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Crazy Country
Adam Keller , Juli 2012
http://adam-keller2.blogspot.co.il/2012/07/non-occupation-and-water-tanks.html
In der griechischen
Mythologie wird die Geschichte von Tantalus erzählt, der von den Göttern
verflucht wurde, immer in einem Teich zu stehen, aber nie seinen Durst löschen
konnte, da das Wasser immer zurückging, bevor er trinken konnte. In den Gebieten
unter der Herrschaft des Staates Israel sind Mythen wahr geworden: aus Lust und
Tollerei operieren die Militäroffiziere als Rachegötter
gegenüber den Palästinensern.
Wenn die Leute von
Ein-al-Hilweh, einer kleinen palästinensischen Gemeinde im Jordantal, ihr Ohr
auf den Boden legen, können sie leise das Gurgeln des Wassers in den Röhren
hören, die unter ihnen liegen, zu denen sie aber keinen Zugang haben. Das Wasser
kommt von einer Quelle in der Nähe, die
das Leben der Gemeinde generationenlang erhalten hat und dem Dorf auch
den Namen gab: „Die süße Quelle“ =
Ein-al-Hilweh auf arabisch.
Der Name ist geblieben –
aber die Quelle selbst ist, wie fast alle Quellen im Jordantal , von „Mekorot“,
der israelischen Regierungswassergesellschaft weggenommen worden. Die süße
Quelle wurde eingezäunt und abgesperrt und fleißige Pumpen, die dort installiert
wurden, bringen jeden einzelnen Tropfen in das Röhrensystem der jüd. Siedler.
Könnte nicht eines dieser
Wasserleitungsrohre mit dem nahen
Ein-al-Hilweh verbunden werden? Nicht solange die Angestellten der
Zivilverwaltung der Militärregierung (von den bewaffneten Streitkräften des
Staates Israel) alles zu sagen haben, auch was diese Leute betrifft.
Ein-al-Hilweh ist eine von
mehreren lästigen arabischen
Dörfern, die dort existieren, wo sie nicht sein sollten – nämlich im Jordantal,
das alle israelischen Regierungen
seit 1967 als strategisches Gebiet
beanspruchten, das ständig unter israelischer Herrschaft bleiben müsste.
Man spart nicht mit
Bemühungen, sie das wissen zu lassen. Deutlich wird ihnen gesagt, dass
sie ein unerwünschtes Hindernis sind, und dass es sehr entgegenkommend
sein würde, wenn sie einfach verschwinden würden.
Ihres Brunnens beraubt,
sind die Menschen von Ein-Al-Hilweh gezwungen, sich das Wasser in
von Traktoren gezogenen Tankwagen
aus 25km Entfernung zu holen. Ein mühseliger und teurer Weg, sich und
seine Haustiere mit Wasser zu versorgen. Ein Kubikmeter Wasser
kostet zehnmal mehr, als das, was die Leute, die Siedler, zahlen müssen,
die das Privileg haben, fließendes Wasser durch die Wasserleitung zu erhalten.
Für die Leute von Ein-al-Hilweh, die im heißesten Teil des Landes leben, (jetzt
40Grad) gibt es den Luxus einer
Dusche nicht, um den verschwitzten Körper zu erfrischen. Doch noch halten sie
hartnäckig an ihrem kleinen Stück Land fest.
Vor einer Woche kam die
Armee mit einem neuen Trick. Die Soldaten kamen nach Ein-al-Hilweh und mehreren
anderen Gemeinden, die in derselben Situation sind, konfiszierten die
Wassertanks und das kostbare Wasser in ihnen. Der Grund? Ein wesentlicher
Verdacht der Diensthabenden sei, dass diese Tanks dazu benützt werden, ein
Verbrechen zu begehen – das heißt „Wasserdiebstahl“.
Die meisten Fernsehkanäle
wussten nichts davon und kümmerten sich nicht um diese besonderen Nachrichten,
nur Gideon Levy schreib darüber in Haaretz.
Und da wären wir nun – eine
Gruppe von versammelten Aktivisten
am gewohnten Verabredungspunkt außerhalb des Arlosoroff- Bahnhofs in Tel Aviv
und eine andere Gruppe aus Jerusalem und anderen Teilen des Landes. Zwei
Minibusse, einige Privatwagen plus einem vollen Wassertank, als Solidaritätsgabe
und ein paar Dutzend Flaschen Mineralwasser. Das kam alles zusammen auf Grund
der Bemühungen von Ya’akov Manor aus Kvar Sava, dem unermüdlichen Katalysator
von gemeinsamen Aktionen von Friedensgruppen.
