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Noam Ben Zeev, Haaretz, 5.1.11
http://www.haaretz.com/print-edition/opinion/today-an-orchestra-tomorrow-a-palestian.state
Am Abend des 7. Mai 2004
herrschte Stille in dm kleinen alten Auditorium der
Friend’s School in El Bireh. Daniel Barenboim, einer der größten
Dirigenten seiner Generation, war dabei, seinen Taktstock
vor dem nagelneuen
Palästinensischen Jugendorchester
zu heben.
Bevor der erste Akkord
gespielt wurde, hatte man ein Gefühl historischer Bedeutung, und die Erinnerung
an einen ähnlichen Augenblick kam hoch.
Sieben Jahrzehnte früher
und zwar 1936, hefteten Leute in Tel Aviv – eine andere entfernte Stadt, die
mitten in einer nationalen Selbstbestimmung stand und auf Unabhängigkeit
hoffte – ihren Blick auf den damals größten Dirigenten, auf Artur Toscanini, als
er seinen Taktstock vor der ersten Aufführung eines Orchesters hob: das
Palästinensische Orchester, das jetzt das „Israelische Philharmonische
Orchester“ heißt.
Damals wie heute – in Tel
Aviv und in El-Bireh – war es nicht nur von musikalischer Bedeutung. Beide
Konzerte waren eine Erklärung von musikalisch-künstlerisch-kultureller
Unabhängigkeit. Eine vor-unabhängige
Unabhängigkeit.
Unter dem Slogan „Heute ein
Orchester, morgen ein Staat“ gibt
das Erwachsenenorchester jetzt ein Konzert, um die Verbindung zwischen der Musik
eines Volkes und der Unabhängigkeit zu betonen. Letztes Wochenende, sechs Jahre
nachdem das Jugendorchester seine ersten Akkorde anschlug, gab das
palästinensische Nationalorchester (PNO) sein Debut-Konzert und zeigte
ausgezeichnetes Können in der neuen gut ausgestatteten Konzerthalle in
Ramallahs Kulturpalast.
Nach dem langen Weg, den
palästinensische Musik in den letzten sechs Jahren gegangen ist
(mit der Errichtung des Konservatoriums, Ensembles, Festivals u.a) und
nach der kometenhaften musikalischen Entwicklung in den besetzten Gebieten und
innerhalb Israels kann man auf die Präsenz tiefer politischer und sozialer
Prozesse schließen, die von der Musik reflektiert wird.
Es war im Europa des 19.
Jahrhunderts dasselbe, als es eine starke Verbindung zwischen der Musik und den
herumwirbelnden Strömungen des Nationalismus gab. Der nationale Kampf, um
das Joch des Imperialismus abzuschütteln, kämpfte gleich hart, um seine Musik zu
definieren und nicht mit der deutschen romantisch-klassisch
vorherrschenden Konvention überein zu stimmen. In einem Stück im Programm
des PNO des zeitgenössischen palästinensischen Komponisten Salvador Arnita,
einst der Organist der Jerusalemer Grabeskirche, findet man Klänge aus den
Werken des tschechischen Komponisten Dvorak, des Finnen Sibelius, des spanischen
Komponisten Albeniz und sogar des vorstaatlichen Israeli Alexander Uriah
Boscovich und Eden Partosh.
Mit den Klängen schuf es
das im Orchester verkörperte Motto: „Heute ein Orchester, morgen ein Staat“ wie
es die Solisten und mehr als 40 Mitglieder taten, von denen einige Namen auf dem
Programm erschienen: 1.Violine Nabih Boulos, 2. Geige Jenna Barghouti; Naseem
al-Atrash am Cello und Muhammed Nijem spielte die 1. Klarinette; Iyad Hafez,
Khissab Khaled und Smir Qassis Fagott, französisches Horn bzw. Trompete. Und die
Solistin Mariam Tamari, die Mozart mit Virtuosität und klarer Musikalität sang.
Und um den Wunsch nach nationaler Einheit zu betonen, spielte das PNO auch in Haifa. Die Direktoren und Platzanweiser des Krieger-Zentrums konnten sich an keine Veranstaltung erinnern, die wie diese am Sonntag mit einem wirklichen, reifen Symphonieorchester palästinensischer Musiker stattfand, die aus den besetzten Gebieten und aus der Diaspora kamen, sogar aus Syrien. Als sie in Israel ankamen, erklärten sie, die Grenzen seien weg. Die Musik ist damals wie jetzt ihrer Zeit voraus. Das einzige, was jetzt nötig sei, sei ihrer Prophezeiung zu lauschen.
(dt. Ellen Rohlfs)