Israel Palästina Nahost Konflikt Infos
Gideon Levy, Haaretz, 28.3.2010
Wenn Israel ein wirkliches
Friedenslager hätte, wenn die schweigende Mehrheit ihr ekelhaftes Schweigen
gebrochen hätte, wenn mehr Israelis sich
mit der Situation als Kollektiv befassen würden und nicht nur als
Individuen, die sich nach den nächsten Ferien oder dem nächsten Auto sehnen,
wenn mehr Israelis sich weigerten, blind die Täuschungen der israelischen
Diplomatie und Propaganda zu akzeptieren, dann wäre der Rabin-Platz gestern mit
Demonstranten voll gewesen. Unter den Bannern und Flaggen würde
in dieser Stunde des Risikos
und der schicksalshaften Entscheidungen ein Poster herausgeragt haben: „Danke,
Freund.“ Danke Barack Obama, Du Freund Israels.
Die Flutwelle von
Beleidigungen und Verleumdungen, die einheitliche Darstellung Obamas als jemand,
der versuchte, Israel zu unterwerfen und zu demütigen, dem sollte … gesagt
werden, dass Obama als wahrhafter Freund genau das Richtige gesagt und getan
hat. Ja, es ist unangenehm, aber nach 43 Jahren gibt es keinen anderen Weg. Nach
einer bedauerlichen Verzögerung von einem Jahr und trotz ständiger Zweifel und
Fragezeichen, scheint es jetzt eine Chance zu geben , dass der 44. Präsident der
USA sich durchsetzen wird, wo seine Vorgänger versagt haben. Es gibt eine
Chance, dass Barack Obama Israel aus der Krise zieht, die es selbst geschaffen
hat und dahin wirkt, eine bessere Zukunft schafft, eine Zukunft, in der es
Anspruch erheben wird auf das, was ihm gehört – aber nur was wirklich ihm
gehört.
Der erste Schritt ist
ermutigend und lässt hoffen. Unter Obamas bescheidenen Forderungen – ein Baustop
in Jerusalem und ein erweiterter Baustop in den Siedlungen, zwei
Grundbedingungen für „Verhandlungen ohne Vorbedingungen“
und für jeden, der wirklich eine Zwei-Staatenlösung wünscht. Das ist eine
Forderung, die die Israelis selbst schon
seit langem hätten stellen müssen. Obama bittet Benyamin Netanyahu und
durch ihn jeden Israeli, endlich die Wahrheit zu sagen. Er fragt Netanyahu und
den Rest von uns: Um Himmels Willen, was wollt Ihr denn tatsächlich. Genug der
in die Irre führenden Antworten. Der Augenblick der Wahrheit ist jetzt. Schluss
mit den Tricks – ein Stadtteil, hier und eine Siedlung dort. Sag uns mal:
Welches Ziel habt ihr? Wollt ihr weiter Hilfe aus den USA? Wollt Ihr Teil des
Nahen Ostens sein? Wollt Ihr Frieden erlangen?
Wenn es so ist, dann
beginnt, bitte, euch danach zu verhalten, einschließlich dem Baustopp in den
Siedlungen, überall und die ganze Zeit und beginnt sie stattdessen zu
evakuieren. Jede Aktion Israels würde an die drei Neins von Khartum erinnern:
Nein zur Beendigung der
Besatzung, nein zu Frieden,
nein zur Freundschaft mit Amerika.
Obamas Forderungen sind
minimal. Nicht nur die Fortsetzung des Baustops, sondern sich
auch mit den Kernproblemen
beschäftigen: innerhalb von zwei Jahren eine Lösung finden und die Forderung,
dass Israel zu anderen und zu sich
selbst die Wahrheit spricht. All dies sollte für Israel selbstverständlich sein,
wenn Israel wirklich an einer Lösung interessiert wäre. Die früheren Präsidenten
drückten bei Israel immer ein Auge zu und zwangen es nicht, zu antworten. Obama,
der seinem großen Versprechen treu blieb, das
er bei seiner Wahl gab, ist
nicht länger bereit, sich mit Täuschungen abspeisen zu lassen. Wir werden jetzt
sehen, ob er dem Druck standhält und den Druck auf Israel durchhält.
Die Israelis sollten Obama
dankbar sein, dass er ihnen einen Spiegel vorhält und sagt, so sieht euere
ständige Täuschung aus. Die Israelis sollten gegenüber Obama genau so dankbar
sein, dass er der erste Präsident ist, der Israel für seine
Verantwortung, den Status quo erhalten zu haben, zahlen lässt . Dies ist
eine amerikanische Innovation, die von einer sich verändernden Stimmung in der
Weltpolitik unterstützt wird.
Pass auf: die Welt beginnt
zu fordern, dass Israel Verantwortung für seine Aktionen in Dubai und Sheik
Jarrah, für die Operation Cast Lead
und für Ramat Shlomo übernimmt. Von Amerika und Europa
ist die Zeit der Verantwortung
des Payback gekommen.
Nach 43 Jahren grauenhafter
Besatzung sind auch dies nur minimale Forderungen. Obama hat Israel nicht
gedemütigt. Israel hat sich selbst eine Generation lang gedemütigt, als es
dachte, es könne alles tun, was es will- über Frieden reden und Siedlungen
bauen, eine Besatzung festlegen und als Demokratie angesehen werden, von
amerikanischer Unterstützung leben und seine Forderungen zurückweisen. Da alle
Forderungen Obamas eigentlich von Israel selbst kommen sollten, handelt Obama
nur wie ein Freund handeln sollte. Und dafür verdient er jene zwei Wörter aus
unserm tiefsten Herzen: danke, Freund.
(dt. Ellen Rohlfs)