Israel Palästina Nahost Konflikt Infos

Kranke Polizei

 

Gideon Levy, 25.7.10

 

 

Eine Polizei, die einen Offizier wie Shahar Mizrahi  aus Scham nicht sofort entlässt, ist eine schlechte Polizei. Statt den Offizier, der einen angeblichen Autodieb erschoss, zu verurteilen, sagte der Polizeikommissar Cohen, die Polizei werde ihn weiter unterstützen. Cohen sollte nicht weiter Kommissar bleiben. Ein Kommissar, der implizit den Obersten Gerichtshof kritisiert, ist ein Kommissar, der die Herrschaft des Rechts schädigt. Dieses sind zwar ernsthafte Anklagen, aber die Haltung der Polizei ist nicht weniger ernst zu nehmen.

 

Die Identifizierung der Öffentlichkeit mit Mizrahi, die Klagen über sein bitteres Schicksal und die Drohung, die Polizei werde nicht in der Lage sein, ihre Aufgabe zu erfüllen, hat die schlimme Tat, die er begangen hat, verschleiert. Dies war natürlich absichtlich. Der Kriminelle wurde zum Helden. Erinnern wir uns an die  Einzelheiten des Vorfalls, die die Richterin i.R. Dalia Dorner als „Exekution“ bezeichnete. Mizrahi tötete einen unbewaffneten Zivilisten, der das Leben des Offiziers nicht bedroht hat. Mizrahi schoss aus der Nähe scharf in den Kopf eines Zivilisten, der zu fliehen versuchte. So verletzte er das Gesetz und die Vorschriften für das Eröffnen von Feuer.

Dies war die Grundlage seiner Verurteilung und   das war gerechtfertigt. Ein Freispruch würde der Polizei ein Lizenz zum Töten geben, wann immer sie mag. Es ist entmutigend zu sehen, wie die Öffentlichkeit, die sich neben Mizrahi stellt, darauf erpicht ist, Polizeikräfte zu haben, die tötet – aber natürlich nur Araber.

Mizrahi hatte kein Glück. Sein Fall wurde dem richtigen Richter  zugewiesen. Wenn er das Glück eines anderen Polizisten, Shmuel Yehezkel, gehabt hätte, der  2005 Samir Dari in den Rücken schoss und tötete, würde er einen Freispruch bekommen haben.

 

Yehezkels Schicksal fiel in die Hände des Distriktrichters Noam Solberg und seinen geistigen Mentor den Richter Eliyakim Rubinstein vom Obersten Gericht – also wurde er freigesprochen trotz Solbergs Entscheidung, dass Yehezkel „sinnlos  getötet“ habe.  Mizrahi war weniger erfolgreich, obwohl er denselben Anwalt David Libai hatte. Sein Fall kam in die Hände der Präsidentin des Obersten Gerichtshofes Dorit Beinish. Sie  führte ihren Job  ehrenhaft und mutig aus. Und nun wird sie dafür angegriffen. Fast keiner hat sie verteidigt. Statt ihr zu danken, greifen sie sie an.

Mizrahis Verteidiger, die eine  abscheuliche Medienkampagne begannen, die  besonders zynisch und abstoßend einen Polizisten, Shlomi Asulin, missbrauchte, der bei einem anderen Vorfall schwer verwundet wurde. Diese Kampagne schickt eine erschreckende Botschaft an andere Offiziere: macht weiter mit dem Töten. Sie versuchen, in die Irre zu führen und  behaupten, dass es keine Polizeiabteilung gebe, die nicht unnötig tötet und keinen Krieg gegen Verbrechen ohne exzessive Gewalt.

 

Das ist eine Lüge – als ob die mehr als 40 von der Polizei getöteten Zivilisten der letzten 10 Jahre nicht genug wären. ( und der Sprecher des nationalen Polizeizentrums macht sich nicht die Mühe, auf Haaretz Anfrage genauere Zahlen zu geben.)  es ist eine erschreckende Zahl, die hier mit Selbstzufriedenheit  zur Kenntnis genommen wird, weil ja fast alle Opfer Araber gewesen sind. (Man stelle sich vor, Mizrahi hätte  zufällig Tal Mot getötet, der Verdächtige beim  Fahrerfluchtvorfall, bei dem der Sohn des früheren Richters des Obersten Gerichtes letzten Monat getötet wurde.  Welche Aufregung das wohl verursacht hätte und welche Strafe der Polizist bekommen hätte, ohne dass jemand Kritik geäußert hätte.)

 

Als ob die Polizeigewalt gegen Kriminelle und unschuldige Zivilisten nicht schon genug wäre. Es vergeht doch keine Woche, in der nicht Zivilisten von gewalttätigen Polizisten geschlagen werden. Statt diesen gefährlichen Trend zum Halten zu bringen, akzeptieren wir die Unterstützung, die der Polizeiverbrecher erhält und die vom schändlichen Schweigen von Seiten des Ministerpräsidenten Netanyahu, vom Justizminister Neeman und Anwalt Weinstein noch  begleitet wird. Der Oberste Gerichtshof ist wieder allein gegen die ganze Welle der Gewalt, die Rückenwind von den Medien erhält.

 

Sie sagen, dass die Polizei „jetzt  vor jeder Operation zweimal nachdenken wird“. Großartig. Wünscht denn jemand, dass Polizisten schießen, ohne vorher nachzudenken? Sie behaupten, dass die Polizei nicht länger Zivilisten verteidigen kann . Unterdessen ist es tatsächlich das Gericht, das zur Verteidigung der Zivilisten kommt. Sie behaupten auch, dass „das Gericht keine Ahnung über die Situation vor Ort habe.“  Unsinn. Wie kommt es, dass das Gericht über die Situation vor Ort Bescheid weiß, wenn es Zivilisten verurteilt, aber nicht Bescheid wüsste, wenn es Polizisten verurteilt? Und schließlich machen sie die lächerliche Behauptung: wir wollen die Entscheidung respektieren,“  als ob sie andeuten wollten, sie hätten die Wahl.

Die Tinte auf Beinishs gerechter Entscheidung ist noch nicht trocken und schon beginnt  unter der skandalösen Leitung  des Sicherheitsminister Aharonowitch die Kampagne für ein Pardon für Mizrahi. Das muss sofort gestoppt werden. Wenn Mizrahi nicht seine Strafe absitzt, werden wir wissen, dass Polizisten uneingeschränkt töten können. Gestern töteten sie unnötigerweise Mahmoud Ganaim. Morgen werden sie wahrscheinlich auch jüdische Zivilisten töten. Und dann werden wir sicher protestieren.

 

(dt. Ellen Rohlfs)