Israel Palästina Nahost Konflikt
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Gideon Levy, Haretz, 13. August 2009
Fast
zehn Jahre, nachdem der Gerichtshof die
Folter verboten hat, sieht es so aus , als hätten die
Vernehmungsbeamten in der Westbank ihre üblen Machenschaften wieder
aufgenommen: Sack über den Kopf, brutales Schlagen und Fußtritte.
Es
ist lange her, seitdem wir eine
derartige Zeugenaussage hörten. Seit September 1999, als das Oberste
Gericht – Jahre zu spät – Folter für ungesetzlich erklärte. Zeugenaussagen über
brutale Behandlung beim Shin Bet-Sicherheitsdienst hörte fast sofort auf. Die Verhör-methoden,
die die Organisation jahrelang geleugnet
hat, waren verschwunden, und den Terror gab es auch nicht mehr. Aber in dieser
Woche hörten wir wieder ein grauenhaftes Zeugnis über ein Verhör eines jungen
Palästinensers, der zehn Tage verhaftet war, nachdem er einen chirurgischen
Eingriff hatte. Der Shin Beth leugnet offiziell jede Beteiligung an diesen
Fall. Demnach scheinen jene Verantwortlichen vom IDF gewesen zu sein.
Nach seinem Verhör wurde der junge Mann zum Hadassah-Krankenhaus in Ein Karem
gebracht. Selbst heute, zwei Wochen später, benötigt er weitere medizinische
Behandlung und eine Operation, um die von den Vernehmungsbeamten verursachten
Verletzungen zu reparieren. Noch einmal hörten wir die Aussagen eines Mannes,
der gefesselt brutal zusammen geschlagen wurde und einen Sack über seinem Kopf
hatte. Und noch ein Palästinenser, der nie offiziell verhaftet war und nur
verdächtigt wurde, Steine geworfen zu haben – eine Anklage, die er ableugnet –
sagt, sein Kopf sei gegen eine Mauer geschlagen worden, er sei mit Füßen
gestoßen und auf ihm sei herumgetrampelt worden. Der
Vernehmungsbeamte, wäre „Captain Amran“
gewesen, sagte er.
Munir
Farukh ist 24 und arbeitslos. Wir trafen ihn bei sich
zu Hause in Sa’ir östlich von Hebron, wo er mit
seinen Eltern lebt. Sein Vater ist auch arbeitslos. Am 21. Juli kurz nach drei
Uhr morgens kam eine Militäreinheit und verhaftete ihn 10 Tage nach einer
Unterleibsoperation. Mit verbundenen Augen und
auf dem Rücken gefesselten Händen wurde er neben zwei andere Gefangene
in ein Jeep geworfen. Im Ezion-Verhör-
und Haftzentrum warteten sie in dieser Verfassung drei Stunden im Hof, bevor
sie zum Verhör geholt wurden. Faruk sagte, er habe die Soldaten von seiner
Operation unterrichtet und dass es ihm schwer falle zu stehen. Aber sie
ignorierten dies. Keiner sagte ihm, warum er verhaftet worden sei. Als die
Identitätskarten der Verhafteten kontrolliert wurden, entdeckte er, dass die
beiden anderen seine Nachbarn sind, Brüder, Hamad und Aahad,
22 und 18. Am Morgen wurden sie von einem Armeearzt untersucht. Faruk zeigte
ihm seine Operationsnarbe, aber dies machte wenig Eindruck auf ihn. Ein Sack
wurde ihm wieder über seinen Kopf und Oberkörper gestülpt und da er sowie so
schon unter Atembeschwerden litt, hatte er auch jetzt große Mühe beim Atmen. Im
Laufe des Morgens wurde er in den Verhörraum gebracht. Drei Vernehmungsbeamte
klagten ihn an, Steine geworfen zu haben. Das hätte jemand gesagt. Farukh wies die Anklage ab. Dann begannen sie ihn zu
schlagen. Er konnte die Vernehmungsbeamten durch den Sack nicht sehen. Dann fiel er zu Boden; sie
stießen ihn und trampelten auf ihm herum, dann hoben sie ihn auf, sagt er. Er
schätzt, das sei so etwa drei Stunden gegangen. Es wurde auf ihm herumgetrommelt und der Kopf mehrfach an die Wand gestoßen.
Das Nasenbein wurde gebrochen. Er sagte den Vernehmungsbeamten, dass er eine
Unterleibsoperation gehabt hätte, aber er wurde auch auf den Unterleib
geschlagen. Aus dem Nebenraum hörte er die Jirdaths
schreien. Er ist davon überzeugt, dass die Tür absichtlich offen geblieben war.