Es ist tatsächlich nicht
schwierig, ins Jordantal zu gelangen, obwohl es selten beim durchschnittlichen
Tel Aviver passiert. In den 90er
Jahren hat Ariel Sharon große Summen Geldes in eine Reihe von „Umgehungsstraßen“
investiert, die die Westbank mit dem Ziel durchschneiden, das Jordantal
schneller zu erreichen. Der größte Teil der Straßen ist nur für Israelis – die
palästinensischen Orte auf beiden Seiten der Straße sind nicht mit ihr
verbunden.
Unser kleiner Konvoi fiel
im Siedlerverkehr kaum auf, und an den Checkpoints winkten uns die Soldaten
durch, ja, warfen kaum einen Blick auf uns.
Der Fahrer machte das Radio
an: in der Mitte einer heißen Debatte, ob die Haredim (Ultra-Orthodoxe) in die
Armee gehen sollten oder könnten. Einer der ranghohen, im Ruhestand befindlichen
Offiziere sagt: „Einige der Haredim sind schon
in Sondereinheiten eingezogen; und die Resultate sind ausgezeichnet. Das
Netzach Jehuda Bataillon („Ewiges
Judäa“) ist im Jordantal eingesetzt und hat dort sehr gute Arbeit geleistet …“
„Was ist das? Mach diesen Mist aus!“ rief die Frau, die hinter dem Fahrer saß.
Er stellt das Radio auf einen Sender mit klassischer Musik.
Das Jordantal. 41 Grad
Celsius, aber weniger feucht als die Küstenebene. Wir machen an einem kleinen
Shoppingzentrum kurz Halt. Eine
Reihe ordentlicher Läden, ein Drahtbehälter voll leerer Plastikflaschen mit der
Bemerkung: „es ist verrückt, sie nicht zu recyceln.“. Mehrere Aktivisten stehen
am Eingang eines solchen Ladens, der Getränke verkauft . „Diese Läden werden
wahrscheinlich von Siedlern geführt, wenn wir hier kaufen, helfen wir ihnen, das
Wasser der Palästinenser zu stehlen,“ sagt einer. Der Ladenbesitzer unterbricht
ärgerlich. „Wir stehlen Wasser? Wenn ihr so redet, werden wir euch nichts
verkaufen.“ „Wer – zum Kuckuck -
will denn hier etwas kaufen?“ Ein
Austausch gegenseitiger Beschimpfungen wird beendet, und wir kehren zu unsern
Fahrzeugen zurück,
Eine kurze Fahrt
weiter und wir sind mitten in der 3. Welt – um genau zu sein, einem
besonders vernachlässigtem und elenden Teil von ihm . Eine Reihe armseliger
Hütten und armseliger Unterstände, ein paar Tiere, eine Wäscheleine mit Hemden
und Hosen. Dies ist Abu al Ajaj, einer der sechs Teile der palästinensischen
Stadt Jiftlik. Der Name kommt vom türkischen Chiftlik, was Familienbesitz
bedeutet. In Ottomanischen Zeiten waren die Leute hier Pächter, die von ihren
Ernten viel an die mächtigen Landbesitzer abgeben mussten.
Wie wir bald herausfanden,
war das vorherige Einkaufzentrum für die Palästinenser nicht zugänglich, die so
nahe dran wohnten – und doch so fern.
Fathi Hudirat von der
Jordantal-Solidarität kam und
begleitete uns als Führer und Gastgeber. „Seht, die Stromleitung, die über die
Hütten geht. Sie geht direkt über ihre Köpfe hinweg, aber es ist ihnen nicht
erlaubt, angeschlossen zu werden,“ sagt er. „Selbst in der Apartheid von
Südafrika gab es so etwas nicht. Da bestand wohl eine sehr starke Trennung
zwischen Weißen und Schwarzen, aber sogar dort erhielt jeder Wasser aus
derselben Wasserleitung und Strom aus derselben Leitung.
Der freundliche und gut
gekleidete Hudirat gehört in einen etwas besseren Teil des palästinensischen
Jordantales ; „Das Jordantal ist mehr als 30% der Westbank und nur in ein paar
kleinen Teilen werden Palästinenser geduldet. Da ist die Jericho-Enklave
und ein paar andere kleine Enklaven – wie mein Heimatort Bardala
(ganz im Norden). Wir werden ziemlich zusammengedrängt und
schrecklich eingeengt, aber wenigstens dürfen wir feste Häuser bauen. Die
Leute hier können das nicht. Sie werden ständigen Schikanen ausgesetzt, ihr
Leben ist eine Hölle.“ Tatsächlich lebten in der Vergangenheit sehr viel mehr
Palästinenser in Jiftlik. 1967 wurden Tausende nach Osten
über den Jordan vertrieben und Hunderte von Häusern wurden dem Erdboden
gleich gemacht. „Nur die Moschee
blieb stehen – innerhalb eines Militärlagers. Wir nennen sie „Die gefangene
Moschee“; kein Muslim hat seit 1967 einen Fuß hineingesetzt. Im Augenblick ist
Jiftlik für etwa 4000 Bewohner ein unsicheres Zuhause.
