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Sie sind also Esel

 

Haaretz Editorial, 27.11.08

 

Da sich die Wahlen nähern wiederholen sich auch die üblichen Rituale und zornigen Impulse. Eines von diesen ist der obligatorische Versprecher vom geistlichen Führer von Shas, Rabbiner Ovadia Yosef. Er macht immer große Schlagzeilen in den Medien, bekommt wütende Antworten und  zornige, empörte Kommentare der Redaktionen. Die Nachfolger des Rabbiner, unter ihnen die Führer der Shaspartei beeilen sich seinen Versprecher zu interpretieren – und noch einmal gibt es Diskussionen. Dieses Mal zielte der Rabbi  mit seinen Obszönitäten auf die Lehrer und nannte sie „Esel“, weil sie seiner Ansicht nach Unsinn lehren : Geschichte, Geographie und Staatsbürgerkunde.

 

Inzwischen sollte man sich über Yosefs Statements nicht mehr aufregen. Der Shasführer ist ein Politiker in der vollen Bedeutung des Wortes und seine Äußerungen – von seinen Belehrungen seiner Leute bis zu seinen scheinbar wohl überlegten verbalen taktlosen Bemerkungen – sind dafür bestimmt seinen Wahlkreis zu beeinflussen. Der Rabbiner hat tatsächlich inzwischen den Ruf eines gebildeten  Schiedsrichter und religiösen Gelehrten, aber es scheint, als würde er jetzt im Alter seinen  guten Ruf schädigen. Seine geschmacklosen Wortspiele in seinen Reden sind nicht dafür gedacht, eine öffentliche Diskussion  anzuregen.

 

Seine Haltung gegenüber dem Curriculum in säkularen Schulen ist bekannt und abgedroschen. Sie ist nicht anders als seine Predigtsitzungen, die zur Rückkehr zu Frömmigkeit ermuntern und die sich über alles, was säkular, bürgerlich, universal und humanistisch ist, lustig machen, also über alles, was in  einem normalen Unterrichtsfach im staatlichen Schulsystem vorkommt. Die Prediger und Redner, die ihre Unterstützung aus den politischen Geschäften  der Shas  und ihrem Bildungssystem  und  der El Hama’ayam-Bewegung beziehen, führen einen massiven Krieg  gegen das staatliche Bildungssystem, weil es von dort ist und nicht das ultra-orthodoxe Ashkenazi-System, aus dem Shas jedes Jahr neue Schüler anlockt. Nun scheint es, dass Lehrkräfte aus dem Shas-Strom nicht genügend Respekt von ihren Rabbis bekommen – Kindergärten, die mit dem Bildungssystem von Shas  verbunden sind, verklagen die Bewegung dafür, dass sie kein Gehalt ausbezahlt bekommen.

 

Mit dieser Kampagne als Hintergrund, um neue Schüler für das Shas-Bildungssystem zu gewinnen, appelliert nun Rabbi Yosef an die traditionelle Mizrahi/Sephardim-Gemeinde. Yosefs Söhne und Töchter waren im staatlichen Schulsystem, das ihnen die nötige Grundlage für eine allgemeine professionelle Ausbildung gab ( dafür wurden sie und ihre Klassenkameraden  von ihm beleidigt). Seine Statements vertreten die Position der Shas, wie sie tatsächlich ist. Man kann annehmen, dass der Industrie- und Handelsminister Eli Yishai, der sich rühmt, finanzielle Hilfen für Fachausbildung der ultraorthodoxen Schüler ohne Gymnasialbildung verteilt, um sie aus Armut und Abhängigkeit herauszuholen,  versteht, wie unbegründet und schädigend die exaltierten Gefühlsausbrüche des Rabbis gegen die „säkularen“ Berufe sind.

 

Shas versucht den Kuchen zu bekommen und ihn auch zu essen: er macht sich lustig über die fundamentalen Werte einer staatlichen Bildung, schilt gleichzeitig aber nach dem Bildungsministerium. Während die Shasführer behaupten, dass ihre Wählerschaft dem Staat gegenüber loyal sei und ihre Söhne in der IDF dienen, ist ihr Bildungssystem, vom Staat  finanziell unterstützt, darauf aus ist, ihre Kinder von den Symbolen des Staates zu isolieren, indem es sie lehrt, die Fächer zu verachten, die das Rückgrat des staatlichen Bildungssystems sind. Man sollte von Rabbi Yosefs Reden nicht  so bewegt sein und das Bildungsportfeuille Shas übertragen, sondern sollte  sie als einen flüchtigen Wahlscherz ansehen.

 

(dt. Ellen Rohlfs)