Gideon Levy, Haaretz, 25.5.09
Das Knessetmitglied Zipi Hotovely ist ein
aufgehender Stern in der Likudpartei. Gut
gesprochen, jung und leidenschaftlich
entschied sie, in dieser Woche
eine diplomatische Konferenz zu halten. Das Thema: Alternativen zum
Zwei-Staaten-Konzept.
Am Vorabend
der Konferenz erschien Hotovely im z.Zt. nächtlichen Abendprogramm „London und Kirschenbaum“ im
Kanal10. Sieben Minuten lang versuchte das Paar, eine Antwort von seinen
Gästen zu bekommen: Welches ist Ihre
Alternative?
Die Frage
wurde mindestens 10 mal wiederholt, in verschiedenen
Versionen. Aber sie erhielten keine Antwort. Stattdessen hörten sie Antworten,
die besser in einen lustigen Sketch passten: „Ich bin sehr glücklich, dass Sie
diese Frage stellen“, „Was wichtig ist, ist nicht die Alternative“; „ die
Palästinenser sind noch nicht reif für eine Lösung“; „Juden sollten nicht noch einmal aus ihrer
Wohnung vertrieben werden“. Hotovely weiß, was sie
nicht will; aber sie hat nicht die leiseste Ahnung davon, was sie will.
Geben wir
nicht Hotovely die Schuld – sie ist nicht allein. Vom
Ministerpräsident bis zum letzten Knessetmitglied vom
rechten Flügel, hat keiner von ihnen
eine Antwort auf die einfachste, natürlichste und offenkundigste Frage: Was , in Gottes Namen, schlagt ihr vor: wie soll das Land
nach eurer Vision - und nur nach eurer Vision - in 15- 20 Jahren ab heute
aussehen?
Bei der
Konferenz, die einen Tag nach dem Interview stattfand, wiederholte sich die
Farce.
Kein
geringerer als der Minister für Strategie Moshe Ya’alon
sagte, es gebe keinen Spielraum für
Diskussionen für einen Zwei-Staaten-Plan,
solch ein Prozess habe keinerlei Chance;
die Palästinenser wollten gar keine zwei Staaten. Zusammengefasst: Eine Alternative ? – vergesst es!
Wir haben
deshalb die wunderbar leichte Aufgabe, das Kartenhaus der Rechten mit einem
Schlag umzuwerfen: frag sie, was sie vorschlagen. Frag sie, welches ihre
Lösung sei. Sie werden sich winden und
drehen genau wie Hotovely; es gibt keinen einzigen Anständigen vom rechten Flügel, der eine
Antwort parat hat.
Mit der
Ausnahme jener, die Transfer – natürlich „freiwilligen“ Transfer – bevorzugen,
hat die Rechte keine Vorstellung, wie das Land nach weniger als einer Generation aussehen wird, wenn zwischen dem Jordan und dem Meer die Araber
die Mehrheit sein werden. Wie wird ein Land aussehen, wenn die Minderheit über
die Mehrheit herrschen wird? Wie viele Jahre noch werden Millionen Menschen
weiter ohne Grundrechte leben – während die Welt schweigt ?
Ein solches
Land wird sonst in der Welt ein Apartheidstaat genannt. In Israel nennt man
dies die Ein-Staaten-Lösung. Dies war einmal völlig ausgeschlossen, nur die
radikale Linke beider Nationen wagten so etwas vorzuschlagen. Nun wird es von
der israelischen Rechten vorgeschlagen, während
sie die Realität verwischen und unterdrücken.
Weiß man,
was die Rechte vorschlägt? Sie schlägt die Fortsetzung des Status quo vor. Was
angeblich 40 Jahre lang für Israel gut war, wird auch für die nächsten 400
Jahre gut sein. 40 Jahre lang konnten wir uns
etwas vormachen, die Welt zum Narren halten, besetzen, unterdrücken, auf
den andern herumtrampeln und sie töten. Warum sollten
wir nicht so weitermachen?
