Israel Palästina Nahost Konflikt Infos

 

Die Waffen des Jüngsten Gerichts

 

Gideon Levy, 5.11.09

 

Alle paar Wochen müsst  ihr Angst säen, alle paar Monate müsst ihr Drohungen machen und einmal im Jahr oder alle zwei Jahre müsst ihr einen weiteren kleinen Krieg anzetteln. Blinde Zusammenarbeit zwischen dem Verteidigungsestablishment und den Medien hält das Versprechen  für eine neue Kampfrunde aufrecht. Auf diese Weise ist es möglich, einigen Beschuldigungen des Goldstone-Berichtes zu entkommen und sich in den Verhältnissen zu wälzen, die uns die liebsten sind: im Opfer sein und sich bedroht fühlend und  vereinigt angesichts der großen externen Gefahr, die angeblich ganz nahe ist.

 

Die IDF wird über allem sein und sich  von einer Serie von Verdächtigungen und Fehlern reinigen. Dies kann  auch in riesigen Budgets, verherrlichender Wichtigkeit und Einfluss für beide umgesetzt werden, für die Generäle und die Militärkommentatoren. Es schafft auch eine gute Fernsehzuschauerrate und  sensationelle Zeitungen und weiter entwickelte Waffensysteme. Was wäre besser für uns als dies?

 

Der letzte Alarmschrei: NASA in Palästina, Israels  hochentwickeltes Verteidigungssystem von Raffael in Gaza. Hamas habe eine iranische Rakete  60 km weit abgefeuert –  natürlich muss es  einen iranische sein. Der Chef des militärischen Nachrichtendienstes berichtete dies, Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sprach unmittelbar danach über ein Raketensystem, und die Medien brachen in ihren Lieblingskriegstanz aus. „Drei-Millionen Bürger liegen innerhalb ihrer Reichweite.“ „Konfrontation im Dezember“, „Liegt man in Reichweite?“ „ „Die Außenbezirke von Tal Aviv in Gefahr,“ „Waffen des Jüngsten Gerichts“, erschreckende Schlagzeilen begleiten nicht weniger unheimliche Landkarten . Dies ist eine neue Dimension, der sich die IDF gegenüber sieht. Es ist keine einfache Sache. Es ist wirklich eine völlig andere Geschichte. Wir sollten daran denken, dass es viele Todesfälle an der eigenen Front geben könne,“  brüllt der nationale Bariton – der militärische Kommentator des Fernsehens.

 

Also beschäftigen wir uns noch einmal mit der Groteske – ein schmaler Streifen Land unter Belagerung wälzt sich in seiner Not und in seinen Ruinen mit einer erbärmlich paramilitärischen Organisation, deren Waffenarsenal eine Blamage für ein IDF-Basis-Trainingslager wäre. Ja, es bewies  seine Unzulänglichkeit schon im letzten Krieg. Die  (erbärmlichen) Militanten werden uns aber als Supermacht dargestellt. So schaffen sie das Szenario  für den nächsten Krieg. So ermächtigen sie nicht nur den Feind, sondern in erster Linie die IDF, die den Feind schlagen kann.

Diese kriegstreiberischen militärischen Kommentatoren sagen, der Krieg kommt bald, vielleicht schon im nächsten Monat. Die wütenden Voraussagen der Kommentatoren werden

wieder selbst erfüllende Prophezeiungen sein. Wie bei den entsetzlichen früheren „Inkarnationen“ werden wir bald wieder eine Reihe von „Vorfällen“  erwarten, die die „Front aufheizen“ – ein Tunnel wird bombardiert oder ein Waffenlabor. Ein paar hilflose Bauern mit rostigen Pflügen, die sich  ( beim Pflügen ihres Landes) dem Sicherheitszaun zu sehr nähern, werden getötet, weil man sie als Terroristen beschrieben hat, die Sprengstoff legten. Und die Palästinenser werden als Antwort wieder hohle Qassams abfeuern, die Angst im Negev säen und so Druck auf die Regierung ausüben wird,( endlich)  „etwas zu tun“.

„Die hohen Tiere fragen nicht, ob es noch eine militärische Konfrontation mit der Hamas geben wird, sondern nur wann“  entsprechend dem Klischee über den nächsten Krieg. Aber die einzig bedeutsame Frage wird nicht gestellt: „Warum?“  stattdessen fragt man, ob oder wann. Dies ist die Frage, die nachhallt.

 

Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so deprimierend wäre. Selbst eine Satire würde nicht so lächerlich sein, wie diese ständig wiederkehrende Realität. Man hat  seine Lektionen ( immer noch)  nicht gelernt..

Tausend Untersuchungskommissionen werden uns  vor  diesem Marsch der Torheit nicht verschonen. Gaza ist abgesperrt und ruhig, relativ gesprochen. Es wird allerdings nicht ruhig bleiben, wenn die Belagerung nicht aufgehoben und seinen Bewohnern nicht  erlaubt wird, unter menschlichen Bedingungen zu leben.

 Jene, die  noch einen kriminellen und unnötigen Krieg im Dezember wollen, sind dazu eingeladen, sich der  Verherrlichung des Wahnsinns anzuschließen, der über uns kommen wird, zusammen mit den Kriegsbaronen – den Generälen und Kommentatoren.

 

Diejenigen die versuchen wollen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, sind willkommen, um über eine Alternative nachzudenken: sofortige Aufhebung der Belagerung, die Rehabilitierung des Gazastreifens, die Entlassung von Gilat Shalit als ausgemachter Preis, Bemühungen, um die Hamas in den Friedensprozess einzubinden und ein Versuch, ein langfristiges Abkommen mit ihr zu erreichen. Es ist möglich. Es ist nur nie versucht worden, aber es gibt einen Haken. Was werden die Generäle und die Kommentatoren dann nur tun – Gott bewahre – wenn die Ruhe im Süden anhält?

 

(dt. Ellen Rohlfs)