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Wer ist der wirkliche Clown hier?

 

Gideon Levy,

 

Haaretz, 9.5.10

 

 

Wer sagt denn, dass der jüdische Humor  aus Israel verschwunden ist? Wer sagt denn, dass

Die undurchsichtigsten Organisationen des Staates sich nicht gelegentlicher Momente der Leichtfertigkeit erfreuen - so zwischen  dem Durchführen von Morden und  dem  misslungenen Versuch von Verschwörungen . Israels weitergehende Faschistizierung, Isolierung, Nationalismus und Militarismus sorgen nicht viel für komische Abwechslung. Man höre also Barak Ravid zu, was er am Donnerstag zu erzählen hatte.

Ein spanischer Clown – es beginnt wie ein Witz – landet in Israel. Nicht nur irgend ein Clown. Es ist Spaniens größter Clown, Ivan Prado. Er rechnete damit, problemlos durch die Passkontrolle  gehen zu können – ein spanischer Bürger, eben ein Clown braucht keine Sicherheitsbevollmächtigung, um den demokratischen Staat Israel zu betreten, nimmt sein Gepäck volle Tricks und fährt weiter nach Ramallah.

 

Er, der Witzbold, hatte geplant, ausgerechnet  in Ramallah ein internationales Clown-Festival auszurichten. Es war der Fehler seines Lebens, eine wirklich verrückte Idee. Zunächst welchen Nutzen hat es für Palästinenser Clowns aus andern Ländern zu haben. Sie haben genug eigene, danke. Auf jeden Fall, haben sie in Ramallah denn etwas zu lachen?

 

Im Nu erschien einer der trefflichsten vom Shin Bet, ein wahrer Wächter Israels, um diesen Narren zu fragen, welche Verbindungen er zu „Terrorgruppen“ hat. Prado, der dumme Clown weigerte sich, eine Antwort zu geben. Der Shin Bet-Agent ( eine weniger bekannter Clown) glaubte anscheinend, er hätte den Tag gerettet.

Um eine lange Geschichte kurz zu machen: nach sechs Stunden elendiglichen Wartens am Ben-Gurion-Flughafen wurde Prado von einem Angestellten des Innenministeriums informiert: Sie werden ausgewiesen. Sie fliegen mit dem nächsten Flug nach Madrid zurück, dort ist Platz für Witzbolde wie Sie!“ Damit verwandelte sich Prado in einen Propheten der Apokalypse. Nachdem er in Spanien gelandet war, begann er Israel in der lokalen Presse zu denunzieren und verglich den Kampf der Palästinenser mit  dem der Juden in Polen im Krieg. Genau das ist es, was wir brauchen – noch mehr polnische Witze.

 

Der israelische Botschafter in Madrid sandte ein dringendes Kommunique nach Jerusalem und fragte: Was habt Ihr getan?  Das Außenministerium antworte kurz: „Aus Sicherheitsgründen.“ In der Botschaft war man wütend. Dort wartete man auf eine inhaltsreichere Antwort, um den Fragen der  spanischen Medien begegnen zu können; den die Ausweisung eines Clowns aus „Sicherheitsgründen“ muss wohl eine Art Witz sein. Aber der Shin Bet-Sicherheitsdienst und das Verteidigungsministerium hatten keine Lust zu antworten. „ Der Mann gab den Sicherheitsleuten keine richtige Antwort, besonders nicht über seine Verbindungen zu palästinensischen Terrororganisationen,“ sagte der Shin Bet zu Haaretz auf dessen Frage.

 

Eine Interpretation im Kontext: Prado, wie vom allwissenden Shin Bet verstanden, hat klar Verbindungen mit Terrorgruppen, sonst würde er kein Clown-Festival in Ramallah ausführen wollen. Noch schlimmer: erweigerte sich, über diese Verbindungen zu sprechen. Welche „Terrorgruppen“? Islamischer Jihad oder die Al Aqsa-Märtyrerbrigaden vielleicht? Al-Qaida? Irans Quds-Kräfte?  Was für Verbindungen. Dachte der Clown daran , die großen Vorräte von Gelächter an feindliche Elemente weiterzugeben? Witzbomben an die Jihadisten? Eine Pointe an die Hamas? „Ihr mögt lachen“, sagte ein Angestellter des Außenministeriums danach, „Aber der Vorfall hat Image Israels im Ausland schon ernsthaften Schaden zugefügt, wenn Israel nicht eine ernsthafte Erklärung liefert.“

 

Prado ist nicht allein. Wäre die Geschichte nicht so dumm, grotesk und ärgerlich, könnten wir darüber lachen. Aber Dutzende ausländischer Besucher wurden in der Vergangenheit auf ähnliche Weise ausgewiesen, weil sie verdächtigt wurden, mit den Palästinensern zu sympathisieren – wirklich ein schweres Verbrechen. Es sind Leute mit Gewissen, die hierher kommen, um ihre Unterstützung für die Palästinenser auszudrücken; denen wird von der Polizei des Flughafens ein Strich durch die Rechnung gemacht. Der jüdisch-amerikanische Historiker Norman Finkelstein wurde ausgewiesen, weil er einen Ein-Staatenlösung im Nahostkonflikt unterstützt und glaubt, dass Israel den Holocaust in eine Industrie verwandelt hat. Aber wenn er  ein neues Einwanderungsdokument beantragt hätte, dann hätte er sie sofort bekommen – nach dem Rückkehrgesetz. Aber zu Besuch zu kommen und zu kritisieren?  Schick ihn zurück nach Amerika.

 

Genauso wurden vor kurzem drei schwedische Aktivisten einer jüdisch-palästinensischen Bildungsgruppe ausgewiesen und ein amerikanischer Journalist, der jahrlang für die palästinensische Nachrichten Agentur Maan gearbeitet hatte. Hat jemals  jemand gehört, dass eine Unterstützer oder Wohltäter der extremistischsten Siedlergruppe ausgewiesen wurde?

Bitte – bringt den Shin Bet und das Innenministerium nicht zum Lachen.

 

(dt. Ellen Rohlfs)