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Gideon Levy, Haaretz, 11.3.10
Hier ist
jemand, dem für alles die Schuld gegeben werden kann: Ely Yishai.
Schließlich
wollte Benyamin Netanyahu es so sehr, Ehud Barak gab sich so große Mühe, Shimon
Peres übte seinen Einfluss aus –
und nun kommt der Innenminister und ruiniert alles.
Da sind wir
nun am Rand einer neuen ( fast) historischen
Veränderung. Das Reden mit den Palästinensern war zum Greifen nah. Der
Frieden klopfte an die Tür, die Besatzung näherte sich ihrem Ende – und dann
kommt so ein Shas-Schurke, der von Timing und Diplomatie
keine Ahnung hat und alle
Friedenskarten durch einander bringt.
Der Schurke
erscheint mitten in der Begrüßungsszene mit Lächeln und Umarmungen mit dem
Vizepräsidenten der USA und stört die Feierlichkeit. Joe Bidens Lächeln fror
abrupt, die große Freundschaft war im Begriff zu bröckeln, und das gemeinsame
Essen mit dem Ministerpräsidenten und seiner Gattin
wäre beinahe gestrichen worden – zusammen mit dem ganzen
„Friedensprozess“. Und alles nur wegen Yishai.
Nun, der
Innenminister verdient unsern bescheidenen Dank. Es war perfekt. Das Timing,
über das sich jeder beklagt, war brillant. Es war genau der richtige Zeitpunkt,
die Sache beim richtigen Namen zu nennen. Wie immer benötigen wir Yishai ( und
gelegentlich auch Avigdor Lieberman), um unser wahres Gesicht zu zeigen – ohne
Masken und Lügen und müssen dass Enfant terrible spielen, das
ausruft, dass der Kaiser keine Kleider trägt.
Denn der
Kaiser trägt tatsächlich keine Kleider. Danke, Yishai, dass du das öffentlich
gemacht hast. Danke, dass du den Deckmantel von den Feiernden der großen
andauernden Friedensprozess-masquerade abgerissen hast, von der keiner etwas
hält.
Was wollten
wir von Yishai? Wir wollten wissen, wann das Jerusalemer Planungskomitee
zusammenkommt. Sollte es um zwei Wochen verschoben werden? Warum? Hatte der
Ministerpräsident nicht Israel, der Welt und den USA verkündet, dass der Baustop
der Siedlungen für Jerusalem nicht gilt. Warum dann also dem niedrigen Beamten,
dem Innenminister die Schuld geben, der diese Politik nur erfüllt? Na und!?
Noch mal 1600 Wohnungen für die Ultra-Orthodoxen auf besetztem,
gestohlenem Land? Jerusalem wird niemals geteilt werden, versprach Benyamin
Netanyahu bei einer anderen Gelegenheit, bei der
er viel Applaus bekommen hat. In diesem Fall, warum nicht
dort bauen? Die Amerikaner waren doch mit allem einverstanden. Also haben
sie keinen Grund, beleidigt zu sein.
Der
Innenminister sollte sich nicht für
diese „Verzweiflung“ entschuldigen, die er verursacht hat. Er sollte stolz
darauf sein. Er ist das wahre Gesicht der Regierung. Wer weiß, dank ihm wird
Amerika vielleicht endlich verstehen, dass nichts geschehen wird, wenn es
nicht wirklichen Druck auf Israel ausübt.
Was würden
wir ohne Yishai tun? Biden würde Israel mit Erfolgsgefühlen verlassen. Netanyahu
würde sich rühmen, die enge Freundschaft erneuert zu haben. Ein paar
Wochen später würden die indirekten Reden begonnen haben. Europa würde
applaudiert haben und Barack Obama, der Präsident der großen Versprechen, würde
sich einen Moment lang nicht mit den Krankenversicherungs-problemen seines
Landes befassen und sich dafür mit
Netanyahu treffen. George Mitchell, der schon ein paar
diplomatische Punkte hier gesammelt hat, würde zwischen Ramallah und
Jerusalem hin und herfahren und vielleicht würde Netanyahu sich mit Mahmoud
Abbas persönlich treffen. Dann würde alles aussortiert.
Ohne
Vorbedingungen, ganz sicher ohne Vorbedingungen, Israel würde weiter
in den besetzten Gebieten bauen – nicht 1600, sondern 16 000 neue
Wohnungen. Die IDF würde weiter verhaften, ins Gefängnis stecken, demütigen und
verhungern lassen – alles unter der
Schirmherrschaft der Friedensgespräche – natürlich. Jerusalem auf immer! Das
Rückkehrrecht ist keine Frage, und so ist es auch mit der Hamas. Also auf zum
Frieden!
Monate würden vergehen, die Gespräche „Fortschritte“
machen, es wird eine Menge Fototermine geben, und immer wieder würde eine
Minikrise ausbrechen – wegen der Palästinenser, die weder Frieden noch einen
Staat wollen. Am Ende wird es noch einen Plan geben mit einem neuen Zeitplan,
den keiner einhalten wird.
Alles war schon so gut vorbereitet, so
reif bis dieser Bengel, Yishai kam und alles
in die Vergessenheit stieß.
Das ist alles ein bisschen peinlich, aber nicht so schrecklich. Schließlich:
Zeit heilt alle Wunden. Die Amerikaner werden bald vergeben. Die Palästinenser
haben keine Wahl und noch einmal wird jeder feierlich auf dem Podium stehen und
der Prozess wird wieder in Gang kommen – trotz allem, was der einzige Feind des
Friedens rund um uns, Eli Yishai, uns angetan hat.
(dt. Ellen Rohlfs)