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George
Khoury, Juli 2015
Ich
wurde 1945 in West-Jerusalem geboren, wie die jüdische Hälfte von Jerusalem
genannt wurde. Unter einem
Kugelschauer, der über unsere Köpfe flog , packte mein Vater
1948 mich und den Rest der Familie und floh am Vorabend
der Errichtung des Staates
in seine Geburtsstadt Nablus. Wir blieben in Rafidia-Nablus und zogen 1952
nach Ramallah, wo mein Vater eine Stelle bei der Post bekam. Ich ging in
die Gemeindeschule und 1961 besuchte ich das Priesterseminar in Beit Jala, um
Priester zu werden. 1968 verließ ich das Seminar, wo ich außer Philosophie und
Theologie Französisch und Latein lernte. Ich kam im September 1969
in die USA und begann mit
dem Studium an Seton Hall-Universität in South Orange, New Jersey, wo ich meinen
Hochschulabschluss in der französischen und spanischen Sprache ablegte. 1975
machte ich an der
Universität Montclair in New Jersey den Magister.
Ich zog
im selben Jahr noch nach Kalifornien, wo ich Fremdsprachen auf Hochschulebene
unterrichtete. Ich begann 1985 mit
dem Doktorats-Programm in Theologie am Graduate Theological Union in Berkeley,
Kalifornien und machte dort 1990 meinen Doktor. Ich schloss mich dem
Dekanats-Programm an, da ich in
verschiedenen Gemeinden als Diakon
in der Erz-Diozöse von San Francisco arbeiten wollte.
Nach 21
Jahren Abwesenheit von meiner Heimat Palästina entschied ich mich, zurück zu
gehen, diesmal als amerikanischer Bürger mit einem amerikanischen Pass, der mir
1975 gewährt wurde. Die Fahrt war mit Pater Bernard Poggi als Pilgerreise
gedacht und als längst fälliger Besuch meiner Heimat, um Freunde und Familie
nach Jahrzehnten wiederzusehen. Am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv angekommen,
erlaubte man Pater Bernard einzureisen. Als ich kontrolliert wurde, wurde ich
von einer jungen Soldatin
in den „Grünen Raum“ begleitet, um dort
ausgefragt zu werden. Das Gespräch mit dem Flughafen-Agenten (A) (Vermutlich
einer vom Shin Bet) begann:
„Oh, Sie
kommen über den Ben-Gurion-Flughafen?“
Ich(Kh): Ja, ist das falsch?“
A: Das
geht nicht.“ Kh:
„Warum? Ich habe einen amerikanischen Pass. Ich kam mit Pater Bernard, um
ein paar Wochen in Jerusalem zu verbringen. Wir sind auf einer Pilgerreise und
besuchen einige Freunde und die Familie.“
A:
„Nein, nein, Sie können so nicht nach
Israel kommen. Sie sollten über die Allenby-Brücke gehen.“
Kh: „Warum das? Ich komme
nicht als Palästinenser, ich komme als amerikanischer Bürger.“
A: Nein,
Sie sind ein Palästinenser. Warum
verleugnen Sie, dass Sie ein Palästinenser sind?“ Kh:
Ich verleugne nicht, dass ich ein Palästinenser bin. Ich bin vom Kopf bis
zu den Füßen palästinensisch. Mein
Vater ist Palästinenser. Meine Mutter ist Palästinenserin, auch meine Brüder und
Schwestern. Mein Großvater war ein griechisch-orthodoxer Priester und ich kann
die Wurzeln meiner Familie 500 Jahre
zurückverfolgen. Ich verleugne gar nichts“.
