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Ich
schäme mich
Abraham
Melzer, 15.10.2015
Eine
verzweifelte Tat in einer verzweifelten Situation ist eine normale Reaktion. Das
kann man über die Welle der Gewalt sagen, die seit Tagen Israel verunsichert und
für Chaos sorgt. Die Palästinenser reagieren so, wie sie reagieren mussten
angesichts der Hoffnungslosigkeit ihrer Lage und der herzlosen und dummen
Reaktion Israels. Palästinenser auf der ganzen Welt wollen und werden
protestieren und der Zentralrat
Präsident, diese dumme Stimme ihrer israelischen Herren, fordert, Verbot der
geplanten palästinensischen Demonstrationen. Da kann man nur staunen und sich
wundern und als Jude sich für eine solche Vertretung schämen, und wünschen die
Erde möge sich spalten und uns schlucken, besser allerdings wäre es, die Erde
würde Dr. Schuster und seine ganze Bagage verschlucken.
Leute
wie Ilan Pappe, Amira Hass und ich haben schon vor dreißig und zwanzig Jahren
gewarnt, dass es so kommen würde. Das man ein Volk nicht ewig unterdrücken kann.
Wir haben vor Jahren und Jahrzehnten schon geschrieben, dass die einzige
Sicherheit für Israel ein echter Frieden sei, eine Anerkennung der Palästinenser
und Ihrer Rechte. Israel wollte es nicht hören. Man hat uns ausgelacht und Ilan
Pappe aus dem Land rausgeekelt. Und nun ist es so gekommen, wie wir es
vorausgesagt haben. Die palästinensische Bevölkerung revoltiert, die jungen
Menschen haben die Besatzung satt und wollen nicht mehr. Und sie haben alle
Recht. Vollkommen Recht. Wenn ich Palästinenser wäre, oder auch nur Mensch und
so leben müsste, wie die Israelis die Palästinenser zu leben zwingen, nämlich
nicht leben und nicht sterben, wie Tiere vegetieren, ohne Würde, ohne Rechte,
ohne Frieden, ohne Sicherheit, ohne minimalen Wohlstand und ohne Hoffnung auf
Änderung in einem großen Freiluftgefängnis, ich würde mit Sicherheit auch zu
einem Messer greifen und den erst besten Israeli niederstechen, der mir
begegnet.
„Selbst
Gandhi würde die palästinensische Gewalt verstehen und billigen“, schreib Gideon
Levy in der israelischen Zeitung Haaretz. Aber Dr. Josef Schuster ist nicht
Gandhi. Er klagt die täglichen Angriffe in Israel, bei denen schon „zahlreiche
jüdische Passanten“ verletzt und getötet wurden. Kein Wort von der vielfach
höheren Zahl der Palästinenser die getötet und gelyncht wurde. Es geht immer nur
darum jüdische Opfer zu bedauern. Tote Palästinenser sind keine Opfer und vor
dem tobenden israelischen – jüdischen – Mob verschließ Schuster die Augen,
verstopft die Ohren und sagt kein Wort. Und wenn Palästinenser in Berlin dagegen
protestieren wollen, unterstützt auch von vielen Juden und Israelis, dann
schreibt Schuster: man wolle die „Verherrlichung der Anschläge auf Juden“
verniedlichen. Er schreibt: „Das ist abstoßend und erschüttert uns“. Mich und
andere Juden und Israelis erschüttert was dieser Schuster schreibt. Es ist
abstoßend und eine Schande für uns Juden und das Judentum.
Gideon
Levy schreibt: „Die Ungerechtigkeit kann so weiter viele Jahre gehen. Warum?
Weil Israel stärker ist als je zuvor und die Welt lässt es wie einen tollwütigen
Hund gewähren.“ Und ich füge hinzu, weil Heuchler und Antisemiten wie Josef
Schuster schweigen.
Natürlich hat sich auch die israelische Botschaft zu Wort gemeldet und den
Protest der Opfer verschmäht und diffamiert, als ob es uns Protestierer darum
ginge „Gewalt und Terror zu unterstützen“.
Dabei
wollen wir die Welt daran erinnern, dass sie auf dem Kopf steht und zusieht, wie
Opfer zu Täter gemacht werden und Täter sich als Opfer gerieren. Ich habe es
schon vor mehr als zwanzig Jahren gesagt und geschrieben: Allein die
Palästinenser sind in der Lage den Israelis Schutz und Sicherheit zu bieten. Die
Israelis wissen das und fordern auch die Palästinenser auf „sie zu schützen“;
der Täter fordert Schutz von seinem Opfer. Die Opfer können aber die Täter nicht
schützen, weil die Täter sie daran hindern.