Die Jordantal-Solidarität
ist eine Grassroot-Organisation, die sich dem gewaltlosen Widerstand gegen die
Besatzung widmet. Ihre Mitglieder machen Rundgänge durch die Dörfer und
Zeltlager, unterstützen die Dorfbewohner durch besseres Organisieren, überwachen
die Menschenrechts-verletzungen und bemühen sich darum, die Außenwelt dies
wissen zu lassen und organisieren juristische Hilfe, und als Aktivisten bauen
sie zerstörte Strukturen wieder auf. Sie arbeiten zusammen mit der „Gesellschaft
der Freunde“, besser als Quäker bekannt, und zusammen mit ihnen renovierten sie
ein Jahrhunderte altes Haus, das zum Aktionszentrum geworden ist. Aktivisten
sind ständig dort, manchmal fünf, manchmal zwanzig – Internationale.
Palästinenser aus dem Tal und sonst
woher, manchmal sogar Israelis.
Sie würden es sehr zu
schätzen wissen, wenn es noch größere israelische Präsenz und Engagement gebe,
wie es Ta’ajush seit Jahren in den südlichen Hebronhügeln tun, wo
palästinensische Gemeinden sich ähnlichen Problemen gegenübersehen.
„Geschenke von Wasser oder
Lebensmittel nehmen wir auch mit
großem Dank als einen Akt der Solidarität entgegen, noch dankbarer wären wir
allerdings, wenn ihr die Welt wissen lasst, wie es uns hier geht. Es ist eine
Schande, eine schreckliche Schande. Ich sah, dass ihr ein Poster
mit den Worten mitgebracht habt: „Ein kleiner Tropfen gegen die Schande.“
Das ist wahr. Eine Schande, nicht nur für die, die uns dies antun. Eine Schande
für jeden. Wir sind alle Menschen.“
Hudirat erzählt von einigen
Fällen, mit denen seine Gruppe zu tun hat. Es gibt hier einen ziemlich reichen
Bauer, einer der wenigen glücklichen, die genug Wasser und Land hatten, genug
für seinen Palmenwald. Aber jetzt behauptet die Armee, dass dies Staatsland sei.
Wenn er vor Gericht verliert, dann verliert er alles. Das nicht protzige, aber
ordentliche und gemütliche Haus des
Bauern war schon zerstört worden.
Und der Fall der
Korzolia-Quelle. Es ist eine kleine Quelle dort am Bergabhang. Vier Brüder leben
dort mit ihren Familien. Sie bekamen von der Zivilverwaltung eine
Vertreibungsorder. Der Anwalt Taufic Jabarin, ein israelischer Araber aus Umm el
Fahm, ging für sie vor Gericht -
und gewann. Am nächsten Tag bekamen sie noch eine Vertreibungsorder. Dieses Mal
vom israelischen Umwelt-Ministerium, um die natürliche Quelle zu schützen. Der
Anwalt versucht auch dagegen anzukämpfen.“
Während wir zuhörten, hielt
ein Armeejeep und ein Armeeoffizier
stand unauffällig neben uns. Er unterbrach nicht, aber unsere Gegenwart wurde
vorschriftsmäßig notiert. Wenige Minuten später fuhren wir weiter nach Norden,
wo wir in Ein-al-Hilweh schon erwartet wurden. Unterwegs wurden wir von einem
Checkpoint aufgegehalten.
Nur wir. Alle anderen
wurden durchgewinkt. „Wir haben Order. Diese beiden Minibusse müssen
aufgehalten werden,“ sagt einer der jungen Soldaten und steckt die
Ausweise der Fahrer in die Tasche. 20 Minuten vergehen
in brennender Juli-Mittagssonne… „Ich habe die Telefonnummer des
zuständigen Offiziers für das ganze Jordantal. Es gab ein paar Fälle in der
Vergangenheit, als er sich
einigermaßen vernünftig verhielt.“ Schließlich
gaben die Soldaten die Personalausweise zurück und wir konnten
weiterfahren.
Ein-al-Hilweh: Eine Gruppe
von Dorfbewohnern, vom 91 Jährigen Patriarchen Ealian Daragmeh angeführt wartet
auf uns. Einige scheue Jungs,
andere ziemlich kühn gegenüber den Besuchern. Zelte und Hütten, die etwas besser
erhalten sind als die in Abu al-Ajaj. Hühner laufen herum. Ein Esel; ein Dach,
das dicht zusammengedrängten Kühen etwas Schatten gibt. Und – Wassertanks. Es
kommt heraus, dass die Armee eine riesige Summe Lösegeld für die konfiszierten
Geräte verlangt. Aber der palästinensische Ministerpräsident will sie
hier und an anderen Orten mit neuen ausrüsten.