Aber der
Status quo bleibt niemals derselbe: er
verändert sich ständig und schnell. Die Palästinenser intensivieren ihren Kampf, und für die Welt
werden wir immer widerlicher. Während der ersten 20 Jahre der Besatzung,
waren auch wir davon überzeugt, dass dies so ungestört weitergehen könne. Die
Palästinenser werden weiter unsere Häuser bauen, unsere Straßen kehren, unser
Geschirr abspülen, unsere Felder bearbeiten.
Dann kam
die 1. Intifada, die die Illusion mit
Steinen und Messern zerstörte; dann kam
die 2. Intifada mit Schusswaffen und
Sprengstoffgürteln.
Die dritte
ist im Kommen, wahrscheinlich noch
gewalttätiger als die vorausgegangenen. Die Welt hat die Nase bald voll davon. Während der 1.
Intifada blieb sie meistens noch still,
während der zweiten begann sie, Israel zu ächten, und während der dritten wird sie schmerzvolle Schritte gegen es unternehmen.
Einige vom
rechten Flügel verstehen dies. Sie haben in ihrem Herzen einen geheimen Wunsch,
den sie nie zu äußern wagen: Machen wir den Palästinensern das Leben so unerträglich, bis sie den Wink verstehen –
der so offensichtlich ist, wie eine auf sie gerichtete Kanone – und
verschwinden.
Das ist
eine Idee. Das Problem ist nur, ist die Idee auch durchführbar? Die
Palästinenser bleiben leider, sie geben nicht auf, nicht wie die Juden.
Vielleicht sind wir nicht hart genug mit ihnen umgegangen. Es gibt eine Chance,
dass am Ende doch noch der Rücken des
Kamels bricht, genau wie die Fatah gerade dabei ist, aus einander zu brechen.
Und dann gibt es niemanden mehr, mit dem solch ein Problem zu lösen wäre.
Es gibt
noch eine andere Möglichkeit, mit den Slogans der Rechten umzugehen: Decke die
Wahrheit auf, die hinter ihnen liegt und ihre Hoffnungslosigkeit.
Nichts ist
leichter, als die Argumente der Rechten umzuwerfen. Keine einzige wirklich
säkulare Person kann von unseren Rechten
überzeugt werden, aus religiösen Gründen an den (besetzten )
Gebieten festzuhalten. Das Grab des Rabbi Nachman von
Bratslav in Uman, Ukraine, ist auch heilig, und im
Augenblick haben wir keinen Anspruch, über diese zu herrschen.
Genau so
absurd sind die sicherheitsrelevanten Erklärungen in einer Epoche, in der
Raketen zu fast allem in der Lage sind. Was also bleibt, ist die Gier nach
Grundstücken. Und wenn wir bei Grundstücken sind, lasst uns auch über den Preis
reden: der steigt nämlich. An dem Tag, an dem Israelis beginnen, für Grund und
Boden einen persönlichen Preis zu zahlen - mit Geld und Blut - und auch den
Kontext verstehen, dann wird das Geschäft rückgängig gemacht werden.
Bis dahin
werden die Rechten weiter Angst machende Taktiken anwenden, ohne eine einzige
Alternative vorzuschlagen. Und die Siedler werden mit ihren Tricks fortfahren;
die Lösung der Linken – die einzige weit und breit – wird unmöglich und die Rechten werden wieder gewinnen.
Es wird
aber ein Pyrrhus-Sieg sein. Er wird zu spät sein, um ihn wieder gut zu machen.
Das größte und fragwürdigste Immobiliengeschäft wird zusammenbrechen und mit
diesem diejenigen, die behaupteten, die Besitzer des Landes zu sein, auch wenn etwas anderes
auf der Übertragungsurkunde über
Realität und Gerechtigkeit geschrieben stand.
(dt.
Ellen Rohlfs)