Schuster
meint, dass der Aufruf zur Solidarität mit der palästinensischen Gemeinde
bedeute, die Mordanschläge auf israelische Zivilisten zu unterstützen. Das ist
seine zionistisch-jüdische Logik, die zynisch, falsch und widerlich ist. Wenn
man nicht schon Anti Zionist wäre, wie ich, so müsste man es spätestens jetzt
werden. Er ruft solche Veranstaltungen zu verbieten. Ich hoffe aber, dass ihm
das nicht gelingen wird. Nicht ihm, nicht der Botschaft und auch nicht diesem
widerlichen Volker Beck, der immer zur Stelle ist, wenn his master sich bückt
und er in den Darm reinkriechen darf.
Was
denken sich solche Zyniker und Heuchler? Denken Sie etwa, dass die Palästinenser
still sitzen und warten werden, bis die Israelis sie wie Schafe zur Schlachtbank
führen. Das haben doch die Israelis den europäischen Juden vorgeworfen. Nein,
die Palästinenser haben nicht vor geschlachtet zu werden. Wenn sie schon keine
Hoffnung auf ein freies und unabhängiges Leben haben, dann wollen sie mit
erhobenem Haupt sterben. Davor müssen wir Achtung haben.
Die
jüdische Welt schweigt und meint, dass eine „Kehrtwende nötig ist“, wie die
jüdische Zeitung „Tachles“ schreibt, die in der Schweiz erscheint. Allerdings
eine Kehrtwende der palästinensischen Gewalt, die „die Grenzen der Altstadt von
Jerusalem längst durchbrochen“ hat. Dabei ist eine Kehrtwende der israelischen
Politik viel dringender und notwendiger, denn diese ist es doch, die zu dieser
fast aussichtslosen Lage geführt hat.
US-Aussenminister John Kerry hat nach längerer Pause wieder einmal seinen
baldigen Besuch in der Region angekündigt, im Bestreben, die Lage zu beruhigen,
dabei hat er noch mehr Öl ins Feuer gegossen, als er bei seiner Ankündigung
„harte Worte für die Terrorwelle der letzten Tage“ fand. Kerry kann sich seinen
Besuch sparen, denn mit diesen Worten hat er wieder einmal gezeigt, dass er
überhaupt nicht versteht, worum es in Palästina geht und natürlich hat wieder
einmal gezeigt, wie einseitig, einfältig und dumm die amerikanische Politik ist.
Es ist
keine „Terrorwelle“, sondern ein Volksaufstand. Ein Aufstand der Opfer gegen die
Unterdrücker. Erst wenn Kerry, Schuster, Merkel und wie sie alle noch heißen,
das kapieren würden, erst dann könnte man Hoffnung haben, dass sich etwas ändern
wird. Die Kehrtwende muss in Washington, Berlin und nicht zuletzt bei den
Israelis stattfinden. Dazu besteht aber immer noch keine Hoffnung. Man sieht nur
buisiness as usual, dieselben Sprüche, dieselben leeren Worte, die die
Palästinenser nicht mehr hören wollen. Zurecht.
„Wie
lässt sich dieser schreckliche Kinder-Terrorismus erklären?“, fragt die jüdische
Zeitung Tachles. Ganz einfach: Schaut euch den schrecklichen
Regierungs-Terrorismus der Israelis an und dann habt ihr die Antwort. Sie liegt
heute auf der Straße. Man muss nur hinschauen. Aber es sieht jeder nur das, was
er sehen will und die jüdische Presse, jüdische Politiker und
Zentralratsvorsitzende, jüdische Bundeswehrprofessoren und jüdische,
zionistische Polemiker sehen immer noch nur das, was sie sehen wollen, bzw. was
ihnen die israelische Hasbara (Propaganda) zeigt. Holocaust, Auschwitz und
Antisemitismus, Antisemitismus, Antisemitismus…Da kann man auch als Jude fast
schon ein Antisemit werden, zumal man jüdische Kritiker der israelischen Politik
sowieso als „koshere Antisemiten“ schon lange diffamiert.
Wer
nicht hören will muss fühlen. Ein altes, einfaches Sprichwort, dass es in allen
Kulturen der Welt gibt. Israelis werden jetzt fühlen müssen wie es ist, in Angst
zu leben. Israel, ein Land mit einem der höchsten Lebensstandards der Welt, lebt
mit der niedrigsten Lebensqualität. Angst ist viel schlimmer als Armut. Angst
macht die Seele krank.