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Netanyahus schwedisches Theater und die Realität der Besatzung

 

Adam Keller, 28.8.09 ( Gush Shalom)

 

Seit Tagen beschäftigen sich das israelisch politische Establishment und die Mainstream-Medien mit einer hemmungslosen Dämonisierungs-Kampagne gegen Schweden. Erst nachdem die Schweden als Antisemiten beschimpft worden sind, unternahm die Yedioth Aharonot die elementaren journalistischen Schritte und sandte Reporter, um der Sache auf den Grund zu gehen. Ronny Shakeds Artikel vom 24.August enthüllte die „Organraub-Schreckensgeschichte“ – zeigte aber auch ganz klar, wie solch eine Geschichte aus der grauenhaften Besatzungsrealität entstehen kann.

 

Es ist eine alte Geschichte, die 17 Jahre zurückliegt. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes mit Namen Bilal Ahmad Ghanem aus dem kleinen Westbankdorf Amatin. Ghanem war einer von denen, die Israel offiziell als „Terroristen“ bezeichnete und den die eigenen Leute als Freiheitskämpfer priesen. In den frühen 90er-Jahren tauchte er als „ wanted“ auf der israelischen Suchliste auf.

 

Im Mai 1992 war Israel mitten in einer entscheidenden Wahlkampagne. Der Oppositionsführer Yitzhak Rabin bat die Wähler mit dem Versprechen um ein Mandat, mit den Palästinensern Frieden zu schließen – ein Versprechen, das er schließlich  ernsthaft zu erfüllen versuchte und für das er drei Jahre später mit dem Leben bezahlte. All das war Teil einer Zukunft, die Bilal nicht mehr erleben konnte. In der Nacht des 13. Mai 1992 lauerten israelische Soldaten ihm außerhalb seines Elternhauses auf und töteten  ihn auf der Stelle  mit einer Kugel direkt ins Herz. Dies allein schließt die Möglichkeit aus, dass Ghanems Organe für eine Transplantation benützt worden sind. Es ist eine elementare medizinische Tatsache, dass Organe nur von hirntoten Patienten genommen werden können, so lange das Herz noch schlägt.

Es konnte also kein „Organraub“ stattfinden. Aber es stimmt, dass Ghanems Körper mitgenommen wurde und erst eine Woche später der Familie zurückgegeben wurde. Offensichtlich hat eine Autopsie stattgefunden, die ohne Genehmigung der Familie stattfand.  (In Israel selbst kann eine Autopsie nur mit Einwilligung der Familie stattfinden oder auf Gerichtsbeschluss – aber solche Regeln gelten nicht im militärisch besetzten Gebiet) als endlich der Körper der Familie  zurückgegeben wurde, war diese geschockt über die genähte Narbe vom Hals bis zum Unterleib. Man gab ihnen nicht viel Zeit zum Spekulieren und keiner  war dort, um die Fragen zu beantworten.

Die Soldaten vor Ort drängten zu einer schnellen Beerdigung und dass die Anwesenden schnell wieder nach Hause gehen.

Ein schwedischer Journalist machte einige Fotos von Ghanems Körper mit der großen Narbe und erzürnte so die Soldaten, die ihm prompt den Photoapparat wegnahmen. Es gelang ihm aber noch, den Film herauszuziehen und ihn unter die Büsche zu werfen. Am folgenden Tag kehrte er zurück, fand den Film und berichtete über die zornigen und schmerzerfüllten Reaktionen von Ghanems Mutter, von der nicht erwartet werden kann, dass sie die medizinischen Fakten und Bedingungen weiß, wo und wann Organtransplantationen möglich oder nicht möglich sind.

Die Fotos und der Bericht wurden 1992 in Schweden  veröffentlicht, ohne dass dies damals großes Aufsehen erregt hätte. Sie sind auch in einem Buch von 2001 mit vielen Beispielen zur Situation in den besetzten Gebieten. Anscheinend hat die schwedische Regierung sich an den Kosten der Veröffentlichung mit beteiligt, ohne  den Inhalt  genau zu überprüfen. Noch einmal: das Buch erregte kaum große Aufmerksamkeit. Und nun kam es noch einmal an die Oberfläche und nach 17 Jahren wurde es zum Mittelpunkt eines wütenden  Aufruhrs.

Warum kam diese Affäre genau jetzt wieder hoch? Möglicherweise wegen der Massenmorde an Zivilisten im Gazakrieg, die zweifellos Tatsache sind und die unglaubwürdige israelische Brutalitäten glaubwürdig machen. Auch wenn es so ist, sollte eine Zeitung ihre Informationen  sorgfältiger prüfen, und jeder Arzt hätte sagen können, dass diese besonderen Anklagen nicht wahr sein können.

Vor einem Monat hat es – in den USA  - einen hässlichen Fall von Organhandel gegeben, in den  amerikanische Bürger, zufällig jüdisch, verwickelt waren. Aber diese Affäre mit dem Fehlverhalten des israelischen Militärs zu verknüpfen, war eine  hässliche und nicht akzeptable Analogie, die die Herausgeber von „Aftonbladet“ hätten vermeiden müssen.

Das wäre nun kein Grund für die Netanyahu-Regierung gewesen, dies zu einer direkten Konfrontation zwischen den beiden Ländern kommen zu lassen. Die jüdische Gemeinde in Schweden war keineswegs erfreut  über die israelische  Überreaktion . Aber die israelische Regierung handelte ohne Rücksicht auf diese. Sie hat ihre eigene  spezifische Agenda um  möglichst viel Lärm … zu machen.

( kurz zusammengefasst: Netanyahu steht unter großem Druck von Seiten Obamas aber auch  der Fanatiker in der eigenen Regierung --- Schweden  kam als passendes Ablenkungsmanöver gerade richtig …ER)

(dt. und gekürzt: Ellen Rohlfs)