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Der religiöse Zionismus hat Israel nichts  als Unruhe beschert

Gideon Levy

 Haaretz

14.8.16

Man muss sich ungläubig die Augen reiben. Ein israelischer Journalist, der sich selbst als weder religiös noch nationalistisch definiert, schrieb „Die Leute von Mercaz Harav und Gush Emunin haben  von niemandem etwas gestohlen. Was sie während der letzten 49 Jahre getan haben, war erziehen und unterrichten - was eindrucksvoll ist - und mobilisieren und  schreiben sich beim Militär ein, was aufregend ist.“( Ari Shavit  11. August)

Es ist das Jahr 2016 und das Verbrechen ist schöngeredet worden; es ist sogar zum pädagogischen Vorbild geworden. Der Sieg ist erklärt worden. Eine Bewegung, die fast nichts getan hat, außer zu stehlen, nur stehlen, wird von einer Person bewundert, die sich selbst als „radikale Mitte“ definiert. Eine Bewegung, deren Existenz sich auf Vertreibung gründet,  auf Betrug und Korruption, wird nun  nicht nur von einer Person legitimiert, sondern  „aufregend“ und „eindrucksvoll“ genannt, die sich selbst als aufgeklärt betrachtet. Eine Bewegung, die sich auf Manipulation  des religiösen Glaubens gründet, wird von einer Person bewundert, die sich selbst als säkular betrachtet.

Man kann dies natürlich für den Schreiber dieser Illusion übersehen; es ist kaum zu glauben,  dass dies ernst gemeint war. Man kann nicht säkular sein und an das biblische Recht von Shilo und Itamar glauben;  man kann kein Nicht-Nationalist sein und von der Bildungsarbeit des Gush Etzion-Siedlungsblocks und der Merkaz Harav .Yeshiva  beeindruckt sein. Was ist dies genau für eine Bildung? Man kann nicht moralisch sein und das kriminellste Unternehmen in der Geschichte des Landes unterstützen. Aber die Tatsache, dass diese Dinge fast nebenbei geschrieben wurden, als ob sie offensichtlich wären, zeigt das Ausmaß,  in wieweit Israel  abgefallen ist.

Ein Projekt, das von Dieben in der Nacht begonnen wurde, entwickelte sich zu einem Projekt  eines Raubes bei Tageslicht und es wurde nicht nur legitimiert, sondern zu einem Objekt der Bewunderung. Was gibt es bei Gush Emunin zu bewundern?  Was gibt es dort, um begeistert  zu sein? Shavit ist  von Israel Harel begeistert, der die Siedlung Ofra gründete, von der mindestens 58 % ihrer Wohnstätten auf gestohlenem privatem Land gebaut wurde; und der Rest auf gestohlenem nationalen Land. Begreift man dies?

Land zu stehlen, ist aufregend. Konnte Shavit sich vorstellen, was sich ereignen würde,  wenn sein Land gestohlen wurde und auf diesem Ausländer gewaltsam angesiedelt werden? Shavit schrieb, Harel ist der einzige von Haaretz Kolumnisten, der die Realität verändert hat. Es stimmt, dass er die Realität bis ins Innerste  entstellt hat.(Und heute lebt er in Tel Aviv.)

Ohne seine und seiner Freunde Aktionen würde Israel ein anderer Ort sein – sicherlich  moralischer und offensichtlich auch sicherer.  Es ist in Ordnung, über Ofra sich aufzuregen. Verbrechen hat für einige Leute immer geleuchtet. Man mag sich auch über die religiöse-zionistische Übernahme von Machtzentren  wundern und nicht realisieren, dass dies eine feindselige Machtergreifung ist. Aber nachdem dies geschah, kann man sich nicht seines Säkularismus‘ und Liberalismus‘ rühmen. Nein Ari, dies passt nicht zusammen. Mit deinen Worten hast du  dich als nationalistisch, religiös und als nicht aufgeklärt erklärt. Du kannst nicht in beiden Welten leben.

Dieses Unternehmen, das du so bewunderst, hat dem Staat  fast nichts gebracht. Was hat es gebracht? Eine größere Anzahl von Soldaten, die sich in der Armee freiwillig melden? Na, hör mal! Es hat uns mit den größten Katastrophen bedacht. Was hat der religiöse  Zionismus uns genau gebracht? Die Projekte des Siedler-Führers Zeev Hever und seiner Organisation Amana und seine Tricks? Was ist in den Furchen der Siedlungen und auf dem Boden der Außenposten gewachsen? Nur bewaffnete und beschützte Schlafgemeinden mit  vollkommen unbedeutender Industrie und Landwirtschaft und Außenbezirke, die nur dank der irrsinnigen Geldbeträge, die ihnen zugeleitet werden, künstlich existieren. Was den intellektuellen Geist angeht, so kam fast nichts von dort. Das ist keine Überraschung.

Eine korrupte Bewegung kann nicht kreativ sein. Die Siedler haben bis jetzt gewonnen. Sie zu verehren illustriert, wie wahr dies ist. Das Land ist voll von ihren Leuten mit gehäkelten Käppchen in jeder Machtposition, religiöser Eifer brennt in jeder Ecke. Dies könnte ein Sieg sein, der das Land verändert. – was schon geschehen ist – aber dieses Beifallsgebrüll könnte noch zu Papier werden.

Dies geschah einmal in Gaza 2005. Als alles auf Fäulnis aufgebaut wurde; dies ist  selten von Dauer. Aber für dieses benötigt man Gegenkräfte. Diese existieren  jedoch nicht und  können auch am Horizont nicht gesehen werden. Nichts illustriert dies eindeutiger als Ari Shavits Artikel.

(dt. E. Rohlfs)