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Hurra-Geschrei nach einem  abscheulichen´ Mord

 

Gideon Levy, 8.4. 16

 

Die lärmende Menge demonstriert und unterstützt so den Soldaten, der in Hebron einen abscheulichen Mord begangen hat. Sie sieht in ihm einen Helden. Nicht nur ein Opfer wie z.B. der verurteilte Roman Zadorow , sondern als Held. E.A.  – sein voller Name bleibt ein Geheimnis – ist  er ein Volksheld, weil er einen sterbenden Palästinenser ermordete.?

Dies muss klar festgestellt werden. Vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte des Staates, ein abscheulicher Mord, dessen einzige offensichtliche Rechtfertigung der Hass gegen die Araber und die Verachtung ihres Lebens zu sein scheint. Ein Mord, der keinen Mut erforderte, ein feiger Akt höchster Ordnung, ist in den Augen  der Masse heldenhaft geworden, einfach deshalb, weil er mit einem toten Palästinenser endete, der auf der Straße verblutete.

Nie haben so viele einem so gemeinen Mörder zugejubelt. In der Geschichte der IDF gab es ein paar obszöne Taten, die als Heldentaten kaschiert wurden – die Vergeltungsmaßnahmen in den 1950er Jahren, die speziellen Operationen des Sayeret Rimon und die Operationen  2014 – aber nie wurde ein obskurer Mörder   wie ein Held gepriesen. Shimon Bar Kochba, Meir Har-Zion, Yoni Netanyahu, Ehud  Barak und andere ; wer kann  die mächtigen Heldentaten Israels noch einmal erzählen?

Der israelische Rassismus hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Der Mord in Tel Rumeida und die folgende Antwort sind nicht weniger ertragreiche Ereignisse. Der israelische Rassismus war vorher auf die Arroganz des auserwählten Volkes gegründet, dem alles erlaubt ist, das das Beste ist und das besser ist als irgendetwas; auf Manipulation der Wahrnehmung endloser Opfermentalität und Verfolgung; auf Dämonisierung der Araber, die uns nur zerstören wollen; auf Entmenschlichung, als ob ihr Leben nichts wert sei; auf Aufhetzung, Leugnung, Unterdrückung und Lügen und auf Israels gewaltige Militärmacht. Auf dieser Grundlage bauten wir eine rassistische Gesellschaft, wahrscheinlich die rassistischste in der Welt von heute.

Jetzt hat all dies eine Stufe erreicht. Wir können jetzt dem oben genannten offen Blutrünstigkeit, unverfälscht, hemmungslos und unverhüllt hinzufügen.

Diese Kombination von Rassismus und Blutrünstigkeit ist nicht nur abstoßend, sie ist auch brisant und gefährlich. Rassismus gibt es in vielen Gesellschaften, gewöhnlich verborgen und marginal. In Israel ist er zum Standard geworden, vielleicht zum Gipfel zeitgenössischer politischer Korrektheit und dagegen zu kämpfen, wird als Verrat angesehen.

Außerdem ist es zweifelhaft, ob es eine andere westliche Gemeinschaft gibt, deren Rassismus von solcher Blutrünstigkeit begleitet wird. Die Weißen hassen die Schwarzen in den USA und Südafrika, die Europäer hassen die Flüchtlinge, Christen hassen Muslime aber nicht mit solcher Blutrünstigkeit und Mordlust, der Schrei, „Tod den Arabern“ hat eine schockierende praktische Bedeutung. E. A. ist sein Vollstrecker. Darum wird er applaudiert.

Dies sind tiefe Tendenzen, die schwer zu stoppen sind. Sie haben sich tief in den Herzen des Volkes angesiedelt, das Ergebnis von jahrzehntelanger Aufwiegelung und Gehirnwäsche. Weder eine ernste Bestrafung für E.A., die er verdient, noch der  Brief des Stabschef an Soldaten erinnert sie an die Ethik der Armee.

Nur wenige wagten es, sich diesen Strömungen entgegen zu stellen; die meisten unseres Systems unterstützen dies oder kapitulierten ihm gegenüber. Es reicht, wie die militärische Anklage vor dem Mob kriecht, wie sie die Anklage wegen Mord zu Todschlag vernachlässigt, ja selbst dies ist zweifelhaft. Die Medien, die wissen, was ihre Zuhörer wünschen, haben sich natürlich der Verbreitung der Aufhetzung angeschlossen. Es verkauft sich gut. Was plötzlich geschah, ist „unklar“, „ nicht entschieden“. Das Video belastet so sehr wie tausend Zeugen und Myriaden von Beweisen, und das Bild ist immer noch „unklar“. Was ist nicht klar?

Und die Politiker, die wie gewöhnlich die Massen unterstützen, sind entweder still vor Angst oder wie gelähmt. Der gewalttätige Avigdor Lieberman mit Sharon Gal trottet mit dem Mob beim Militärgericht in Kastina entlang, wo die meisten israelischen Dinge jetzt geschehen. Nichts kann sie stoppen. Es ist zweifelhaft, ob es sich lohnt, es zu versuchen.

Doch sie wollen in Kastina nicht anhalten. Nach den Arabern werden die Linken kommen, die Journalisten, die Richter und wer weiß, wer noch. Man bereite sich  auf den nächsten israelischen Helden vor; er ist schon dabei, seine Waffe  zu polieren.

(dt. Ellen Rohlfs)