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Obama:
Israel weiß nicht, was ihm zum Besten dient
Jeffrey Goldberg,
14.1.13
Kurz
nachdem die Konferenz der
UN-Vollversammlung Ende November
für die Aufwertung des Status der
Palästinenser abgestimmt hatte, verkündete die israelische Regierung von
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, sie
bereite Pläne, um eine Siedlung im Gebiet der Westbank, bekannt als
E-1, zu bauen und dass sie weitere 3000 Wohneinheiten in Ostjerusalem und
in der Westbank bauen wolle.
Eine
sehr große Siedlung in E-1, einer leeren Zone zwischen Jerusalem und der
jüdischen Siedlung von Maaleh Adumim, würde das Ziel der politisch moderaten
Palästinenser sehr erschweren: die Schaffung eines geographisch
zusammenhängenden Staates.
Die Welt
reagierte auf diese Ankündigung wie
üblich: sie verurteilte die Pläne als Provokation und als Ungerechtigkeit.
Präsident Barak Obamas Regierung kritisierte ihn auch. „Wir sind davon
überzeugt, dass diese Aktionen kontraproduktiv seien
und es schwerer mache, direkte Verhandlungen zu führen oder eine
Zwei-Staaten-Lösung zu erreichen,“ sagte Tommy Vietor, ein Sprecher des
Nationalen Sicherheitsrates.
„Die
besten Interessen“
Aber was
sich im Weißen Haus nach der Ankündigung nicht ereignete, ist tatsächlich
interessanter als das, was man tat.
Als
Obama, der eine berüchtigt umstrittene Beziehung zum Ministerpräsidenten hatte,
von der israelischen Entscheidung erfuhr, hatte keine Lust, zornig zu
werden. Er sagte zu mehreren Leuten, dass er diese Art Verhalten von Netanjahus
Seite erwartet habe. Und deutete an, dass er sich daran gewöhnt habe: er sieht
es als eine Art der Selbstverteidigungs-Politik seines israelischen Partner.
In den
Wochen nachdem UN-Beschluss sagte Obama wiederholt im privaten Kreis: Israel
weiß nicht, was in seinem
eigenen Interesse am besten sei. Mit
jeder Ankündigung einer neuen Siedlung, führe - nach Obamas Ansicht - Netanjahu
sein Land weiter abwärts zu einer
fast totalen Isolierung.
Und wenn
Israel ein kleiner Staat in einer ungastlichen Region immer mehr ein
Pariah-Staat wird, ein Staat, der sich sogar von der Verbundenheit der USA,
seinem letzten unerschütterlichen Freund, entfremdet – dann wird er nicht
überleben. Der Iran stellt
gegenüber Israels Überleben nur eine kurzfristige Bedrohung dar; aber Israels
eigenes Verhalten stellt eine langfristige Bedrohung dar.
Die
zerrüttete Beziehung zwischen Netanyahu und Obama nähert sich einer neuen Phase.
In der nächsten Woche werden die israelischen Siedler
dafür sorgen, dass Netanjahu zur Macht zurückkehrt, dieses Mal als Kopf
einer Koalition, die sogar noch hartnäckiger rechts-extrem ist, als die, der er
bis jetzt vorstand.
Obama
hat immer eine komplizierte Beziehung zum Ministerpräsidenten gehabt. Was echte
Sicherheit betrifft, da war Obama ein verlässlicher Verbündeter, indem er zu
enger militärischer Zusammenarbeit ermutigte und half, dass Israel seine
militärische Überlegenheit über regionale Rivalen hat und was besonders wichtig
ist: er wird dem Iran nicht erlauben, die Schwelle zu nuklearen Waffen zu
überschreiten.
Doch
selbst diese Unterstützung hielt Netanjahu nicht davon ab, sich für den
republikanischen Kandidaten Mitt Romney bei der Wahlkampagne im letzten Jahr
einzu- setzen.