A: Nein,
nein Sie gehören zum palästinensischen Volk. Dies ist unser Israel, es gehört
den Juden. Kein Palästinenser sollte nach Israel kommen. Sie müssen über die
Allenby-Brücke gehen.“
KH:
„Warum sagen Sie das? Hatte ich je
einen palästinensischen Pass? Lebte ich je unter der
Palästinensischen Behörde. Nachdem die PA
eingesetzt wurde, war ich nicht in Palästina und ich habe nie einen
palästinensischen Pass beantragt.“
A:
Sie haben aber eine israelische Identitätskarte“ (er bezieht sich auf
eine israelische ID, die mir gegeben wurde, nachdem Israel
1967 die Westbank besetzte. Ich hatte diese ID bis ich 1969 in die US
ging)
Kh: Eine
israelische ID ist kein palästinensischer Pass.
Eine israelische ID wurde mir gegeben, als ich in Beit Jala studierte.
Juristisch gesprochen: ich war niemals Bürger eines Landes, das Palästina hieß.
Ich komme mit einem amerikanischen Pass, und das sollten Sie anerkennen/ehren.“
A: „Wie
soll ich Ihren amerikanischen Pass ehren? Soll ich ihn küssen, umarmen oder
anbeten? Außerdem sind Sie unhöflich und haben schlechte Manieren. Sie sind ein
Palästinenser und unhöflich, mit
schlechten Manieren.“
Kh:
Ich bin weder unhöflich, noch habe ich schlechte Manieren – ich habe nur
die Fakten vorgebracht. Ich habe Ihnen nur erzählt, dass ich ein Amerikaner bin,
der in den vergangenen 40 Jahren amerikanischer Bürger war und der seit 46
Jahren in Amerika lebt. Sie ignorieren also all diese legalen Fakten und
konzentrieren sich nur auf meine palästinensische Vergangenheit.
A:
Sie werden nach Jordanien deportiert und kommen über die Allenby-Brücke,
um ihren Besuch in der Westbank zu machen.“
Ich
kehrte zu Pater Bernard zurück, der auf mich wartete. Ich erzählte ihm, was mit
dem Shin Beth-Agenten geschehen war. Wir warteten. Der Mann kam mit
Deportationspapieren zurück und ließ mich
in Gegenwart von Pater Bernard verstehen, dass ich nach Jordanien
deportiert werde. Ich wartete auf zwei andere Sicherheitsleute, die mir sagten:
„Sie werden nicht nach Jordanien deportiert: Sie müssen dorthin zurück, von wo
Sie herkamen.“ (Fiumicimo Flughafen
, Italien) „Mir wurde aber eben
gesagt, dass ich nach Jordanien deportiert werde“. Sie fragten: Wer hat das
gesagt?“
Kh: „Ich
weiß seinen Namen nicht. Glauben Sie, er habe mir seinen Namen gesagt? Es ist
der Mann von der Sicherheit im Büro, der mich gerade die Deportations-Papiere
unterschreiben ließ“. Sie sagten: Nein, sie müssen zuerst nach Italien zurück.
Wenn Sie dann über Jordanien zurückkommen wollen, ist das Ihre Sache.“
Ich war sehr erschrocken, hatte aber keine Wahl. In Gegenwart der
israelischen Beamten, gibt mir Pater Bernard seine jordanische Telefonnummer,
und wir machen ab, dass wir uns am folgenden Tag in Jordanien treffen.
Bernards
und meine Wege trennten sich: Ich ging mit dem israelischen Sicherheitsbeamten
zurück. Sie hielten mich (und andere) am 21.Juli
auf dem Flughafen bis 1 Uhr 30 fest. Schließlich brachten sie uns
ein belegtes Brot. Einige der andern, die mit mir waren, waren eine
palästinensische Frau und ihre
Tochter (Palästinenser, aber US-Bürger) Sie waren ursprünglich mit ihren beiden
Söhnen gereist, die aber in Amerika geboren waren. Ihnen wurde erlaubt, nach
Israel einzureisen. Die Beamten
sagten den beiden, dass sie in die USA deportiert würden – aber getrennt. Sie
brachen in Tränen aus und baten
händeringend darum, wenigstens zusammen deportiert zu werden, aber ohne Erfolg.
