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Der Beginn  des amerikanischen Frühlings

Bei einer Konferenz über die israelische Lobby in Washington:  Selten gehörte Bemerkungen

 

Gideon Levy,  Haaretz, 12. 4. 15

Washington D.C.  Die Hauptstadt hat offiziell den Beginn des Frühlings erklärt. Die Kirschbäume stehen in voller Blüte und hüllen die Stadt in eine liebliche weiße und rosa Wolke ein. Und die nationale Kirschblütenparade fand am Samstag statt. …

Während das übliche Geschäft läuft, fand ein vollkommen ungewöhnliches Ereignis im Nationalen Presseclub statt, und zwar bei einer Konferenz am Freitag mit dem Thema: „Die Israel-Lobby: Ist sie gut für die US?  Ist sie gut für Israel?“ mit gefördert vom Washington-Report über Nah-Ost-Angelegenheiten  und dem Institut  für Forschung: Nahostpolitik. Hier fielen Bemerkungen, wie sie in den US selten gehört werden. Unter den Teilnehmenden waren Mitglieder des US-Kongresses, frühere Diplomaten und Offizielle des Geheimdienstes, palästinensische Studentenführer, jüdische Aktivisten von der Linken und Akademiker. Dies war nicht das Saban-Forum, nicht die AIPAC-Politik-Konferenz. Es war das andere Amerika. „Willkommen im anderen von Israel besetzten Gebiet: Washington“ sagte einer vom Podium halb im Scherz. In einer Zeit eines neuen Scheitelpunktes israelischer Beeinflussung in der US-Hauptstadt und einem neuen unfassbaren Tiefpunkt, was die unterwürfige amerikanische Haltung vor Israel betrifft, in einer Zeit  des Zornes, der Beharrlichkeit, der Furcht und vielleicht  auch des Hasses  der wenigen wurde  klar auf der Konferenz gehört. Wenn ihre Stimmen wachsen, dann sollten Israelis dessen gewahr werden.

Die Studentenführer, die jetzt an der Front stehen, sprachen  von dem kompromisslosen Krieg, der sie auf dem Campus von jüdischen Organisationen zum Schweigen bringen will. Das geschieht vermutlich durch die Nachhutaktion der Hillel International. Die Zerstörungskraft der zionistischen Propagandamaschine hier  wird eines Tages als  fataler Irrtum entblößt werden. Sie regt mehr die Opposition als Unterstützung an. Die Ex-Politiker berichten auch, wie schwierig es war, Kritik an Israel auszuüben. Paul Findley, 93, ein republikanischer US-Vertreter aus Illinois (1961 -83) erwähnte  einen seiner Diplomatenfreunde: es wäre unmöglich Israel  gegenüber dem Außenminister über die üblichen Kanäle zu kritisieren, höchstens in einem Gespräch unter vier Augen.

Da gibt es Hunderte von Leuten in der Regierung, deren Gehalt vom US-Steuerzahler bezahlt wird und der glaubt, ihre einzige Aufgabe sei es, Israel zu verteidigen, ja sogar durch Zerstörung der Redefreiheit, fügte Findley hinzu. Seine Stimme zitterte, als er sagte, die Konferenz wäre eine seltene Gelegenheit, solche Gedanken auszusprechen. Er sprach von der lähmenden Furcht, Israel zu kritisieren, um nicht als Antisemit bezeichnet zu werden. Es sind nicht die Politiker, die das Land führen - es sind die Lobbiisten, einschließlich der jüdischen Lobby, sagte Findley. Seine Bemerkungen wurden von Nick Rahall wiederholt, der demokratischer  US-Vertreter  aus West-Virginia 38 Jahre lang war  und der sagte „die amerikanische Demokratie  wird von reichen Geschäftsleuten wie Sheldon Adelson  entführt.

Paul R. Pillar, früheres Mitglied des U.S. Geheimdienstes erklärte in einem brillanten Vortrag die Vorteile eines nuklearen Abkommens mit dem Iran und behauptete, dass Israels Opposition dagegen aus Furcht  herrührte,  die Besatzung würde das Hauptproblem werden.

Ist dies der Beginn einer wunderschönen Freundschaft, in der die US endlich Israel zu kritisieren wagt und Druck auf Israel ausüben wird? Es ist noch zu früh, dies zu beantworten.

 In der Zwischenzeit lässt der amerikanische Frühling die Kirschbäume blühen.

(dt. und gekürzt Ellen Rohlfs)