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Gideon Levy, Haaretz,
29.3.12
Neunzig Versuchsaffen sollen aus einer Versuchseinrichtung in Moshar Mazor in ein paar Tagen in die USA geschickt werden. Der Oberste Gerichtshof hat eine vorübergehende Verbotsverfügung erteilt.
Etwa 700 Asylsuchende aus dem Südsudan sollen auch in ein paar Tagen abgeschoben werden und keine Verbotsverfügung wird diese Vertreibung verhindern.
Die El Al-Luftlinie weigert sich wie viele andere Luftlinien weltweit, Versuchstiere mitzunehmen; aber für Ausländer, die mit Gewalt und grausam von hier deportiert werden haben Luftlinien keine Gewissensbisse. Ohne zu zögern fliegen sie, selbst wenn die Deportationen von Gewalt durch Polizisten begleitet werden.
Ich flog einmal nach Amsterdam und an Bord war so ein Deportierter. Die herzzerbrechenden Schreie des mit Handschellen gefesselten Afrikaners hörte nicht auf vom Ben Gurion-Flughafen bis zur Landung in Schiphol. Ich werde dies nie vergessen. Falls entweder die Affen oder die Menschen vertrieben werden, dann ist ihr Schicksal besiegelt. Ratet mal: die Affen werden nicht deportiert, der Sudanese ja.
Der Kampf für die Rechte der Tiere ist eindrucksvoll und berührend. Einige Gruppen arbeiten an diesem Problem. Meine Kollegin Orna Rinat veröffentlichte einen durchdringenden und schreckenerregenden Artikel am 25. März in der hebräischen Edition von Haaretz über das grausame Schicksal, das Affen erwartet, wenn sie Israel verlassen: hier beginnt eine Straße in Agonie und endet mit dem Tod,“ schrieb Rinat und jedermanns Herz bricht.
Aber ein ähnliches Schicksal – ein Weg, der mit Agonie beginnt und im Tod endet – erwartet südsudanesische Leute, die von hier unter Zwang deportiert werden. Sogar das Knesset-Untersuchungszentrum beschloss, dass der Süd-Sudan ein gefährliches Land ist und dass in 46 von seinen 79 Distrikten ein Zustand humanitärer Not besteht. Aber das interessiert die Behörden nicht. Der Innenminister Eli Yishai, der für die Deportation zuständig ist, sagte, israelische Menschenrechtsaktivisten, die gegen die Deportation des Sudanesen kämpfen, werden eingeladen, ihre Pflegefamilien zu werden.
Die Affen haben wenigstens einen Minister, der sich für sie einsetzt. Der Umweltschutz-minister Gilad Erdan bemüht sich sehr, zu verhindern, dass sie das Land verlassen. Der Sudanese hat nicht mal einen Minister, der sich für ihn einsetzt.
Welcher Kampf nun gerechter ist und welches Schicksal grausamer ist - das der Affen oder des Afrikaners – kann nicht sicher gesagt werden. Die Affen sprechen nicht und deshalb ist es leichter, sie zu verleugnen, aber die afrikanische Gemeinde in Israel hat auch keine Stimme. Keiner hört ihr zu; praktisch kennt keiner ihre Not. Sie werden wie Luft behandelt oder sind am Rande der Stadt dem Blick verborgen - fast wie die in Käfigen versteckten Affen auf der Mazorfarm.
Aktivisten, die ihre Zeit beiden widmen, verdienen alles Lob. Doch scheint es, als ob der Kampf für die Rechte der Tiere attraktiver sei. Tatsächlich befassen sich mehr berühmte Leute solchen Tieren als Ausländern.
Wenige werden zugeben, dass sie eher Tiere missbrauchen. Der Missbrauch von Ausländern? Das ist schon eine komplexere Frage. Sie erzeugt eine lange Liste von Gründen, um Deportationen zu rechtfertigen – die Notwendigkeit, unser Lager rein zu halten, die Jobs, die sie anderen wegnehmen, das Verbrechen und Krankheiten, die sie wahrscheinlich verbreiten.
Stimmt, mit den Ausländern haben wir mehr Probleme als mit den Affen und deshalb ist es einfacher, ihre Deportation auszuführen oder den schwierigen und unmenschlichen Lebensstil zu rechtfertigen, den Israel ihnen aufzwingt und gleichzeitig sie daran hindert, einen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Folge davon: sie schlafen in öffentlichen Parks unter schändlichen Bedingungen. Ein paar Freiwillige kümmern sich um sie, damit sie nicht verhungern.
Eine Gesellschaft wird daran gemessen, wie sie sich gegenüber den Schwachen verhält – Affen und Menschen. 2010 wurden etwa eine halbe Million Tiere Opfer von 1500 Tierversuchen, einige völlig unnötig. Zehntausende Ausländer wurden auch Opfer grausamen Experimentierens. Israel versucht gerade, wie lange sie missbraucht werden können, bis ihnen klar wird, dass dies nicht ihr Land ist.
Beim nächsten Mal, wenn wir über das erschrecken, was Tieren gegenüber getan wird, sollten wir uns besser daran erinnern, dass nicht nur Affen Rechte haben, die eine sich selbst achtende Gesellschaft streng bewahrt – sondern auch Ausländer. Wir sollten zuerst auf die Menschenrechte sehen und uns dann um die Tierrechte kümmern.
(dt. Ellen Rohlfs)