Israel Palästina Nahost Konflikt
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Gideon Levy, 17.10.09, Haaretz
Wirf
einen Blick auf das Foto dieser Seite.
Der Baumstumpf eines Olivenbaumes ist von einem Sack umgeben, ein Zweig reicht
bis in den Himmel, als ob er zum Himmel schreien möchte. Die Erde rund um diese
… „Skulptur“ ist braun, kultiviert, gepflügt, ohne Steine, fruchtbar – aber sie
sieht wie verwundet und blutig und d as Sackleinen
wie ein Leichentuch aus.
Dutzende
von Baumstämmen können im Hintergrund gesehen werden, während hinter ihnen die
Bäume, die von der Elektrosäge nicht erreicht wurden, grün sind. Ein
benachbarter Bauer Afif Shehadeh kalkt seine
verstümmelten Bäume weiß; doch der Landwirtschaftslehrer i.R. Mohammed Abu Awad
legte lieber Sackleinen zum Schutz vor
brennender Sonne um seine Baumstümpfe … in der Hoffnung, dass sich die Bäume
frühestens in sechs Jahren von ihren
Verletzungen erholt haben und wieder Früchte tragen.
Es
geschah im Dorf Mureir Ende September in der Nacht
vor dem 2. Freitag im Ramadan, kurz vor der Olivenernte. Es ist schon ein
besonders widerlich gewählter Zeitpunkt. Eine Bande Siedler, die mit Jeeps… und
mit teuflischen Elektrosägen bewaffnet
in die Olivenhaine kamen und
dort ein Mini-Progrom
um des Landes Israel willen und zum Ruhm des jüdischen Staates durchführten.
Alle Zeichen deuten daraufhin, dass sie vom illegalen Außenposten Adei Ad kamen, von der nächsten Hügelkuppe.
Die
Bäume waren 35 Jahre alt und vom Lehrer
Abu Awad mit eigenen Händen gepflanzt worden – die besten palästinensischen
Oliven. Nun pflückt er einen noch verbliebenen Ast ab … und zeigt uns die Fülle
der an ihm hängenden Oliven, wie ein stolzer Vater auf seine Kinder weist. Mit wie viel Liebe hat er seine Bäume
gepflegt, wie stolz er auf seine Bäume und seinen Olivenhain war! Und wie viel
Hass und Grausamkeit lodert bei den gewalttätigen Kriminellen auf, die
die Bäume zerstört haben … diese Terroristen, über die keiner daran denkt, sie
vor Gericht zu bringen - in diesem
Land der Besatzung und der Rechtlosigkeit.
Die
Sägen surrten - und der Olivenhain war
einmal. Die Ernte ist verloren, das Geld ist weg, jahrzehntelange Arbeit war
umsonst, der Stolz ist vergangen … An ihrer Stelle trat die Wut, ein Gefühl
tiefer Beleidigung und Verachtung für jene, die
so etwas taten.
Man
fährt durch Turmus Aya,
einem friedlichen palästinensischen Dorf im Herzen der Westbank zwischen
Ramallah und Nablus mit großen hübschen Häusern, deren Bewohner nach den USA
gezogen sind - und man kommt nach Mureir. Auch hier sind wunderbare Häuser mit Steinfassaden
wie die drei, die der Na’assan-Familie gehören.
Mitglieder der Familie besitzen große Lebensmittelläden in Chikago.
Nur ein Sohn, Muntasar ist hier geblieben, um die
Sommerhäuser der Familie zu hüten und das Land zu bearbeiten. Während wir eine
Tasse Kaffee trinken, der in kleinen bunten Tassen serviert wird, setzt sich
der Lehrer und Bauer Abu Awad zu uns. Er lebt in Turmus
Aya, sein Olivenhain ist aber in Mureir.
Hier
ist eine kurze Geschichte seines Landes: 20 acres ( 1 acre= 4046 qm) wurden ihm für den Bau der Siedlung Shiloh genommen; die Siedlung Rahelim
nahm weitere 25 acres. Was ihm blieb, ist der Hain in
Mureir: vier acres für
Oliven und Mandeln. Jetzt ist er 68. Er
lehrte Landwirtschaft und die Liebe zum Land – das war sein Leben. Seitdem er
im Ruhestand ist, verbringt er die meiste Zeit mit der Pflege des Olivenhains –
des Olivenhains, der einmal war.