Er ist auch sicher, dass seine Folterer vom Shin Bet
waren – sie sagten es ihm sogar. Am Ende brach er zusammen und gab zu, dass er
Steine geworfen habe. „Ich unterzeichne, was
immer ihr wollt“, sagte er zu ihnen. Er konnte dann auch nicht mehr
stehen.
Irgendwie
wurde er zum Polizeibüro gezogen. Der Beamte behandelte ihn höflich, sagte er.
Sein Schuldeingeständnis wurde schriftlich aufgenommen. Farukh
sagte dem Beamten, dass er seine Schuld eingestanden habe, nur weil er
geschlagen worden sei. Er wurde photographiert, und es wurden Fingerabdrücke
gemacht. Als er aus dem Büro kam, sei ein sehr großer Mann in Zivil auf ihn
zugekommen und habe ihn ins Gesicht geschlagen. Er wurde dann in einem weißen
Skoda zu einer Zelle gefahren, wo er dann sofort zusammengebrochen sei. Mehrere
Male habe er während des Verhörs gedacht, er würde vor Schmerzen sterben. In
der Zelle schlief er sofort ein und schlief fast zwei Tage durch. Als er über
Schmerzen in den Hoden, seiner Nase, der operierten Stelle und über
Atembeschwerden und Blut in seinem Stuhl klagte, gab ihm der Armeearzt Acetaminophen.
Musa
Abu Hashhash, ein Mitarbeiter von B’tselem,
dem israelischen Informationszentrum für Menschenrechte in den besetzten
Gebieten, der uns hier begleitete,
sagte, auch er habe eine solche Zeugenaussage über Folter bei Verhören seit
langer Zeit nicht gehört.
Nach
zwei Tagen Agonie bat Farukh darum, in ein
Krankenhaus gebracht zu werden. Zunächst wurde seine Bitte zurückgewiesen, aber
als seine Mitgefangenen sich weigerten, zu frühstücken, bis er nicht ins
Krankenhaus gebracht würde, wurde er auf den Rücksitzen eines Armeejeeps
liegend an Händen und Füßen gefesselt nach Hadassah
gebracht. Er sagt, er sei bis zum Abend im Notdienstraum gelegen, als ihm
Rezepte für verschiedene Medikamente gegeben wurden. Dann wurde er entlassen.
Er wurde in die Zelle zurückgebracht. Farukh sagt, er
habe weder die verschriebenen Medikamente erhalten noch ein medizinisches
Dokument vom Krankenhaus.
Am
nächsten Tag erhielt er den 1.Besuch seiner Anwältin – vom Palästinensischen
Gefangenen-Club. Sie konnte seine Gerichtsverhandlung auf Grund seines
Gesundheitszustandes auf einen früheren Zeitpunkt legen. Am 28. Juli, genau
eine Woche nach seiner Verhaftung, wurde er zum Militärgerichtshof in Ofer
gebracht, einer Militärbasis nahe Ramallah. Er sagt, er musste in dem Wagen vier Stunden auf
seinen Verhandlungsbeginn warten und erhabe in dem verschlossenen Wagen kaum atmen können.
Farukh sagte dem Richter, dass er vor der
Verhaftung krank gewesen sei und eine Operation hatte, aber trotzdem geschlagen
worden sei. Der Richter ordnete unter der Bedingung, dass er 2000 NIS Kaution
zahlt, seine Entlassung an
Am
nächsten Tag lieh sich sein Vater die Summe aus und bezahlte sie. Er wurde
entlassen, musste aber einen weiten Weg bis zum Tor zurücklegen, während ein
Jeep hinter ihm herfuhr. Ein wartender palästinensischer Ambulanzwagen nahm ihn
auf und brachte ihn ins Hebroner Al-Ahli-Krankenhaus. Ärzte sagten ihm, sein gebrochenes
Nasenbein müsste operiert werden. Farukh wartet nun , dass der Gefangenen Klub ihm die Operation bezahlt :
10 000 NIS
Alle
zwei Tage besuchte er das Krankenhaus wegen noch anderer Behandlungen.
Der
Shin Beth sagte in einer Stellungnahme in dieser Woche: unsere Nachprüfung ergab, der Shin Bet sei nicht in die Verhaftung und/ oder das
Verhör von Munir Farukh verwickelt gewesen und
habe deshalb auch keine Informationen, die „sich auf die Behauptungen in
Ihrer Anfrage beziehen“.
(dt.
Ellen Rohlfs)