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Wir haben eure Proteste satt
Gideon
Levy, 7. Dez.2017 Haaretz.com
Noch ein
historischer Samstagabend zeichnet sich ab; Zehntausende werden noch einmal
auf Tel Avivs
Rothshild-Boulevard demonstrieren.
Wenn man nach den Reaktionen des historischen
Shabbat der letzten Woche
urteilt, befinden wir uns bei einem
weiteren tollen Erfolg.. Selbstgefälligkeit erreicht neue Höhen im wirklichen
Leben und in den sozialen Medien. Es ist das israelische Gefühl für
Gerechtigkeit, das auflodert“ verkündet Isaac Herzog.
Wie
schön, du Volk Israel, wie schön, dass das Gefühl für Gerechtigkeit in dir
lodert, so aufmerksam kannst du aufschreien. Es ist ermutigend zu sehen, wie die
Leute ihre Apathie abschütteln; sie haben sogar
einen entschiedenen, wunderbaren, volkstümlichen Führer, aber die Ziele
sind ausweichend, gemein, banal und sie laufen von dem fort, was am wichtigsten
wäre.
„Der
Vorzugs-Gesetzesentwurf“ -- für
diesen geht Israel auf die Straße. Der Hass gegen den Ministerpräsidenten
Benjamin Netanjahu rüttelt ein Drittel eines Prozentes von Israelis aus seiner
Gleichgültigkeit auf. Als dies das letzte Mal geschah, wurde der
Hüttenkäse billiger. Jetzt wollen sie die Veröffentlichung von
Polizei-Empfehlungen, den Erhalt einer Gesetzesregel und natürlich den Sturz von
Netanjahu . Äußerst ehrenwerte Ziele. Doch die Leute haben noch immer Angst, das
anzufassen, was wirklich von Bedeutung
ist. Der Vorzugs-Gesetzentwurf wird
durchfallen und Netanjahus Ende wird kommen. Was also noch?
Es gibt
tausend Gründe für diese guten Israelis, auf die Straße zu gehen -
sie wählen den Kleinsten. Was sie tun
sollten, ist, am Samstagabend in
Massen zu kommen und zwar gegen den
unvernünftigen Plan von US-Präsident Trump - die
US-Botschaft nach Jerusalem zu verlege - zu
demonstrieren. Millionen, die halbe Nation, sollte dort sein und aufschreien,
keinen Dank an Amerika. Wir sind nicht bereit, noch mehr Blut für deine
hohlen Gesten zu vergießen. Wir wollen
nicht noch einen Preis für den Besatzer, noch eine Karotte für den
Kriminellen zahlen. Wir wollen
keine Botschaft in Jerusalem. Wir wünschen Gerechtigkeit und Gleichheit in
Jerusalem.
Man
stelle sich nur Millionen von Israelis vor, Juden und Araber, die zusammen gegen
Trumps Entscheidung marschieren. Was das für eine Wirkung haben würde – hier in
Israel und in aller Welt. Was für eine Verwirrung würde das für Trump bedeuten,
der davon überzeugt ist, dass er Israel etwas Gutes erweist, tatsächlich aber es
sogar mehr korrumpiert und betäubt.
Was für ein Erfolg
würde das gewesen sein?
Doch
besteht keine Chance, dass dies geschieht. Die Anzahl der Israelis, die daran
interessiert wären, passen in eine Telefonzelle. Deshalb werden Massen
noch einmal auf dem Rothschild-Boulevard schreien: „Wir haben eure
Korruption satt“ und werden sich noch einmal über
sich selbst und ihr Gewissen wundern.
Sie
sollten am Samstagabend in Massen
gegen den Gesetzentwurf
demonstrieren, der die
Unterstützung eines Boykotts von Israel zum strafbaren Verbrechen macht, das
eine sieben Jahre lange Gefängnisstrafe mit sich bringt. Dieser Gesetzentwurf
bedroht Israels Demokratie
unendlich mehr als der Vorzugs-Gesetzentwurf. Wenn hier jemand ins Gefängnis
geworfen wird, weil er glaubt , ein Boykott wird die Besatzung beenden, wird das
beenden, was von Israels Demokratie und
Freiheit des Ausdrucks übrig geblieben ist. Türkei in Israel. . Gegen das
müssen wir demonstrieren. Oder gegen die Belagerung des Gazastreifens. Man
stelle sich nur vor, Millionen Leute marschieren Woche um Woche auf dem
Rothschild-Boulevard in Solidarität mit den Millionen Bewohnern, die im
Gazastreifen gefangen sind.
Doch
dafür gibt es keine Gelegenheit. Während sie
den Rothschild-Boulevard
gegen den Vorzugs-Gesetzentwurf marschieren, wird noch ein Krebspatient in Gaza
sterben, weil er den Gazastreifen nicht verlassen kann, um medizinische
Behandlung zu bekommen. Was hat der
Rothschild Boulevard damit zu tun?
Es würde
auch angemessen sein, Samstagabend
gegen den Plan zu demonstrieren, der zehn Tausende von afrikanischen
Asylsuchenden in den Tod schickt. Gegen das Übel derjenigen, die sie
wegschicken. Wir haben den Vorzugs-Gesetzentwurf, gegen den wir protestieren.
Der
Vorzugs-Gesetzentwurf ist ein schreckliches
Stück Gesetzgebung. Es würde die Gesetzes-Vollstreckung untergraben
und Netanjahus Beseitigung von einem Prozess, der schneller voran geht,
verzögern. Doch zu welchem Ende?
Damit Gideon Sa’ar an seiner Stelle ernannt werden kann?
Damit Avi Gadday gewählt werden kann oder Yair Lapid?
2017 ist
es unmoralisch gegen den Vorzugs-Gesetzentwurf zu demonstrieren. Als der
US-Präsident die Palästinenser an den Rand der Verzweiflung stößt, als in Israel
der Staat die Leute wegen ihrer Meinungsäußerung mit Gefängnis droht und
Asylsuchende in ihren Tod
deportiert, wenn es in Gaza kein Leben gibt,
sind die Demonstrationen auf dem Rothschild-Boulevard noch eine
charakteristische Art und Weise, sich gut zu fühlen,
indem man davon überzeugt ist, etwas zu tun ….
(dt. E.
Rohlfs)