Gideon Levy, 13.12.09
Morgen sind es sechs Monate, seitdem der Ministerpräsident seine
Außenpolitikrede in der Bar-Ilan-Universität gehalten hat. Jetzt ist die Zeit
reif für eine andere historische Rede. In nächster Zukunft benötigt der
Ministerpräsident die richtige Zuhörerschaft, den richtigen Ort, um die Rede
seines Lebens zu halten: wir wollen keinen Frieden, sollte er sagen und würde
damit in die Geschichte eingehen, als der erste israelische Führer, der die
Wahrheit, die ganze Wahrheit sagt . Im Gegensatz zur oberflächlichen Rede der
„Zwei Staaten für zwei Völker“. Dieses Mal würden seine Bemerkungen
voller Bedeutungen sein und die wirkliche Absicht zeigen. Die Rede würde
Vertrauen wecken und mehr als ein bisschen Sympathie für einen Mann, der die
Wahrheit spricht.
Sie wären nicht noch einmal in der Lage, den Ministerpräsident Netanyahu wegen
verbaler Taschenspielertricks fertig zu machen. Es ist nicht länger nötig,
ermüdende und lächerliche Manöver zu führen. Statt hoffnungslos
wegen so vielem Zwinkern und
Nicken sein Gesicht zu verziehen,
kann er damit endlich aufhören.
In seiner Rede werden wir hören, was sich verändern wird. Es werden Netanyahus
und Israels Täuschungen aufhören. Die Wahrheit wird befreien. Solch ein Schritt
wird den Ministerpräsidenten von internem und internationalem Druck befreien.
Es ist kein weiteres Einfrieren des Siedlungsbaus nötig;
in der nächsten Minute werden sie zu „nationalen Prioritätszonen“
erklärt. Da werden keine weiteren sich entschuldigende Inspektoren auf bizarren
Trecks durch die Westbank gesandt. Es werden keine weiteren Baustopporder vor
den Kameras zerrissen und behauptet, wir seien ein Rechtsstaat. Dass es dort
einen Baustopp gebe, im nächsten
Augenblick wird aber massiv
weitergebaut.
Die Siedler haben keinen Grund, ihre lächerlichen Proteste zu machen, sich auf
die Straßen zu legen und einstimmig zu schreien. Netanyahu muss sie nicht länger
„Brüder“ nennen und die Polizei gegen sie aufbringen. Es muss auch nicht länger
die Phrase benützt werden „Ohne Vorbedingungen“, während
die Situationen vor Ort ständig verändert wurden …
Der Vorhang wird fallen. Die Vorstellung wird zu Ende sein. Dann werden die
Make-ups, die Masken und Kostüme abgelegt werden und dann wird man den Pfad der
Tugend folgen. Dann wird Netanyahu vielleicht das erste Mal in seinem Leben von
der Macht der Wahrheit überzeugt sein.
Ein israelischer Führer, der die Wahrheit spricht, wird sich auch vom
internationalen Druck befreien wollen. Die Welt wird begreifen, dass es sich
hier um eine tiefe, anhaltende Aufsässigkeit gegen Frieden handelt , die kein
Druck überwinden kann. So wird die Welt ihre Hände hochwerfen und sich ergeben.
Und einige Araber werden dasselbe tun. Sie werden alle wissen, dass es einen
nord-koreanischen Führer in Jerusalem gibt, der so störrisch ist wie ein Esel …
die Welt, die Israels Lügen- und Entschuldigungsnetz gekauft hat, hat ihren Mund
nicht auf gemacht. Dies schließt Europa ein, das unfähig ist,
eine einzige feste und mutige Entscheidung zu treffen und Amerika, das
nach der Pfeife der jüdischen Lobby tanzt – auch sie werden froh sein, von
dieser Lügenbürde befreit zu sein.
Weil dies die Wahrheit ist: wir wollen keinen Frieden. So einfach ist das. Es
ist gut für uns, sich in der Situation, wie sie ist, zu suhlen. Es gibt keine
terroristischen Angriffe, also sind auch keine Araber da. … Die Gesellschaft
liegt im Koma. Sie regt sich nicht auf, sie fragt nicht mal; sie benimmt sich
wie eine Herde Schafe. Sie fragt nicht, warum das Bauen eingefroren werden soll,
während gleichzeitig mehr und mehr Geld
den Siedlungen zugeteilt wird. Sie fragt nicht, warum es
für die Westbanksiedlungen
von Kiryat Arba ok ist und nicht für Kiryat Shmona. Sie kümmert sich überhaupt
nicht darum, was in ihrem Hinterhof geschieht und fragt nicht, warum die ganze
Welt gegen uns ist. Sie will nur das Leben genießen. Wer macht sich schon
Gedanken über zwei Staaten oder das Ende der Besatzung?.
Netanyahu sollte diese Wahrheit in seiner profilierten Rede aussprechen.
Nachdem wir von der Bürde von Lug und Trug befreit sind, können wir ohne
Behinderung das ansehen, was wir wirklich tun wollen: in den (besetzten)
Gebieten zu bauen und zu bauen und für immer auf jedem Hügel und in jedem Tal
und auf den Golanhöhen und natürlich an den „Heiligen Stätten“
zu bleiben. Alles sind heilige Stätten. Und wir wollen die Besatzung
verstärken und zu den Palästinensern sogar noch grausamer sein.
Vielleicht werden sie dann endlich unseren Traum erfüllen und verschwinden. Wir
können noch mehr rassistische Gesetze verabschieden und
einstimmig gegenüber dem syrischen Präsidenten ‚nein’ sagen, der uns mit
seinem Wunsch nach Frieden verrückt
macht; auch ‚nein’ gegenüber dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas,
der verzweifelt Fehlschläge hat. Wir können die restlichen guten Absichten des
US-Präsidenten Barack Obama vollkommen unterdrücken , wie wir das so gerne tun
würden.
Netanyahu sprich die Wahrheit und du wirst sehen, was eine gute Rede bewirkt.
(dt. und ein wenig gekürzt: Ellen
Rohlfs)