Aktivisten verteilen sich
zwischen den Zelten und halten Poster mit hebräischen und englischen Slogans:
„Stoppt den
absichtlich verursachten Durst!“ „Stoppt die Verweigerung von Wasser!“,
„Jede Person hat ein Recht auf Wasser“, „Richter Levy, hier ist Besatzung!“
„Juden bekommen Wasser – den Arabern wird es weggenommen, hier herrscht
Apartheid!“
Nahe dem Kuhunterstand
interviewt ein Reporter vom deutschen ARD-Radio einige Teilnehmer. „Die
Menschen in Europa sollten wissen, was hier vor sich geht. Dies hat nichts mit
den Launen eines Offiziers zu tun, das ist Politik,“ sagt einer der jüd.
Aktivisten. „Vor ein paar Monaten machte Netanjahu nicht weit von hier einen
Besuch und hielt eine Rede: Das Jordantal muss auf immer israelisch bleiben. Ich
denke, dass nicht Netanjahu persönlich die Konfiszierung des Wassers und andere
Schikanen gegenüber den Palästinensern befohlen hat. Das hat er nicht nötig.
Offiziere vor Ort wissen, welche
spezifischen Maßnahmen zur Politik gehören.
Wir gehen in ein großes
Zelt, um den Patriarchen Fathi Daragmeh zu hören . Er spricht arabisch, Hudirat
übersetzt ins Englische. Zunächst redet er zögerlich, da öffentliches Sprechen
für ihn völlig ungewohnt ist; dann gewinnt er Vertrauen.
„Ihr
seid alle herzlich willkommen. Wir Palästinenser und Israelis sind beide
in diesem Land geboren. Wir müssen einen Weg finden, um zusammen zu leben und
die Probleme zu lösen.
Es gibt keinen anderen Weg.
Wir leben seit vielen
Generationen hier. Wir haben neben der Quelle gewohnt, neben unserer Quelle. Wir
haben uns an der Quelle erfreut. Nun wurde sie uns weggenommen. Sie wurde den
Siedlern von Maskiot gegeben. ( jetzt wohnen Siedler dort, die aus dem
Gazastreifen kamen)
„Wir hassen die Siedler von
Maskiot nicht. Wir versuchen, gute nachbarschaftliche Beziehungen zu schaffen.
Aber wir waren nicht sehr erfolgreich. Einmal riss eines unserer Pferde
aus und kam in die Siedlung. Ihr Sicherheitsmann wickelte ein Seil um den
Pferdehals und zog ihn hinter dem Wagen her, bis es starb. Reine, grundlose
Grausamkeit gegenüber einem Tier.
Ein paar Monate später riss eines ihrer Pferde aus und kam zu uns. Wir gaben dem Pferd Futter und Wasser und stellten es in unsern Stall. Dann rief ich den Sicherheitsmann an. Ich bot ihm Kaffee an und sagte ihm: „Ihr habt unser Pferd getötet, wir haben uns um euer Pferd gekümmert, ihr könnt es zurücknehmen.“ Er sagte nur: „Wir sind stark und ihr seid schwach“. Er nahm das Pferd, den Kaffee rührte er nicht an.“
Wir sind fast die einzigen,
die im Jordantal noch Kühe halten. Die palästinensische Kuh.
Früher gab es viele hier im
Tal. Aber jetzt ist es
schwierig. Kühe brauchen eine Menge Wasser, und das ist sehr schwierig zu
beschaffen. Sie brauchen Weiden, und die meisten Wiesen sind jetzt in den Händen
der Armee oder der Siedler; wir können nicht dorthin gehen. Vor ein paar Wochen
überquerten Kühe meines Bruders die Straße. Die Armee konfiszierte sie, und wir
mussten eine Menge Geld zahlen, um sie zurück zu bekommen. Kühe mögen sich im
Sommer gern im Schlamm wälzen, um sich so vor Fliegen zu schützen, aber hier
gibt es keinen Schlamm mehr. Es wird uns nicht erlaubt, an das Ufer des
Jordanflusses zu gehen – es ist militärisches Gebiet.
Ihr könnt euch nicht
vorstellen, wie viel Mühe es macht, Kühe unter den Bedingungen zu halten, in
denen wir leben. Wir sind fünf Brüder mit unserm alten Vater und unsern
Familien. Wir arbeiten Tag um Tag sehr hart, damit wir unsere 50 Kühe halten
können. Die Kühe sind alles , was wir haben.“
(dt. u. gekürzt: Ellen
Rohlfs)