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Pax Christi International – Landrechte der Beduinen
Vieux Marché
aux Grains, 21, 1000 Bruxelles, Belgium
Die Landrechte der Minorität der
Beduinen in Israel
Geschriebene Stellungnahme von Pax Christi International
Zur 15. Session des Un-Rates für Menschenrechte
13. September bis 1. Oktober 2010
Agenda Nr. 3
1. Einleitung
Pax Christi
International möchte die Aufmerksamkeit des Rates für Menschenrechte auf die
grobe und systematische Verletzung der Landrechte der Beduinen-Minderheit im
Staate Israel lenken; diese sind
durch internationales Recht
garantiert . Seit bereits dutzenden Jahren schließt die staatliche Planung in
Israel die Beduinen in der Politik für Entwicklung und Verwirklichung von
Landzuteilung, Zonenbildung und Konstruktion im Negev systematisch aus.
Obwohl die
Beduinendörfer im Negev ihre Existenz vor dem ersten Masterplan Israels in den
späten 1960erjahren nachweisen, wurden diese Dörfer in ihren ursprünglichen
Plänen systematisch ausgeschlossen. Alle Gebäude dieser Gemeinden werden deshalb
gemäß Israels Planungs- und Baugesetz als illegal bezeichnet,
und geben damit den israelischen Behörden eine legale Entschuldigung
dafür, dass sie diese Dörfer nicht in das nationale Elektrizitäts- und
Wassernetz einfügen, oder zumindest für eine elementare Infrastruktur aufkommen.
Als Ergebnis davon sind annähernd
160.000 Beduinen im Negev gezwungen, in nicht anerkannten Dörfern unter
verheerenden Umständen zu leben, was eine schwerwiegende Verletzung ihrer
grundlegenden Menschenrechte darstellt.(1)
Seit den
1970ern begannen die israelischen Behörden, Beduinenwohnungen in den nicht
anerkannten Dörfern zu demolieren. Allem Anschein nach
wurde Israels Zerstörungskampagne während der letzten Jahre
intensiviert. (Die in diesem Absatz genannte Anzahl der Demolierungen
bezieht sich nur auf die Jahre
2008 bis 2010. Die von Human
Rights Watch durchgeführte Liste bringt zur Kenntnis, dass die Rate an
Demolierungen mindestens seit 2005 im Steigen begriffen ist.) (2)
2008 wurden 225 illegale Beduinenwohnungen zerstört. 2009 sah
gegenüber dem vorhergehenden Jahr eine Zunahme: 254 zerstörte Wohnungen. Im
Januar 2010 haben die israelische
Land-Administration, das Ministerium für Innere Angelegenheiten und
der Südbezirk der israelischen Polizei gemeinsam beschlossen, die
Zerstörungsrate von illegalen Gebäuden von Beduinengemeinden im Negev zu
verdreifachen. Für dieses Jahr ist die Zerstörung von 700 illegalen Bauten
und das Tiefpflügen von 900 ha Land (um einen Neubau zu verhindern)
vorgesehen. (3)
1
HRW, Off
the Map Land and Housing Rights Violations in Israel’s Unrecognized
Bedouin Villages, HRW-Bericht, vol.20, Nr.5, März 2008, S.2
2
Ebenso,
S.57-58
3
Yagna Y., Israel verdreifacht Zerstörungsrate von illegalen Beduinenbauten, in
Haaretz, Berichte, 18.2.2010
Israelische Beamte behaupten, dass sie nur die Durchsetzung von Zonen- und Gebäude-Kodices erzwängen. Die Tatsache jedoch, dass sie nur gegen Beduinenwohnungen vorgehen und illegale Bauten von jüdischen Bewohnern systematisch übersehen oder im Nachhinein legalisieren, deutet darauf hin, dass Tel Aviv aktuell mehr mit der Stärkung seiner Kontrolle über den Negev aus strategischen Gründen beschäftigt ist, unter anderem durch die Veränderung des demographischen Gleichgewichts in der Gegend. (4)
Die Notlage
der Beduinen-Minderheit im Negev dürfte fortdauern, wenn die Internationale
Gemeinschaft versäumt, in dieser Sache zu reagieren. Daher glauben wir sehr
stark, dass der Menschenrechtsrat der UNO Israel drängen muss, seine
diskriminierende Landpolitik zur
Übereinstimmung mit dem Internationalen Gesetz zu verändern.
2. Isreals Verpflichtungen unter
Inernationalem Gesetz
2.1 Internationales Übereinkommen
über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR)
Die Rechte der
Beduinen im Negev sind durch das internationale Gesetz garantiert. Eine
Überschau über diese garantierten Rechte enthüllt schmerzlich die Diskrepanz
zwischen der Theorie und der harten Wirklichkeit. Gleichzeitig bildet diese die
Basis, auf der die Internationale Gemeinschaft und die israelischen Behörden
handeln sollten.
