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„Ihr werdet nicht bleiben! Vergesst es!“

 

Bericht einer Peace-Now-Demo in der Siedlung Ariel

 

Beate Zilversmidt ( Gush Shalom) , 5.6.08

 

Dem Bürgermeister Ron Nachman von Ariel gelang es, Präsident Peres zur Feier des 30.Geburtstages der Siedlung einzuladen. Nachman  wünscht sich, dass die Leute glauben, Ariel sei eine israelische Stadt wie jede andere auch. Aber wenn man tatsächlich dorthin geht, steht man vor einer eingezäunten Gemeinde mit Tor. Sie misstraut jedem, der sie betreten will. Es ist eine israelische Siedlung, die einer palästinensischen Umgebung aufgedrängt wurde.

Es war schon ziemlich dunkel, als wir – 15 Studenten und Pensionäre und ein früherer Knessetabgeordneter -  am 4. Juni von Tel Aviv kamen. Auf halbem Weg trafen wir  den Bus aus Jerusalem. Zusammen wurden wir durchgelassen, auch wenn wir am Tor der Siedlung etwas seltsam angeschaut wurden. Schließlich konnte der Verantwortliche von Peace Now Yariv Oppenheimer ein offizielles Papier zeigen, das uns erlaubte, eine Protestdemo während der Feierlichkeiten zu veranstalten.

 

Während wir an Luxusvillen und Gebäuden vorbeikamen, scherzten die Aktivisten über „die Lebensqualität“. Mittlerweile wurden wir von der Polizei begleitet, die uns zu einem kleinen Hügel  führte, wo wir demonstrieren sollten und von wo es unmöglich war, das im Zentrum der Siedlung errichtete Podium zu sehen. Außerdem waren wir durch Büsche von der Straße getrennt, die ins Zentrum führt. Und als ob dies noch nicht genug war, wollte die Polizei, dass wir noch weiter den Hügel hinauf gehen, um uns vollkommen hinter einen Drahtzaun zu platzieren, weit weg von der Straße.

 

An den folgenden Verhandlungen zwischen Oppenheimer und der Polizei war die Selbstsicherheit des Peace Now-Direktors interessant, mit der er darauf bestand, den versprochenen Platz zu bekommen, von dem aus man das Podium sehen könne. Er sprach nicht wie ein Dissident, der nichts erwartete, sondern wie ein Bürger, der auf seinen Rechten bestand. Es war die Polizei, die flehte: „Aber Yariv, versuche uns doch zu verstehen…“ Vielleicht wurde Oppenheimer von der Polizei wie „einer von uns“ behandelt, weil er seinen Reservedienst gemacht und Siedlungen bewacht hat. Diese Tatsache wurde in der Friedensbewegung nicht besonders gern gesehen, aber jetzt war es hilfreich: die Metallzäune wurden beseitigt, so dass wir schließlich doch etwas Kontakt zu den Passanten hatten.

 

Es war schon bei früheren Gelegenheiten passiert, dass eine Demonstration in einer Siedlung sehr an den Rand gedrängt worden war – die Organisatoren hatten sich darauf vorbereitet. Alle Aktivisten waren mit einer Plastikpfeife ausgestattet. Als wir hörten – obgleich wir nicht sehen konnten -  dass Peres zu reden begann, fingen 40 Pfeifen laut zu tönen an . Sie waren wohl auch dort zu hören, wo die Menge feierte. Oder war es das beständige Singen der unermüdlichen Jugendlichen, die von den etwas schwächeren Stimmen  der Alten unterstützt wurden: „30 Jahre Ariel = 30 Jahre Schande für Israel/ Ariel ist eine Gefahr/ Peres, der du hier in Ariel feierst, geh und gib deinen Friedensnobelpreis zurück!“. (Und weil die Siedler alle Juden Brüder nennen): „Brüder, Brüder verlasst Ariel – kommt zurück nach Israel!“

 

Langsam versammelte sich ein Menge uns gegenüber. Für die wenigen Polizisten, die es als ihre Aufgabe  ansahen, die beiden Seiten von einander getrennt zu halten, wurde dies zunehmend schwieriger.

Während einige religiös aussehende Siedler, wahrscheinlich Lubavitschers, zu tanzen anfingen und über „Bruderschaft“ sangen, versuchten andere die von der Polizei nun auch vor ihnen aufgestellten Zäune zu überwinden. Irgendwann schrieen sie ärgerlich „Polizeistaat, Polizeistaat!“ und einige von Peace now schlossen sich ihnen mit Gelächter an.

 

Wahrscheinlich auf Forderungen unserer Gegner, verbat uns die Polizei weiterhin das Megaphon zu benützen. „Aber ich habe eine Genehmigung für das Megaphon während der Demo.“  „Wir wollen nicht, dass Ihr die Chancen für einen Frieden ruiniert. Die Siedlungen sind ein Hindernis. Wir wollen nicht um sonst sterben – Peace Now!“ …

Dann durfte Oppenheimer noch einmal das Megaphon nehmen, da man erwartete, er würde die Demo für beendet erklären. Er aber drehte sich noch einmal um und sagte: „Ihr werdet nicht bleiben! Vergesst es! Ihr seid 15 km von der Grenze Israels entfernt.“ 

 

Dann war die Demo wirklich zu Ende und nicht nur die Polizei fragte sich, wie wir sicher in die Busse kamen, die 100 m vom Platz entfernt waren, wobei die feindselige Siedlermenge uns zahlenmäßig weit überlegen war. Eier seien auf uns geworfen worden, hörte man später im Radio. Die Polizei fürchtete anscheinend noch Schlimmeres und zwang uns, die Bustür zu schließen und loszufahren, bevor auch das  frühere Knessetmitglied Mossi Raz einsteigen konnte.  Auf dem Weg raus aus Ariel wurden wir nicht nur von der Polizei begleitet, sondern noch von einer Menge rennender junger Siedler, denen es gelang, die Polizei und auch  die Absperrungen  hinter sich zu lassen . Wer nicht so genau Bescheid wusste, mag gedacht haben, dass Shimon Peres unter uns war und so auf seinem Weg nach Hause  geehrt wurde.

 

(dt. Ellen Rohlfs)