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Von
Sheik Jarrah nach Sheik Munis
Gideon Lewy, Haaretz, am 6.3.09
Auf
der Kuppe eines Hügels wenige Meter von einer Stelle, wo jetzt ein Haus steht,
gab es einmal einen Bewässerungsteich für den Zitrushain
eines Dorfes. Ich schwimme jeden Morgen im Gemeinde-Swimmungpool,
der auf den Ruinen des Dorfbewässerungsteiches gebaut wurde. Die palästinensischen
Jaffa-Orangen wuchsen einst hier in einem nun nicht
mehr vorhandenen Hain. Jetzt steht mein Haus dort. Das Land wurde „erlöst“, wie
die Landaneignung in der zionistischen Propaganda genannt wurde. Im Falle von
Sheikh Munis wurde es mit Gewalt „erlöst“ und Tel Avivs Stadtteil Ramat Aviv wurde hier gebaut, einschließlich der Tel Aviver Universität, einer prächtigen akademischen
Institution auf den Ruinen eines Dorfes, dessen 2230 Bewohner umzingelt und
bedroht wurden. Sie flohen, um nie wieder zurückzukehren.
Alles
was von dem großen Dorf geblieben ist,
ist Habayit Hayarok ( jetzt
Konferenz und Party-Centrum) , noch ein Haus an der Levanonstraße
und der Friedhof, der vernachlässigt am Rande des Parkplatzes einer
beängstigenden Regierungseinrichtung liegt – Zutritt für Unberechtigte
verboten. Natürlich gibt es weder ein Denkmal noch sonst ein Monument für das
Dorf, das von der Erdoberfläche entfernt worden ist– eines von 418.
Vielleicht
lebt die Familie des Bauern, der einst das Land pflügte, auf dem mein Haus
steht, nun in großer Armut in einem Flüchtlingslager. Nach dem israelischen
Rechtssystem hätte sie das Recht, das Land sofort zurückzubekommen, mein Haus
zu zerstören, zurückzukehren, auf seinen Ruinen wieder Jaffa-Orangen
anzubauen und zu exportieren und mich wenn nötig mit Gewalt zu vertreiben. Der Jerusalemer Gerichtshof, der vor
kurzem bestimmte, dass Vertreter des
sephardischen Gemeindekomitees das Recht habe, die Wohnungen der Harun-und Gawi-Familie in Ost-Jerusalems Vorort Sheik
Jarrah zurück zu nehmen, öffneten die 1948-Akte. D.h, wenn Israel ein egalitäres System von Recht und
Gerechtigkeit hätte, wenn das Rechtssystem fair wäre, dann würden Millionen von
Palästinensern dem Gericht applaudieren und vor Freude über die Entscheidung in
den Straßen demonstrieren. Der Weg zur Gerechtigkeit, 1948 abgelehnt, ist nun
für jeden geöffnet. Von jetzt an werden Juden und Araber in der Lage sein, die
Wiederherstellung ihres Besitzes zu verlangen. Die Rückkehr wird angeboten –
mit dem Rückhalt des israelischen Rechtssystem.
Aber
leider ist dem nicht so. Das Gericht, das das Schicksal der beiden
palästinensischen Familien besiegelt hat und extremistischen Siedlern erlaubte,
an ihrer Stelle dort zu leben, hat noch einmal den wahren Zustand der Rechtsregeln
in Israel offen gelegt: rassistisch und die Anwendung von Doppelmoral, also ein
getrenntes Rechtssystem für Juden und Araber.
Vielleicht
sollten wir dem Gerichtshof für seine skandalöse Entscheidung danken, die nicht
nur eine gerechtfertigte internationale Welle des Protestes gegen Israel
auslöst, sondern auch sein wahres Gesicht enthüllt. „Es gibt Richter in
Jerusalem,“ wie Menachem Begin einmal sagte; und sie
machten es offiziell: Apartheid. Besitzrechte gibt es nur für Juden.
Die
Entfernung zwischen Sheikh Jarrah und Sheikh Munis wurde mit einem Schlag verkürzt. Jene, die darum
kämpfen, dass Juden ihr Eigentum zurückgegeben wird, können nicht im selben
Atemzug den Palästinensern ihre Eigentumsrechte wegen ihres nationalen
Ursprungs verweigern. Es stimmt, dass ein System strenger Gesetze und
Regelungen den Palästinensern verweigert, was Juden erlaubt ist. Alle
vernünftigen Israelis müssten sich nun selbst fragen, ob es díeses
System von Gerechtigkeit und Gesetz des „jüdischen“ Staates ist, in dem sie
leben wollen.
Es
ist unmöglich, die Ungerechtigkeiten von 1948 zu ignorieren, während
Hunderttausende von Flüchtlingen in den Lagern dahinvegetieren. Kein Abkommen
wird haltbar sein, wenn es keine Lösung für ihr Elend gibt, die durchführbarer
ist, als Israels lautstarke Panikmacher
denken lassen. Aber offizielle Entscheidungen wie die augenblicklichen machen
es schwerer, zwischen Sheikh Jarrah und Sheikh Munis klar zwischen
der Eroberung von 1948 und den Eroberungen von 1967 zu unterscheiden. Mein Haus
steht auf mit Gewalt gestohlenem Land, und es wäre die Verpflichtung Israels
und der Welt, diese Ungerechtigkeiten wieder gut zu machen, ohne neue
Ungerechtigkeiten zu schaffen und neue Vertreibung. Mein Haus steht auf
gestohlenem Land, aber die ganze Welt hat das Recht der Juden anerkannt, hier
ihren Staat zu errichten. Gleichzeitig hat aber kein Land der Welt Israels
Recht, auch Sheikh Jarrah zu erobern, anerkannt.
Bei
meinem morgendlichen Nachsinnen auf dem
Weg zum Swimmingpool denke ich zuweilen an die früheren Besitzer. Ich sehne
mich nach dem Tag, an dem Israel die moralische
und materielle Verpflichtung für die Ungerechtigkeiten auf sich nimmt,
die es den Flüchtlingen angetan hat. Wegen der Gerichtsentscheidung mag jetzt
mein Recht, hier zu schwimmen, auch zweifelhaft sein.
(dt.
Ellen Rohlfs)