„Ich
liebe das Land, ich bin darin verliebt“, sagte Abu Awad und zwinkerte mit den
Augen. Aber sein Ausdruck verändert sich plötzlich. „Ich fürchte mich nicht vor
ihnen. Wenn sie mich töten, sollen sie es. Dies ist mein Land. Ich schlafe auf
ihm.“
Aber
in jener Nacht am 25. September schlief
er nicht dort. Am nächsten Morgen riefen ihn Nachbarn an und sagten ihm, dass
seine Bäume abgeschnitten seien. „Meine Augen füllten sich mit Tränen,“ sagte er. „Ich pflanzte sie vor 35 Jahren
. Was fühlt man, wenn man pflanzt und pflegt und dann ist auf einmal
alles zerstört? Was muss ich fühlen? Wenn ich dort gewesen wäre, dann hätte ich
ihnen gesagt, schneidet mir die Hände ab, aber nicht meine Bäume. Wenn es
kleine Bäume gewesen wären, wäre ich wohl ärgerlich gewesen, aber 35 Jahre alte ?Bäume.
man kann wahnsinnig werden … was haben die Bäume ihnen getan, dass sie sie so
behandeln?“
Abu
Awad verlor 70 Oliven und 10 Mandelbäume in diesem Pogrom. Ein Nachbar Abu-Aleiah verlor 120 Olivenbäume. Die Shehade-Familie
verlor 120 Oliven und 20 Feigenbäume, also 340 Fruchtbäume wurden in einer
Nacht der Brutalität zerstört. …
Wir
fahren in Muntasars Jeep. Zachariah
Sadeh, der Felddirektor der „Rabbiner für
Menschenrechte“, die u.a. versuchen, die palästinensischen Bauern vor den
Siedlern zu schützen, erzählte uns auf
dem Weg, dass die Olivenernte, die hier vor einer Woche begonnen hat,
tatsächlich ruhig verläuft. Dieses Jahr haben die israelischen Soldaten ein
wachsames Auge auf die Olivenpflücker. Deshalb fand der gewaltsame Angriff vor
der Ernte statt …
Ein
paar Häuser können oben auf der Hügelkuppe gesehen werden. Der Jeep stolpert
über die Furchen ins Tal. Eine kurze Fahrt durch Olivenhaine und dann
kommt die Stelle, wo brutal gewütet
wurde, wo die abgesägten Bäume liegen. Ein Baumstamm neben dem anderen,
entweder mit Sackleinen bedeckt oder mit Kalkfarbe angestrichen. Der ärmlich
gekleidete Bauer Shehadeh steht in der Nähe seines Landstücks und schaut traurig auf die
Überreste seiner Bäume. Er hat acht Kinder zu Hause und die Bäume waren seine
einzige Einnahmequelle. Er kam heute Morgen hierher, nur um hier bei den
Baumresten zu sein, sagte er . Er hatte noch nicht -
wie sein Nachbar - die Zweige weggeräumt. Sie lagen rund um die Baumstümpfe herum ..
Eine
schmutzige Spur kommt den Hügel herunter, der
die Außenposten-Siedlung Adel Ad vor unsern Blicken verbirgt.
In
dieser Woche gab es neue Berichte, dass in dieser und anderen Siedlungen
Instruktionen gefunden wurden, wie man Sprengstoffkörper herstellt.
Abu
Awad schätzt den ihm zugefügten Schaden auf 2500 Dollar. Aber es ist nicht nur
eine Sache des Geldes. Er zeigte uns, wie er seine Bäume in genauen diagonalen Linien gepflanzt hatte,
nach dem „Entenfuss-Muster“ wie er sagte … Dieses sind die besten Bäume der Region.
Ich hatte nicht abwechselnd eine gute und eine schlechte Ernte. Jedes Jahr
hatte ich eine gute Ernte, weil ich meine Bäume sehr gepflegt habe“. Einer der
Stämme hatten noch einen einzelnen Zweig, er schnitt ihn ab und schenkte ihn
uns zur Erinnerung – in seinen Augen sind Tränen ..
(dt.
und gekürzt Ellen Rohlfs)