Wenn es
sich aber um die Palästinenser handelt, scheint
der Präsident den Ministerpräsidenten als
politischen Feigling anzusehen, ein im Wesentlichen unangefochtener
Führer, der trotz alledem nicht
bereit ist, zu führen oder politisches Kapital zu spenden, um einen Kompromiss
einzugehen.
Von
Senator John Kerry, Massachusetts, dem von Obama als Nachfolger von Hillary
Clinton ernannte Außenminister, wird gesagt, er wolle den
Nah-Ost-Friedensprozess neu in Gang bringen . Aber Obama – der schon den
Friedensnobelpreis bekam – ist beträchtlich vorsichtiger. Er sieht die Regierung
der palästinensischen Behörde, den Präsidenten Mahmoud Abbas als schwach an. Er
ist aber davon überzeugt worden, dass Netanjahu von der Siedler-Lobby so sehr
eingenommen wurde und so uninteressiert war, auch nur die leiseste
Versöhnungsgeste gegenüber den palästinensischen Moderaten zu machen, dass eine
Investition von Interesse in den Friedensprozess nur Zeitverschwendung des
Präsidenten wäre.
Obama
ist seit seiner Zeit im Senat in seiner Analyse von Israels
zugrunde liegender Herausforderung konsequent geblieben: Wenn Israel sich
nicht selbst vom Leben der Palästinenser in der Westbank löst, wird eines Tages
die Welt entscheiden, dass es sich wie ein Apartheidstaat benimmt.
Die Konsequenzen
Für
Israel sind die kurzfristigen Konsequenzen von Obamas Frustration begrenzt. Die
USA werden ihre Hilfe für Israel nicht einfrieren, und Obamas Bemühung, Irans
nukleare Ambitionen zu vereiteln, wird weitergehen, auch wenn er von Netanjahu
die Nase voll hat. Aber was den
amerikanischen diplomatischen Schutz
betrifft – besonders den europäischen und besonders den der UN – da
sollte Israel eines Tages eine
bedeutsame Veränderung bemerken. Während der November-Abstimmung bei der UN
unterstütze die US Israel und bat seine Verbündeten, dasselbe zu tun.
Schließlich schlossen sich ihnen im Ganzen sieben andere Länder an,
einschließlich des pazifischen Palau und Mikronesien.
Wenn
sich solch ein Problem wieder einstellt, wird sich Israel noch einsamer
vorfinden. Es würde mich nicht überraschen, wenn die US das nächste Mal
scheitert, Stimmen zusammen zu trommeln oder wenn die US tatsächlich es ganz
unterlässt. Ich wäre auch nicht besonders überrascht, wenn Obama
schließlich öffentlich eine Vision von dem gibt, wie Palästina aussehen
sollte und dazu bestätigt, dass seine Hauptstadt Ost-Jerusalem sei sollte.
Obama
stellt keine unvernünftigen Forderungen. Die israelischen Sorgen über das Chaos
in Syrien, und das Hochkommen der Muslimischen Bruderschaft sind
nach amerikanischer Sichtweise legitim
und Obama weiß, dass ein weiterer territorialer Kompromiss von Israel in solch
unstabiler Umgebung unwahrscheinlich ist.
Aber
Obama wünscht, dass Netanjahu erkennt, Israels Siedlungspolitik mache die Chance
einer Zweistaatenlösung unmöglich. Und er wünscht, Netanjahu solle anerkennen,
dass eine Zwei-Staaten-Lösung die
beste Möglichkeit sei, das Land als
Demokratie einer jüdischen Mehrheit zu bewahren. Mit andern Worten wünscht
Obama, Netanjahu handle im besten
Interesse Israels.
Doch bis
jetzt gab es von der israelischen Regierung keine Anzeichen, dass die
israelische Regierung ein besseres Verständnis für die Welt hat, in der sie
lebt.
Jeffrey
Goldberg ist ein Kolumnist von Bloomberg View und ein nationaler Korrespondent
für Atlantic.
(dt.
Ellen Rohlfs)