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Ein anglikanischer Staat

 

Adam Keller  in Crazy Country, 30. April 2011

 

 

In den Abendnachrichten des israelischen Staats-Fernsehens machten die Interviewer und Kommentatoren eine kleine Pause von den täglichen Mühen und wandten sich mit einem Lächeln der größten Medienschau zu, die es je gab: der königlichen Hochzeit in London. Der Kommentator Ari Shavit nützte die Gelegenheit zu einer sarkastischen Bemerkung: Die ganze Welt beklagt unsere Hartnäckigkeit, dass Israel ein jüdischer Staat sei. Aber hier sehen wir, dass diese Feier in London ganz klar eine religiöse Feier ist, die eine lange religiöse Geschichte hat. Prinz William wird, wenn er König werden wird, auch das Oberhaupt der Kirche von England – und keiner beklagt sich darüber.

 

Es kann tatsächlich keinen Zweifel darüber geben, dass es in England nie eine Trennung zwischen Kirche und Staat gegeben hat. Offiziell und rechtlich ist die Anglikanische Kirche von England noch immer die offizielle Staatskirche. Noch hat keiner deshalb die Schlussfolgerung gezogen, dass die Anglikaner eine privilegierte Position in England haben.

Keine Maßnahmen der Regierungspolitik werden mit dem Ziel vorgenommen, unter allen Umständen die anglikanische Mehrheit aufrecht zu erhalten. Und keiner würde davon träumen, zu behaupten, dass Staatsland einzig und allein die Domäne der Anglikaner wäre. Kein Mitglied des britischen Parlaments würde an ein Gesetz denken, das ein „Zulassungskomitee“ veranlasst, das Nicht-Anglikaner aus der Gemeinschaft ausschließt, weil sie nicht ins soziale Gefüge passen. Irlands Unabhängigkeit wurde nach Jahrhunderten britischer Herrschaft nicht unter der Bedingung der Anerkennung Englands als anglikanischer Staat gemacht. Noch wurde solch eine Bedingung bei Indiens Unabhängigkeit gemacht. Und England verlangt nicht die Einhaltung der religiösen Gesetze von jenen Anglikanern, die sie nicht freiwillig halten.

Jeder. der Geschichtsbücher liest, wird zwar finden, dass es einmal solche Gesetze und Praktiken in England gegeben hat, die die Kirche von England unwilligen Leuten auferlegt hat und Nicht-Anglikaner zu Bürgern 2. Klasse machte.

 

Das ist aber schon lange her. Solche Gesetze wurden abgeschafft und vor Hunderten von Jahren aus den Gesetzbüchern gestrichen und keiner denkt daran, sie wieder einzuführen.

 

Was bedeutet dann heute der anglikanische Charakter Englands. Es ist meistens eine symbolische Sache, verschiedene farbenfrohe Zeremonien, die von Zeit zu Zeit gehalten werden und die keinen wirklichen Einfluss auf den Alltag haben. Wie die königliche Familie, die keine politische Macht hat und die hauptsächlich damit beschäftigt ist, alle möglichen Zeremonien wie „große Hochzeitsschauen“ zu veranstalten.

 

Falls jemals der Staat Israel zustimmt, den jüdischen Charakter des Staates auf das Gebiet der Symbole und Rituale zu reduzieren und das tägliche Leben auf der Basis völliger Gleichberechtigung seiner Bürger zu führen, dann könnte es viel einfacher sein, dies der Welt zu erklären.

 

(dt. Ellen Rohlfs)