geschaffenen
völkerrechtswidrigen “facts on the ground”, – “betonierte Tatsachen” – die für die Palästinenser unannehmbar sind. Eine “Ein-Staat-Lösung,” d.h. ein
Einheitsstaat, in dem beide Völker gleichberechtigt leben, scheint derzeit
unwahrscheinlich, obwohl sie nach endgültigem Scheitern der Verhandlungen im
Raum stehen könnte.
Wir wollen uns
nicht anmaßen, zu der einen oder anderen Lösung Stellung zu nehmen. Eine
Lösung, soweit sie überhaupt möglich ist, muss den Verhandlungspartnern
überlassen bleiben. Inzwischen unterstützen wir das Recht des palästinensischen
Volkes auf Widerstand und erklären uns mit ihm in seinem Befreiungskampf
solidarisch. Wir unterstützen gleichfalls das Recht der palästinensischen
Flüchtlinge auf Rückkehr in ihre angestammte Heimat.
Quellen :
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Makdisi, S., Palestine inside out – an everyday occupation (Norton
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Masalha, N., Imperial Israel and the
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Segev, T., The first Israelis (Free
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Shlomo Sand: Wer hat das
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Nur auf franz. ( hier noch nicht berücksichtigt.
Stemberger, G., Juden und Christen
im Heiligen Land (C.H.Beck, München, 1987)
Taut, J., Judentum und Zionismus (ISP-Verlag,
Frankfurt, 1986)
Verein “Gegentagung zum Herzl-Jubiläum: 100 Jahre Zionismus – Befreiung oder Unterdrückung?
(Neuer ISP-Verlag,Köln, 1998)
Verleger, R.,
Israels Irrweg (PapyRossa Verlag, Köln, 2008)
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Mit freundlichen Gruessen,
"Juedische Stimme fuer
gerechten
Frieden in Nahost (Oesterreich)"
homepage: www.nahostfriede.at
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