Israel hat
1991 das Internationale Übereinkommen über wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte ratifiziert, das das Recht auf angemessene Wohnung,
Privatsphäre, Schutz vor gewaltsame Ausweisungen und die Freiheit der Wahl des
Wohnortes garantiert. Darüber hinaus wird im
Art. 2, § 2 des Übereinkommens unterstrichen,
dass die Parteien des Staates garantieren müssen, dass diese Rechte ohne
Diskriminierung umgesetzt werden müssen.
Artikel
11.1: „Die Parteien
des Staates anerkennen im
gegenwärtigen Übereinkommen das
Recht aller auf einen entsprechenden Lebensstandard für die eine Person
und ihre Familie, einschließlich entsprechender Ernährung, Bekleidung und
Wohnung, und eine
kontinuierliche Verbesserung des Lebensstandards. Die Parteien des
Staates werden entsprechende
Schritte tun, um die Verwirklichung dieses Rechts sicherzustellen und zu diesem
Effekt die wesentliche Bedeutung internationaler Zusammenarbeit, basierend auf
freier Vereinbarung anerkennen.“ (5)
Artikel 2.2:
„Die Parteien der Staates übernehmen es,
das gegenwärtige Übereinkommen gemäß der
Garantie, dass die Rechte, die im vorliegenden Übereinkommen aufgezählt
sind, ohne jegliche Diskriminierung von Rasse, Farbe, Sex, Sprache, Religion,
politischer oder anderer Meinung,
nationalen oder sozialen Ursprung, Besitz, Status der Geburt oder anderen,
exekutiert werden.“( 6)
2.2:
Allgemeine Kommentare Nr. 4 und Nr.7: Das Recht auf entsprechende Wohnung (Art.
11 (1) des Übereinkommens)
In seinem
allgemeinen Kommentar Nr. 4 und Nr.7 arbeitete das Komitee über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte, das das Einverständnis der Parteien des Staates
mit dem ICESCR überwacht, weiter an
Artikel 11, § 1 des Übereinkommens. Diese Kommentare sorgen für einen mehr
detaillierten Überblick über die Rechte, die Israel
auszuführen versäumt.
In § 7 des
allgemeinen Kommentars Nr.4
betont das Komitee, dass das Recht auf Wohnung als das Recht an einem Ort in
Sicherheit, Frieden und Würde leben zu können, zu betrachten ist. Die
Beduinen in nicht anerkannten wie auch in anerkannten Dörfern sind jedoch
gezwungen, unter
Umständen
zu leben, die bei weitem nicht sicher, friedlich oder der Würde entsprechend
sind. (7)
4
HRW, Off
the Map Land and Housing Rights Violations in Israel’s Unrecognized Bedouin
Villages, HRW-Bericht,
Bd
20, Nr.5, März 2008, S.3
5
International Covenant on Economic, Social and Clutural Rights, Art. 11, §1
6
Ebenso,
Art.2, § 2
7
Allgemeiner Kommentar Nr.4: The Right to adequate hjousing (Art.11 (1) des
Übereinkommens, §7
Darüber hinaus
haben sie einen unverhältnismäßigen Mangel an sicherem Bleiberecht, das zu
gewähren der Staat Israel klar verfehlt. Jedoch setzt § 8a fest, dass „alle
Personen einen Grad von Bleibesicherheit besitzen, der gesetzlichen Schutz gegen
gewaltsame Ausweisungen, Schikanen oder andere Bedrohungen garantiert“, und
dass die staatlichen Parteien sofortige Maßnahmen ergreifen sollten, um den
Individuen und Gruppen, die einen solchen Schutz brauchen, legales
Bleiberecht zu gewähren. (8)
Zusätzlich fordert § 8e, dass der Zugang zu mehr Land für benachteiligte
Gruppen ein zentrales Ziel der Politik werden solle. (9)
Gewaltsame
Ausweisungen sind die zentralen Themen beider Kommentare. § 13 von Kommentar
Nr.4
regt an, dass
staatliche Parteien sicherstellen müssen, dass alle durchführbaren Alternativen
in Beratung mit den betroffenen Personen oder Gruppen erwogen werden, und dass
alle betroffenen Individuen das Recht auf entsprechende Entschädigung haben.
