Israel Palästina Nahost Konflikt Infos

Warum Palästinenser israelische Bürger sein wollen

 

Jacksan Diehl, 1.12.2011, Washington Post

 

Eine der Gegebenheiten des Nahostfriedensprozesses ist, dass Palästinenser  sehr darum bemüht sind, von der Herrschaft Israels befreit zu sein und in einem Staat für sich allein leben wollen. Deshalb ist eine neue Umfrage unter den Arabern Ostjerusalems überraschend: sie zeigt, dass mehr dieser Leute Bürger Israels sein wollen, als Bürger eines palästinensischen Staates.

Die im November (2011) durchgeführte Meinungsumfrage könnte für die palästinensischen politischen Führer peinlich sein, die vor kurzem darauf bestanden, dass Israel den Ausbau von Siedlungen im östlichen Teil von Jerusalem aufgibt – tatsächlich jeden Anspruch darauf aufgibt – als Vorbedingung für die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen. In dieser Woche hat die Zerstörung eines Hotels  in einem arabischen Stadtteil ( zur Vorbereitung eines jüdischen Hausbaus)  neue Kritik Israels von Seiten der US-Außenministerin Clinton verursacht, während eine durchgesickerte Mitteilung von EU-Diplomaten, die in der Stadt stationiert sind, den EU-Regierungen vorschlugen, Ost-Jerusalem als die Hauptstadt des zukünftigen palästinensischen Staates anzuerkennen.

 

Die schwierige Tatsache ist, dass die 270 000 Araber, die in Ostjerusalem leben,  nicht so begeistert sein mögen über den Anschluss an Palästina. Die Untersuchung, die vom früheren Leiter der staatlichen Abteilung für Nahost, David Pollock, durchgeführt wurde, fand, dass nur 30% sagten, sie würden lieber Bürger Palästinas bei einer Zwei-Staatenlösung sein, während 35% sagten, sie würden lieber israelische Staatsbürgerschaft wählen.  (Der Rest sagte, sie wüssten es nicht oder weigerten sich zu antworten) 40% sagten, sie würden überlegen, ob sie nicht in einen anderen Stadtteil ziehen würden, um  eher ein Bürger Israels zu werden als einer von Palästina; und 54 % sagten, wenn ihr Stadtteil zu Israel käme, dann würden sie nicht nach Palästina umziehen.

Die Gründe für diese Haltungen sind ziemlich verständlich, sogar vernünftig. Die Araber sagen, sie mögen lieber israelische Arbeit, Schulen, Gesundheitsversorgung und Sozialversicherung als die vom palästinensischen Staat  -- und ihr Nationalismus sei nicht so ausgeprägt, um nicht diese Vorteile mitzunehmen. Die Ost-Jerusalemer mögen Israel nicht sehr. Sie sagen, sie leiden an Diskriminierung. Aber sie scheinen das zu lieben, was es anbietet.

Bemerkenswert ist, dass 56 % sagen, dass sie mindestens einmal in der Woche nach Israel fahren; 60% sagen, dass ihnen der Zugang zum Mittelmeer „sehr wichtig“ oder „ziemlich wichtig“ wäre.

„Ganz deutlich wird hier eine  Diskrepanz zwischen der Einstellung der Leute und der Annahme, dass palästinensische Stadtteile eine Teil Palästinas sein sollten,“ sagt Pollock … „Das ist  tatsächlich nicht das, was sie sich wünschen.“

Es ist bedeutsam, zu bemerken, dass die Palästinenser Ostjerusalems anders sind als die in der Westbank oder im Gazastreifen – sie leben auf der Seite Israels von der Westbank-Apartheid-Mauer und haben blaue Identitätskarten, die ihnen erlauben, in Israel zu arbeiten, Zugang zum Gesundheitswesen zu haben und Sozialhilfe zu erhalten. Viele gehören zur Mittelklasse mit dem Nahost-Standard – 44% von den Befragten haben ein Einkommen von mehr als $1300 monatlich. Allgemein sind sie den Arabern Israels ähnlich, die in den Umfragen gezeigt haben, dass sie lieber in Israel bleiben, als sich einem palästinensischen Staat anzuschließen.

 

Die Ostjerusalemer haben eine Sache mit den andern Palästinensern und den Israelis gemeinsam. Sie sind pessimistisch, was den augenblicklichen Friedensprozess betrifft. Mehr als 40 % sagten, selbst wenn die Israelis mit den Palästinensern ein Friedensabkommen schließen würden und Ostjerusalem die Hauptstadt eines neuen Staates würde, würden einige palästinensische Militante sicher oder wahrscheinlich weiter den  bewaffneten Kampf gegen Israel fortsetzen. Und volle 64% sagten, es wäre ziemlich wahrscheinlich, dass die augenblicklichen Verhandlungen zusammenbrechen und dass es eine neue Intifada oder einen Aufstand der Palästinenser geben wird, einschließlich jener in Jerusalem.

Die entscheidende Botschaft scheint die zu sein, dass Friedensgespräche  wesentlich wären, um Gewalt zu verhindern, aber selbst ( solch ein ) Erfolg würde nicht zu einem völligen Frieden führen und dass eine Menge Palästinenser gerne nahe, aber nicht in einem palästinensischen Staat leben wollen.

 

(dt. Ellen Rohlfs)