Eine junge Engländerin war auch dabei, die mir sagte, sie würde mit einer
Menschenrechts-gruppe in Israel zusammen arbeiten, ein Koreaner und eine junge
Russin; keiner von ihnen sprach viel Englisch.
Sie
fuhren uns eine halbe Stunde lang vom Flughafen entfernt. Im Wagen saß noch der
junge Koreaner, der kaum Englisch sprach, hungrig und ohne einen Pfennig; er
fragte die beiden Wächter mit schwacher Stimme: „Werden wir heute Nacht
sterben?“Wir wurden in einem Bully
mit Gitter transportiert – der für
Gefangene gedacht ist. Sie behandelten uns wie Kriminelle in einen Gefängnis,
das sie Auswanderung nannten …
Sie
sperrten uns ein, verbaten mir persönlich, mein Handy zu benützen,
verbaten mir, ein Buch in den schmutzigen Raum
mitzunehmen. Sie warfen mich zu einem Haufen armer, hungriger und
unorientierter Männer mit verschiedenem nationalem und ethnischem Hintergrund.
Es war inzwischen 2 Uhr nachts.
Wir
verbrachten den ganzen Dienstag im Haftzentrum und wussten nicht, wann wir es
verlassen würden. Ein arabischer Wächter war vor der Zelle. Ich wagte ihn zu
fragen: „Du kennst all unsre Namen und alles über uns. Wie heißt du?“ „George“.
Seinem Akzent nach zu schließen, kam er aus Nazareth. Ich fragte ihn: „Warum
behandelt man uns wie Gefangene?“
„Das ist nun mal so!“ Schließlich
ließ er mich, meine Frau Nariman anrufen, um ihr zu sagen, wo ich bin. Die
andern Wärter blieben völlig
anonym, sie beleidigten uns mit ausfälligen Ausdrücken und verbaten uns, mit
denen in andern Räumen am langen Korridor zu reden. Ich schlief keinen
Augenblick, weil die ganze Nacht helles Neonlicht brannte.
Um 4 am
Morgen kam der Wärter und sagte mir, ich solle mich für meinen Flug fertig
machen. Er hörte mich mit der palästinensischen Frau arabisch sprechen, die im
gegenüber liegenden Raum festgehalten wurde. Als er am Morgen zurückkam, sagte
Samars Mutter, dass sie uns vielleicht nur ein bisschen aufmischen, aber uns
schließlich nach Jordanien
deportieren würden. Er war sehr ärgerlich und schrie: „Ich sagte euch, dass ihr
nicht miteinander reden sollt. Ich versuche, euch zu respektieren … Geht weg von
der Tür!“
Etwa um
8 Uhr kam er in den Raum und nahm mich wie wahnsinnig mit und sagte mein
Flugzeug stünde fertig (zum Abflug) bereit. Wie ein Verrückter fuhr er zum
Flughafen, nahm mich direkt zur Piste.
Als ich
im Flugzeug war, fragte ich: „Wohin
deportiert ihr mich genau?“
„Nach
Bogota“ Ich sagte:
„nach Bogota? Warum?“ „ Bist du nicht Carlos?“
„Nein,
ich bin George Kjoury! Bitte, zeigen Sie mir den Pass in Ihrer Hand!“ bat ich.
Er gehörte einem Kolumbianer mit Namen Carlos.
Dem
Wärter wurde sein Irrtum klar und er raste mit mir zurück ins Haftzentrum. Die
rasende Fahrt verschlimmerte meine Ischias-Schmerzen. Ich wurde im Haftzentrum
wieder in die Zelle gebracht. Er rief nach Carlos, der schlief und wachte auf:
„Ich bin Carlos!“ Er wurde
mitgenommen.
