von Louisa Morgantini (EU-Parlamentarierin)
Zwei Stunden in der
Hölle
Etwas
mehr als zwei Stunden - aber es genügte, um die Zerstörung und Verzweiflung bei
der Bevölkerung in Gaza zu sehen.
Mit
8 Mitgliedern des EU-Parlaments und einem italienischen Senator (Demokratische
Partei, PD) sind wir die einzigen politischen Vertreter, die seit Beginn des
israelischen Angriffs in den Gaza-Streifen hineingekommen sind.
Wir
kamen über den Rafah-Übergang, dank der
unentbehrlichen Zusammenarbeit zwischen der UNRWA und der ägyptischen Behörde.
Wir bestanden darauf, dass die Israelis, die unser Gesuch abgeschmettert haben,
abgelöst werden.
Kanonenkugel
und Bomben schlugen in der Nähe des UN-Gebäudes ein, obwohl zu dieser Zeit eine
dreistündige Feuerpause angeordnet worden war. Ein Waffenstillstand, der nicht
respektiert wird, ebenso wenig wie die UN-Resolution des Sicherheitsrats, die
sowohl Israel als auch Hamas zurückgewiesen hat.
"Beide
werden sich selbst als Sieger bezeichnen, aber wir sind es, die sterben",
sagte der Mann, der auf dem Boden des UN-Flüchtlingszentrums lag.
Selbstverständlich
trägt Hamas ihren eigenen Anteil der Verantwortung, aber die Asymmetrie lässt
sich nicht leugnen. Über 40 Jahre lang hat Israel die Besetzung und
Kolonisierung von palästinensischem Land und der Bevölkerung fortgesetzt, indem
es Militärgewalt einsetzt und gegen die Menschenrechte und das Völkerrecht verstößt. In Rafah sah ich Menschen, die starr vor Schreck, erschöpft
vor Schlaflosigkeit aufgrund der zweiwöchigen Bombardierung und dem
verzweifeltem Suchen nach Leichen zwischen den Trümmern. Sie leiden unter
Hunger seit der anhaltenden Blockade, die bereits vor der Operation der
Zivilbevölkerung des Gazastreifens auferlegt worden war als eine Art
Kollektivstrafe.
Nun
werden sie attackiert aus der Luft, vom Land und vom Meer aus. Niemand und
Nichts ist sicher. Vielleicht ist es das erste Mal,
dass es für die Bevölkerung, die bombardiert wird, keinen sicheren Ort gibt,
wohin sie flüchten kann: die Grenzen sind geschlossen, so dass sie da bleiben
und darauf warten müssen, dass sie sterben. Dies sagte Raed, einer von ihnen,
zu mir: "Jedes Mal, bevor wir versuchen zu schlafen, gebe ich meiner Frau
einen Kuss und hoffe, dass ich am kommenden Tag noch mit ihr zusammen bin und
nicht unter den Bomben sterbe."
Horror
und Straffreiheit: die UNRWA-Schule in Jabliya wurde
genau lokalisiert und von einer Rakete getroffen. Es waren keine
Hamas-Militanten, die geschossen haben. 45 Zivilpersonen wurden getötet.
Leichenschauhäuser sind voller Leichen und Krankenhäuser voller Menschen, die
Verbrennungen durch weißen Phosphor erlitten haben oder durch DIME-Waffen, die
bereits im Libanon eingesetzt wurden- was Israel bereits bestätigt hat.
Ein
Arzt erzählte uns, dass Patienten mit chronischen Krankheiten keine Versorgung
mehr bekommen, weil keine Medizin mehr vorhanden ist und weil es zu viele
Verwundete gibt. In Gaza kauerten Dutzende von Müttern mit ihren Kindern in
einem kleinen Raum, die uns verzweifelt ansahen, einige von ihnen starrten ins
Leere. Sie zeigten uns ihre Kinder, die noch verwundet waren und fragten uns:
"Warum?"
Die
UNWRA mahnt, dass die Grundnahrungsmittel fehlen. Sie werden dringend
gebraucht.
Israel
verweigert die notwendigen Hilfsgüter. Nichts und Niemand ist
sicher vor der israelischen Wahl der Illegalität.
Während
Gaza unter Bombardierung steht, erhöht sich die Anzahl der illegalen Siedler in
der Westbank und der Bau der Mauer schreitet weiter fort, die immer mehr Land
konfisziert und Palästinenser von Palästinensern trennt. Die Hoffnung auf das
Recht eines Staates innerhalb der 1967-Grenzen mit Jerusalem als geteilter
Hauptstadt schwindet immer mehr.
Wie
können wir die Internationale Gemeinschaft dazu bringen, ihre Verantwortung zu
erfüllen? Wie können wir einen sofortigen Waffenstillstand erreichen? Wie
Israel davon überzeugen, dass es nicht weiterhin internationale Gesetze brechen
kann, sondern auf die Stimmen derer hört, innerhalb und außerhalb, die Frieden,
Rechte und Würde für das palästinensische Volk fordern? Denn das ist der
einzige Weg, Sicherheit zu gewährleisten
Die
Europäische Union muss den Mut besitzen und die Geschlossenheit, ihre
Beziehungen und die Zusammenarbeit mit Israel nicht mehr aufzuwerten und ihre
Militärkooperation zu stoppen.
Wir,
die EU-Parlamentarier, fordern dieses noch einmal, sowohl einen
Waffenstillstand auf beiden Seiten als auch eine internationale Truppe zum
Schutz der Bevölkerung, nicht nur in Gaza, sondern auch in der Westbank.
Und
ich wünsche auch, dass Bewegungen in Italien verstehen können, dass eine
Einigung wichtig ist und dass wir nicht zu Israel oder Palästina halten,
sondern für Recht und Gerechtigkeit einstehen.
Auch
weiterhin halte ich zusammen mit den Palästinensern und Israelis, die sagen:
"wir weigern uns, Feinde zu sein – Stoppt das Massaker – Stoppt die
Besatzung."
(ER)