(10) § 18 geht noch einen
Schritt weiter:
Beispiele
von gewaltsamer Ausweisung sind
prima facie unvereinbar mit den Forderungen des Übereinkommens, und können nur
als extreme Ausnahmen gerechtfertigt werden und in Übereinstimmung mit den
relevanten Prinzipien des
internationalen Rechts.( 11)
Der allgemeine Kommentar
Nr. 7 bezieht sich ausnahmslos auf gewaltsame Ausweisung; § 14 stellt fest, dass
in Fällen, wo Ausweisung berechtigt ist, diese nach Einwilligung
mit dem internationalen Menschenrechts-Gesetz zu geschehen hat, und in
Übereinstimmung mit den allgemeinen Prinzipien von Vernunft und
Verhältnismäßigkeit. (12) § 15 hat
zum Schwerpunkt den Schutz im Vorgehen, der durch die staatlichen Parteien zur
Verfügung stehen, soll in Hinblick auf gewaltsame Ausweisungen wie:
Gelegenheiten für ehrliche Beratung
der Betroffenen, entsprechende und vernünftige Benachrichtigung vor dem Datum
der vorgesehenen Ausweisung, das Vorsehen legaler Entschädigungen und legaler
Hilfe für Personen, die Rechtshilfe bei Gericht suchen. (13)
Wie in § 16 angeführt, sollten Ausweisungen nicht dazu führen, dass
Menschen heimatlos oder verwundbar bis zur Verletzung anderer Menschenrechte
werden. Weiters müssen staatliche Parteien alle passenden Maßnahmen treffen, um
entsprechende alternative Wohnungen oder den Zugang zu produktivem Land zu
sichern. (14)
Wenn man sich
die zahlreichen, gut dokumentierten Berichte von Ausweisung und Zerstörung der
Wohnungen der Beduinen im Negev vornimmt, kann man nur schließen, dass der Staat
Israel keine der genannten
Verpflichtungen erfüllt. Die
einzelnen Personen erhalten keinerlei Entschädigung für zerstörte Objekte, noch
gibt es wirksame Wiedergutmachungen vom Gesetz her, und es wird stark abgeraten,
den Fall vor Gericht zu bringen. Hauszerstörungen, nur weil es keine
Baubewilligung gibt, sind nach
jeder Definition unverhältnismäßig und unvernünftig, besonders, weil der
Eigentümer keine wie immer geartete Gelegenheit hat,
eine solche Bewilligung zu erhalten. Zusätzlich: Die Beduinen erhalten
als Bewohner der nicht anerkannten Dörfer kaum eine Vorankündigung
der geplanten Zerstörung, und häufig wissen sie überhaupt nicht, ob der
Demolierungsbefehl dann tatsächlich ausgeführt wird. In vielen Fällen führen die
Ausweisungen für die Bewohner zur Wohnungslosigkeit , weil die israelischen
Behörden es unterlassen, entsprechende Ersatzwohnungen zur Verfügung zu stellen.
(15)
Israel
verletzt systematisch die Land- und Wohnrechte der Minderheit der Beduinen,
wie sie im Internationalen Recht garantiert sind.
Deshalb plädieren wir beim Rat für Menschenrechte,
Israel zu drängen, sich
an die Prinzipien zu halten,
die es einzuhalten versprochen hat.
8
ebenso, § 8 (a)
9
ebenso, § 8 €
10
ebenso, § 13
11
ebenso, § 18
12
Allgemeiner Kommentar Nr.7: The right to adequate housing (Art. 11 (1), § 14
13
ebenso, § 15a, b, g und h
14
ebenso, § 16
15
HWR, Off
the Map Land and Housing Rights Violation ...
HWR-Bericht, Bd 20, Nr.5, März
2008, <s.
98-103
Pax Christi International
empfiehlt dem Rat für Menschenrechte und seinen Mitgliedstaaten, den Staat
Israel zu drängen:
2.
transparente und gerechte Kriterien für die Schaffung neuer oder die
Anerkennung neuer
Wohnstätten einzurichten;
3.
starke gesetzliche Garantien für die Einbeziehung der Beduinen in den
Planungsprozess zu
schaffen;
4.
Gesetze zu schaffen, die die Bleibesicherheit für die Beduinen gewährleisten;
5.
den UN-Spezialberichterstatter für entsprechende Wohnmöglichkeiten und
den Spezial-
Berichterstatter für die Situation der Menschenrechte und fundamentalen
Freiheiten für die
indigene Bevölkerung einzuladen, den Fall zu untersuchen und Empfehlungen
zu geben.
Pax Christi International empfiehlt dem Rat für Menschenrechte folgendes:
6.
Die Israelische Regierung soll über die ständigen Ausweisungen und
Demolierungen der
Wohnungen der Beduinen im Negev zur Rede gestellt werden.
7.
Der Spezialberichterstatter der UNO für entsprechende Wohnmöglichkeiten
und der
Spezialberichterstatter für die Situation der Menschenrechte und
fundamentalen Freiheiten der
indigenen Bevölkerung sollten den Negev besuchen, um den Fall zu
untersuchen und die
notwendigen Empfehlungen zu geben.