Ohne
jetzt in jedes Detail zu gehen: am Mittwoch um 9Uhr30 kamen sie zurück und
nahmen mich wieder mit zur Piste, wo wir lange Zeit warten mussten,
bis anscheinend das Flugzeug
besetzt und fertig war. Mir wurde gesagt, ich würde jetzt nach Italien fliegen,
von dort könne ich dann nach Jordanien zurückfliegen. Im Moment, bevor ich das
Flugzeug bestieg, hielt er eine Reihe Flugkarten in der Hand, mit denen ich über
Italien zurück in die US , nach New York und dann nach San Franzisco fliegen
sollte. Der italienische Agent sagte mir, dass mir der Pass dann zurück gegeben
wird, wenn es sicher sei, dass ich im Flugzeug
nach den US sitze. Genau das
geschah. Als ich in Italien ankam und bevor ich ausstieg, bat ich die Stewardess
um meinen Pass. Sie sagte mir, dass sich ein Mann darum kümmern würde, der
draußen auf mich warten würde. Ein italienischer Offizier wartete am Fuß der
Treppe auf mich. Er nahm mich in einem Jeep zu einem unbekannten Ort – so etwas
wie eine Polizeistation. Er führte mich zu einem Raum
mit 5 oder 6 Leuten, wo unsere Bewegungsfreiheit eingeschränkt war.
Nachmittags um fünf bekam ich einen Flug, der mich in die USA brachte. Dort
wurde mir der Pass ausgehändigt.
Ich kam
etwa um 8 Uhr abends an diesem Tag in New York an. Ich musste
bis zum nächsten Morgen im Flughafen bleiben, wo ich
um 6Uhr an Bord eines Flugzeuges ging. Die ganze Zeit hatte ich mein
Tasche auf dem Schoß und versuchte, für Momente meine Augen zu schließen,
während ich auf einer harten Bank saß und die Minuten und Stunden bis zum Abflug
um 6 Uhr morgens zählte und versuchte, durchzuhalten, da in meinem
abgegebenen Gepäck mein Insulin, meine Brieftasche und mein iPhone waren . Ich
bin Diabetiker und von meiner Medizin getrennt sein
würde fatal sein.
Ich kam
schließlich völlig erschöpft am Donnerstag um 11Uh37 in S.F. an. Ich rief meinen
Reise-Agenten an, ob er herausfinden könnte, ob ich für mein gestohlenes Gepäck
und die Rückflugkarte, die ich
nicht benützt habe, entschädigt werden könnte. Er fand heraus, dass alles Geld
schon benutzt wurde, um die Deportation
zurück in die USA zu bezahlen.
Ich bin
jetzt also wieder zurück in San Franzisco. Sie nahmen mir, was für mich
nach langer Arbeitszeit Ferien sein sollte, auch das Wiedersehen mit meiner
Heimat und alten Freunden – und machten dies zu einem
höllischen Alptraum. Ich wurde
geringschätzig behandelt, erniedrigt und so behandelt, als ob ich ein
Verbrechen begangen hätte. Ich erzähle meine Geschichte, um Leute. die Palästina
besuchen auf das rücksichtslose
Vorgehen eines rassistischen Gebildes vorzubereiten. Das ist keine einzigartige
Geschichte. Es gibt viele andere Beispiele von arabischen Amerikanern, die bei
jedem Grenzüberschritt nach Israel
oder in die Westbank rassistisch
behandelt worden sind. Schikanen, Verhaftung und Verhöre sind wesentliche
Bestandteile des israelischen Staates, um Palästinenser
aus Israel-Palästina fern zu halten, aber mehr Juden herein zu bringen.
Es sind auch meine Steuer-Dollars – 3 Milliarden
für wirtschaftliche und militärische Hilfe – womit auch die Unterdrückung
des palästinensischen Volkes finanziert wird. Ohne die blinde
und bedingungslose
finanzielle und politische Unterstützung des Staates Israel, könnte die
Besatzung und all ihre Tragödien gegen die Palästinenser nicht fortgesetzt
werden.
(dt.
Ellen Rohlfs)